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Demokratie gestalten
Gefährdungen der Pressefreiheit sind Gefährdungen der Demokratie
Journalistinnen und Journalisten sehen sich in ihrer täglichen Arbeit vermehrt Bedrohungen und Diffamierungen ausgesetzt. Aber auch sonst steht der Journalismus unter Druck. Ein Beitrag zum Internationalen Tag der Pressefreiheit am 3. Mai.
Grundgesetz, Artikel 5
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
Die Pressefreiheit ist in der Bundesrepublik Deutschland ein hohes Gut. Bereits die Paulskirchenverfassung von 1849 sah den verfassungsrechtlichen Schutz von Meinungs- und Pressefreiheit in Paragraf 143 vor. Die Frankfurter Paulskirche ist demnach nicht nur die Wiege der Demokratie, sondern auch die Wiege der deutschen Pressefreiheit. Letztlich wurde die Paulskirchenverfassung nicht wirksam, die Ideale allerdings wirkten nach: 1854 entstand das erste Bundesgesetz, in dem die Pressefreiheit mit Einschränkungen festgeschrieben wurde, 24 Jahre später wurde sie dann wieder eingeschränkt. Und so ging es weiter. Ein Zeitsprung: Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Pressefreiheit im Grundgesetz als Grundlage des demokratischen Gemeinwesens verankert. Nie mehr durfte sich wiederholen, was in der NS-Diktatur geschah: die Gleichschaltung und Unterdrückung von Rundfunk und Presse.
Vielmehr sollen die Vertreterinnen und Vertreter der freien Presse eine Kontrollfunktion ausüben, was in Paragraf 3, Landespressegesetz festgeschrieben wurde: „Die Presse erfüllt eine öffentliche Aufgabe, wenn sie in Angelegenheiten von öffentlichem Interesse Nachrichten beschafft und verbreitet, Stellung nimmt, Kritik übt oder auf andere Weise an der Meinungsbildung mitwirkt.“ Die Freiheit von Presse und Berichterstattung ist somit eine Voraussetzung für eine funktionierende Demokratie. Ihre Vertreterinnen und Vertreter decken Schwachstellen auf, hinterfragen, prüfen und bereiten dies für ihre Leser/Hörer/Seher auf. Aufgrund der besonderen Auskunftsrechte, die Pressevertreterinnen und -vertreter etwa gegenüber Behörden haben, werden Medien in Deutschland auch als „Vierte Gewalt“ bezeichnet, neben den drei Staatsgewalten Legislative, Exekutive und Judikative. Soweit zur Theorie.
Wie ist es aktuell um die Pressefreiheit in Deutschland bestellt?
Doch wie ist es aktuell um die Pressefreiheit in Deutschland bestellt? Journalistinnen und Journalisten sehen sich in ihrer täglichen Arbeit vermehrt Diffamierungen und Bedrohungen ausgesetzt. Im Ranking für Pressefreiheit der Organisation „Reporter ohne Grenzen“ ist Deutschland 2023 deshalb auf Platz 23 abgerutscht (2022: Platz 16). Grund dafür sind u.a. Angriffe auf Medienschaffende bei Demonstrationen. Zwar sind diejenigen, die eine gut recherchierte und seriöse Berichterstattung schätzen und sich aus Qualitätsmedien informieren, in der Mehrheit. Aber wie lange noch? Die Zahl der Menschen, die sich vermehrt in ihre Echokammern zurückziehen, wächst. Der Respekt vor Journalistinnen und Journalisten geht dagegen zurück. „Lügenpresse“ oder „Käseblätter“ – mit solchen herabsetzenden Ausdrücken werden Medienschaffende tagtäglich konfrontiert, nicht erst seit den Demonstrationen der Corona-Leugner. Es ist nicht nur der Versuch einer Demontage des Berufsstands, es ist der Versuch, unsere Demokratie zu demontieren!
