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Demo gegen Zinserhöhung
„Lindner und die EZB arbeiten gegeneinander“
Die EZB hat zum neunten Mal die Leitzinsen erhöht. Derweil plant Finanzminister Lindner eine Finanzspritze für Unternehmen. Vor der Zentrale der EZB regt sich deshalb Widerstand.
An der Sonnemannstraße vor der Zentrale der Europäischen Zentralbank stehen sie: Joachim Nagel, Präsident der Deutschen Bundesbank, und Christine Lagarde, Präsidentin der EZB, und zerschlagen mit einem riesigen schwarzen Hammer, dem „Zinshammer“, ein kleines Windrad. Mehrere Fotografen schießen Fotos, ein paar Fußgänger sehen dem Spektakel zu.
Allerdings sind es nur Doubles, die mit Gesichtsmasken der beiden Bankenchefs symbolisch vorgehen. Das Schauspiel ist Teil einer Demo von Attac Frankfurt, die am Donnerstag stattfand. Grund: Der Beschluss der EZB, die Leitzinsen erneut zu erhöhen. Mit der plakativen Aktion wollen die Aktivisten ihren Forderungen Ausdruck verleihen, dass die Leitzinserhöhung die Wirtschaft schwäche und Investitionen in Soziales und Klimaschutz verhindere.
Info
Einer der wesentlichen Aufgaben der Europäischen Zentralbank ist, die Preisstabilität im Euro-Raum zu gewährleisten. Sie verfolgt das Ziel, die Inflations- oder Teuerungsrate langfristig bei zwei Prozent zu halten. Dafür steuert sie über Leitzinsveränderungen einer höheren Verteuerung entgegen, um das allgemeine Preisniveau wieder Richtung der angestrebten zwei Prozent zu bringen. Dadurch werden allerdings auch die Zinsen für Kredite teurer. In Ökonomiekreisen gilt das als umstritten, weil so zum Beispiel Investitionen in Nachhaltigkeit gebremst würden.
Eibl von Attac: Es braucht eine differenzierte Geldpolitik
Einer der Aktivisten vor Ort ist Alfred Eibl von der Attac-Arbeitsgruppe Finanzmärkte und Steuern. Er kritisiert das Vorgehen der EZB: „Investitionen in nachhaltiges Wohnen oder Sanierungen durch Programme der KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau) etwa hängen von der Zinspolitik der EZB ab“. Immobilienkredite zu verteuern oder die Kosten für Windparks zu erhöhen, indem die Kredite dafür teurer werden, sei nicht die richtige Strategie. Es brauche eine differenzierte Geldpolitik.
Durch die Erhöhung des sogenannten Einlagezinssatzes würden Banken und Geldmarktfonds profitieren. Die Wirtschaft hingegen werde blockiert, die Kosten trügen vor allem die Arbeitnehmer, weil Unternehmen dann sparen und teils Mitarbeiter entlassen müssten oder Gehälter nicht erhöht würden.
Info
Geldmarktfonds sind besondere Investmentfonds, also Geldtöpfe, in denen Geld von Anlegern gesammelt wird, die dafür einen handelbaren Anteilschein erhalten. Die Anleger sind oft Banken oder Unternehmen, die dort ihr Geld kurzfristig „parken“. Da das Geld von der Fondsgesellschaft in zinstragenden Wertpapieren investiert wird, steigen deren Erträge letztlich bei einer Erhöhung der Leitzinsen.
EZB und Finanzminister Lindner arbeiten entgegengesetzt
Eibl blickt auch mit Sorge auf die von Finanzminister Christian Lindner (FDP) angekündigte Steuerentlastung für Unternehmen. EZB und Lindner würden genau entgegengesetzt arbeiten: Die Zentralbank schwäche die Wirtschaft durch ihre Geldpolitik und Lindner wolle sie stärken. Das Geld, insgesamt 6 Milliarden Euro, dafür wolle er vor allem aus Einsparungen im Sozialbereich erhalten.
Aus diesem Grund fordert Attac laut Eibl eine stärkere Kooperation und Absprache zwischen den Währungshütern und der Regierung: Die EZB müsse Anforderungen bei der Inflationsbekämpfung an die Regierung stellen, die dann im Rahmen ihrer Fiskalpolitik zum Beispiel Übergewinne in den Krisenzeiten zusätzlich besteuere. In Spanien gebe es eine Übergewinnsteuer, deren Einnahmen zur Abfederung von Preissteigerungen genutzt würde.
Aktion vor EZB war erster Versuch
Auch wird eine Neuzusammensetzung des EZB-Präsidiums gefordert: Statt wie bisher die Mitglieder durch Regierungen zu ernennen, solle das Präsidium über Wahlen im Europaparlament geschaffen werden – in Analogie zum Bundesverfassungsgericht. Dadurch würde „nicht nur ökonomischer Mainstream, der sich schon des Öfteren als fehlerhaft gezeigt hat, dort vertreten sein, sondern auch heterodoxe Meinungen“, sagt Eibl.
Mit der Aktion an der Sonnemannstraße habe Attac bewusst klein angefangen und daher keine breite Ankündigung herausgegeben, antwortet Eibl auf die Frage, warum kaum Menschen vor Ort seien. Das Thema sei momentan eher in wissenschaftlichen und fachjournalistischen Kreisen anzutreffen.