Auch wirtschaftlich steht der Journalismus seit vielen Jahren unter Druck. Sinkende Auflagenzahlen und Anzeigenerlöse auf der einen und steigende Kosten wie etwa durch hohe Papierpreise auf der anderen Seite machen den Verlagen zu schaffen, die Arbeitsbelastung in den Redaktionen ist immens gestiegen und der digitale Wandel in vollem Gange. Als Heilsbringerin erscheint hier die Künstliche Intelligenz (KI), die bereits in vielen Verlagen das journalistische Arbeiten unterstützt, in einigen Bereichen sogar vollständig übernimmt. Bisher fehlen Studien, wie sich die KI auf die Redaktionsarbeit und vor allem auf die Berufsethik auswirkt. Zudem halten mit der Künstlichen Intelligenz neue Formen der Manipulation Einzug, sogenannte Deepfakes, die immer schwerer zu enttarnen sind. Die Folge: Die Zahl der Desinformationskampagnen und Verleumdungen nimmt zu – manipulierte Medieninhalte können vermehrt auch von technisch versierten Laien erstellt und verbreitet werden.
Das Berufsbild des Journalisten wandelt sich
Auch das Berufsbild des Journalisten wandelt sich. Durch den gestiegenen Arbeitsdruck und schlechtere Arbeitsbedingungen zieht es immer weniger junge, gut ausgebildete Menschen in den Journalismus. Während früher die journalistischen Kernaufgaben aus dem Recherchieren, Schreiben und Redigieren bestanden, kommen heute noch weitere durch den Wegfall von Arbeitsplätzen und neuen digitalen Formaten hinzu: Viele Journalisten verlassen daher kaum mehr ihre Redaktionen, um Termine wahrzunehmen. Sie haben schlicht und einfach keine Zeit dafür. Stattdessen kümmern sie sich um den Newsletterversand, schneiden Fotos zu, schreiben Pressemitteilungen um und machen Social-Media-Posts. Was aber passiert mit der Berichterstattung, wenn immer weniger Medienschaffende sich ein Bild mit den eigenen Augen machen? Viele entscheiden sich für eine andere Laufbahn nach ihrem Studium, vor allem vor dem Hintergrund, dass viele Verlage keine Tarifgehälter zahlen. In der PR-Branche etwa winken andere Verdienstmöglichkeiten.
Der Medienwissenschaftler Stephan Russ-Mohl sieht außerdem eine weitere Gefahr für das berufliche Selbstverständnis, die er im Tagesspiegel vom 28. November 2023 formuliert hat: „Weil (...) Geld für angemessene Honorare vielfach fehlt, droht der Journalismus von Aktivisten gekapert zu werden, die sich in die Redaktionen einschleichen und sich dort als ‚Haltungsjournalisten‘ festsetzen. Sie verwechseln Journalismus mit PR für ihre angeblich ‚gute Sache‘, seien das die Rettung des Klimas, eine Migrationspolitik der offenen Grenzen oder Terroristen, die für Putin oder für die Hamas morden. Solche Propagandisten mit der Tarnkappe von Journalisten bevormunden ihr Publikum.“
„Wir brauchen kluge unabhängige Berichterstatterinnen und Berichterstatter“
Distanz zum Gegenstand der Berichterstattung wahren, nicht gemein machen, auch nicht mit einer guten Sache – diese Ratschläge, die einst Hanns J. Friedrichs als junger Journalist von einem Kollegen bekommen haben soll und die dann zu seinem Credo wurden, sind unbedingt zu verteidigen. Der seriöse Journalismus, der den oben angeführten Gefahren ausgesetzt wird, hat dauerhaft nur eine Chance, wenn seine Vertreterinnen und Vertreter objektiv berichten und nicht belehren. Die alte Regel, Trennung von Nachricht und Meinung, muss im Arbeitsalltag beachtet werden, sonst sägt sich der Journalismus den Ast ab, auf dem er sitzt. Wir brauchen kluge unabhängige Berichterstatterinnen und Berichterstatter mehr denn je, sie sind die Mit-Verteidiger unserer demokratischen Grundwerte.
Info
Dieser Text ist auch erschienen in: Frank E.P. Dievernich, Jasmin Schülke, Paula Macedo Weiß (Hrsg.): Demokratie gestalten. Eine Aufforderung zum Handeln. Hardcover, 208 Seiten, 22 €, Frankfurter Allgemeine Buch, ISBN 978-3-96251-182-1
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
Die Pressefreiheit ist in der Bundesrepublik Deutschland ein hohes Gut. Bereits die Paulskirchenverfassung von 1849 sah den verfassungsrechtlichen Schutz von Meinungs- und Pressefreiheit in Paragraf 143 vor. Die Frankfurter Paulskirche ist demnach nicht nur die Wiege der Demokratie, sondern auch die Wiege der deutschen Pressefreiheit. Letztlich wurde die Paulskirchenverfassung nicht wirksam, die Ideale allerdings wirkten nach: 1854 entstand das erste Bundesgesetz, in dem die Pressefreiheit mit Einschränkungen festgeschrieben wurde, 24 Jahre später wurde sie dann wieder eingeschränkt. Und so ging es weiter. Ein Zeitsprung: Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Pressefreiheit im Grundgesetz als Grundlage des demokratischen Gemeinwesens verankert. Nie mehr durfte sich wiederholen, was in der NS-Diktatur geschah: die Gleichschaltung und Unterdrückung von Rundfunk und Presse.
Vielmehr sollen die Vertreterinnen und Vertreter der freien Presse eine Kontrollfunktion ausüben, was in Paragraf 3, Landespressegesetz festgeschrieben wurde: „Die Presse erfüllt eine öffentliche Aufgabe, wenn sie in Angelegenheiten von öffentlichem Interesse Nachrichten beschafft und verbreitet, Stellung nimmt, Kritik übt oder auf andere Weise an der Meinungsbildung mitwirkt.“ Die Freiheit von Presse und Berichterstattung ist somit eine Voraussetzung für eine funktionierende Demokratie. Ihre Vertreterinnen und Vertreter decken Schwachstellen auf, hinterfragen, prüfen und bereiten dies für ihre Leser/Hörer/Seher auf. Aufgrund der besonderen Auskunftsrechte, die Pressevertreterinnen und -vertreter etwa gegenüber Behörden haben, werden Medien in Deutschland auch als „Vierte Gewalt“ bezeichnet, neben den drei Staatsgewalten Legislative, Exekutive und Judikative. Soweit zur Theorie.
Doch wie ist es aktuell um die Pressefreiheit in Deutschland bestellt? Journalistinnen und Journalisten sehen sich in ihrer täglichen Arbeit vermehrt Diffamierungen und Bedrohungen ausgesetzt. Im Ranking für Pressefreiheit der Organisation „Reporter ohne Grenzen“ ist Deutschland 2023 deshalb auf Platz 23 abgerutscht (2022: Platz 16). Grund dafür sind u.a. Angriffe auf Medienschaffende bei Demonstrationen. Zwar sind diejenigen, die eine gut recherchierte und seriöse Berichterstattung schätzen und sich aus Qualitätsmedien informieren, in der Mehrheit. Aber wie lange noch? Die Zahl der Menschen, die sich vermehrt in ihre Echokammern zurückziehen, wächst. Der Respekt vor Journalistinnen und Journalisten geht dagegen zurück. „Lügenpresse“ oder „Käseblätter“ – mit solchen herabsetzenden Ausdrücken werden Medienschaffende tagtäglich konfrontiert, nicht erst seit den Demonstrationen der Corona-Leugner. Es ist nicht nur der Versuch einer Demontage des Berufsstands, es ist der Versuch, unsere Demokratie zu demontieren!