Aber: „Wir gehen davon aus, dass, wenn weitere Zinserhöhungen kommen, mehr Menschen dabei sein werden .“ Weitere Aktionen sollen dann ähnlich bildstark ausfallen und zeigen, dass es nicht nur eine kleine Elite sei, die sich damit beschäftige, sondern die breite Masse.
Allerdings sind es nur Doubles, die mit Gesichtsmasken der beiden Bankenchefs symbolisch vorgehen. Das Schauspiel ist Teil einer Demo von Attac Frankfurt, die am Donnerstag stattfand. Grund: Der Beschluss der EZB, die Leitzinsen erneut zu erhöhen. Mit der plakativen Aktion wollen die Aktivisten ihren Forderungen Ausdruck verleihen, dass die Leitzinserhöhung die Wirtschaft schwäche und Investitionen in Soziales und Klimaschutz verhindere.
Einer der wesentlichen Aufgaben der Europäischen Zentralbank ist, die Preisstabilität im Euro-Raum zu gewährleisten. Sie verfolgt das Ziel, die Inflations- oder Teuerungsrate langfristig bei zwei Prozent zu halten. Dafür steuert sie über Leitzinsveränderungen einer höheren Verteuerung entgegen, um das allgemeine Preisniveau wieder Richtung der angestrebten zwei Prozent zu bringen. Dadurch werden allerdings auch die Zinsen für Kredite teurer. In Ökonomiekreisen gilt das als umstritten, weil so zum Beispiel Investitionen in Nachhaltigkeit gebremst würden.
Einer der Aktivisten vor Ort ist Alfred Eibl von der Attac-Arbeitsgruppe Finanzmärkte und Steuern. Er kritisiert das Vorgehen der EZB: „Investitionen in nachhaltiges Wohnen oder Sanierungen durch Programme der KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau) etwa hängen von der Zinspolitik der EZB ab“. Immobilienkredite zu verteuern oder die Kosten für Windparks zu erhöhen, indem die Kredite dafür teurer werden, sei nicht die richtige Strategie. Es brauche eine differenzierte Geldpolitik.
Durch die Erhöhung des sogenannten Einlagezinssatzes würden Banken und Geldmarktfonds profitieren. Die Wirtschaft hingegen werde blockiert, die Kosten trügen vor allem die Arbeitnehmer, weil Unternehmen dann sparen und teils Mitarbeiter entlassen müssten oder Gehälter nicht erhöht würden.
Geldmarktfonds sind besondere Investmentfonds, also Geldtöpfe, in denen Geld von Anlegern gesammelt wird, die dafür einen handelbaren Anteilschein erhalten. Die Anleger sind oft Banken oder Unternehmen, die dort ihr Geld kurzfristig „parken“. Da das Geld von der Fondsgesellschaft in zinstragenden Wertpapieren investiert wird, steigen deren Erträge letztlich bei einer Erhöhung der Leitzinsen.
Eibl blickt auch mit Sorge auf die von Finanzminister Christian Lindner (FDP) angekündigte Steuerentlastung für Unternehmen. EZB und Lindner würden genau entgegengesetzt arbeiten: Die Zentralbank schwäche die Wirtschaft durch ihre Geldpolitik und Lindner wolle sie stärken. Das Geld, insgesamt 6 Milliarden Euro, dafür wolle er vor allem aus Einsparungen im Sozialbereich erhalten.
Aus diesem Grund fordert Attac laut Eibl eine stärkere Kooperation und Absprache zwischen den Währungshütern und der Regierung: Die EZB müsse Anforderungen bei der Inflationsbekämpfung an die Regierung stellen, die dann im Rahmen ihrer Fiskalpolitik zum Beispiel Übergewinne in den Krisenzeiten zusätzlich besteuere. In Spanien gebe es eine Übergewinnsteuer, deren Einnahmen zur Abfederung von Preissteigerungen genutzt würde.
Auch wird eine Neuzusammensetzung des EZB-Präsidiums gefordert: Statt wie bisher die Mitglieder durch Regierungen zu ernennen, solle das Präsidium über Wahlen im Europaparlament geschaffen werden – in Analogie zum Bundesverfassungsgericht. Dadurch würde „nicht nur ökonomischer Mainstream, der sich schon des Öfteren als fehlerhaft gezeigt hat, dort vertreten sein, sondern auch heterodoxe Meinungen“, sagt Eibl.
Mit der Aktion an der Sonnemannstraße habe Attac bewusst klein angefangen und daher keine breite Ankündigung herausgegeben, antwortet Eibl auf die Frage, warum kaum Menschen vor Ort seien. Das Thema sei momentan eher in wissenschaftlichen und fachjournalistischen Kreisen anzutreffen.
Aber: „Wir gehen davon aus, dass, wenn weitere Zinserhöhungen kommen, mehr Menschen dabei sein werden .“ Weitere Aktionen sollen dann ähnlich bildstark ausfallen und zeigen, dass es nicht nur eine kleine Elite sei, die sich damit beschäftige, sondern die breite Masse.
28. Juli 2023, 10.55 Uhr
Till Geginat
Till Geginat
Jahrgang 1994, Studium der Theater-, Film- und Medienwissenschaft an der Goethe Universität Frankfurt, seit November 2022 beim JOURNAL FRANKFURT. Mehr von Till
Geginat >>
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