Auch wirtschaftlich steht der Journalismus seit vielen Jahren unter Druck. Sinkende Auflagenzahlen und Anzeigenerlöse auf der einen und steigende Kosten wie etwa durch hohe Papierpreise auf der anderen Seite machen den Verlagen zu schaffen, die Arbeitsbelastung in den Redaktionen ist immens gestiegen und der digitale Wandel in vollem Gange. Als Heilsbringerin erscheint hier die Künstliche Intelligenz (KI), die bereits in vielen Verlagen das journalistische Arbeiten unterstützt, in einigen Bereichen sogar vollständig übernimmt. Bisher fehlen Studien, wie sich die KI auf die Redaktionsarbeit und vor allem auf die Berufsethik auswirkt. Zudem halten mit der Künstlichen Intelligenz neue Formen der Manipulation Einzug, sogenannte Deepfakes, die immer schwerer zu enttarnen sind. Die Folge: Die Zahl der Desinformationskampagnen und Verleumdungen nimmt zu – manipulierte Medieninhalte können vermehrt auch von technisch versierten Laien erstellt und verbreitet werden.
Auch das Berufsbild des Journalisten wandelt sich. Durch den gestiegenen Arbeitsdruck und schlechtere Arbeitsbedingungen zieht es immer weniger junge, gut ausgebildete Menschen in den Journalismus. Während früher die journalistischen Kernaufgaben aus dem Recherchieren, Schreiben und Redigieren bestanden, kommen heute noch weitere durch den Wegfall von Arbeitsplätzen und neuen digitalen Formaten hinzu: Viele Journalisten verlassen daher kaum mehr ihre Redaktionen, um Termine wahrzunehmen. Sie haben schlicht und einfach keine Zeit dafür. Stattdessen kümmern sie sich um den Newsletterversand, schneiden Fotos zu, schreiben Pressemitteilungen um und machen Social-Media-Posts. Was aber passiert mit der Berichterstattung, wenn immer weniger Medienschaffende sich ein Bild mit den eigenen Augen machen? Viele entscheiden sich für eine andere Laufbahn nach ihrem Studium, vor allem vor dem Hintergrund, dass viele Verlage keine Tarifgehälter zahlen. In der PR-Branche etwa winken andere Verdienstmöglichkeiten.
Der Medienwissenschaftler Stephan Russ-Mohl sieht außerdem eine weitere Gefahr für das berufliche Selbstverständnis, die er im Tagesspiegel vom 28. November 2023 formuliert hat: „Weil (...) Geld für angemessene Honorare vielfach fehlt, droht der Journalismus von Aktivisten gekapert zu werden, die sich in die Redaktionen einschleichen und sich dort als ‚Haltungsjournalisten‘ festsetzen. Sie verwechseln Journalismus mit PR für ihre angeblich ‚gute Sache‘, seien das die Rettung des Klimas, eine Migrationspolitik der offenen Grenzen oder Terroristen, die für Putin oder für die Hamas morden. Solche Propagandisten mit der Tarnkappe von Journalisten bevormunden ihr Publikum.“
Distanz zum Gegenstand der Berichterstattung wahren, nicht gemein machen, auch nicht mit einer guten Sache – diese Ratschläge, die einst Hanns J. Friedrichs als junger Journalist von einem Kollegen bekommen haben soll und die dann zu seinem Credo wurden, sind unbedingt zu verteidigen. Der seriöse Journalismus, der den oben angeführten Gefahren ausgesetzt wird, hat dauerhaft nur eine Chance, wenn seine Vertreterinnen und Vertreter objektiv berichten und nicht belehren. Die alte Regel, Trennung von Nachricht und Meinung, muss im Arbeitsalltag beachtet werden, sonst sägt sich der Journalismus den Ast ab, auf dem er sitzt. Wir brauchen kluge unabhängige Berichterstatterinnen und Berichterstatter mehr denn je, sie sind die Mit-Verteidiger unserer demokratischen Grundwerte.
Dieser Text ist auch erschienen in: Frank E.P. Dievernich, Jasmin Schülke, Paula Macedo Weiß (Hrsg.): Demokratie gestalten. Eine Aufforderung zum Handeln. Hardcover, 208 Seiten, 22 €, Frankfurter Allgemeine Buch, ISBN 978-3-96251-182-1
3. Mai 2024, 10.17 Uhr
Jasmin Schülke
Jasmin Schülke
Studium der Publizistik und Kunstgeschichte an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Seit Oktober 2021 Chefredakteurin beim Journal Frankfurt. Mehr von Jasmin
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