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Cohn-Bendit im Interview
"Nun bin ich 68 plus"
Daniel Cohn-Bendit spricht im Interview über seinen 69. Geburtstag, den Rechtsruck in Europa und nennt die Abschaffung des Programms zur Unterstützung verfolgter Autoren durch die Frankfurter Grünen "erbärmlich".
Journal Frankfurt: Herr Cohn-Bendit, nun sind Sie 69. Wie fühlt sich ein Alt-68er mit 69?
Daniel Cohn-Bendit: Tja, nun bin ich 68 plus und ich fühle mich gut damit. Jetzt geht es nochmal in eine neue Runde. Die Kisten in Brüssel sind gepackt, das Büro im Europaparlament ist ausgeräumt.
Nach 20 Jahren verabschieden Sie sich aus dem Europa-Parlament. Warum?
Weil 20 Jahre genug sind. Mein Körper zeigt mir ganz deutlich, dass es jetzt reicht mit der vielen Reiserei und der anstrengenden Tätigkeit als Abgeordneter im Europaparlament.
Das vergangene Jahr war sehr turbulent und für Sie persönlich häufig schwierig. Was haben Sie für sich persönlich mitgenommen?
Mir ist klar geworden, dass ich mit der Öffentlichkeit nicht zu Potte komme und dass es nicht voran geht, egal was ich mache oder sage.
Hört sich resigniert an ...
Nein, das ist lediglich eine kühle Feststellung. Sobald man Fehler und Schwächen hat, gibt es mindestens einen in der Öffentlichkeit, der das ganz brutal nutzt und einen fertig macht. Das ist nunmal so und mir geht es da nicht anders als vielen anderen auch. Dass man mit einer Einstellung, wie ich sie habe, und mit den Dingen, die ich von mir gegeben und geschrieben habe, nicht immer Everybody's Darling sein kann,ist völlig klar. Aber vieles davon tut mir sehr leid, ich habe Fehler gemacht, ja. Aber dass die immer und immer wieder ausgegraben werden, das beschäftigt mich sehr.
In Europa geht es derzeit turbulent zu: In vielen europäischen Ländern sind – wie die Kommunalwahlen in Frankreich oder die Wahlen in Ungarn zeigten – rechte Parteien auf dem Vormarsch. Eine Gefahr für Europa?
Das ist erst einmal die harte Realität in Europa. Es kommt darauf an, wie nun die Gesellschaft und die europäische Politik reagiert. Wenn die Politik die Menschen nicht mehr erreicht und ihnen nicht mehr klar machen kann, was Europa eigentlich bedeutet, dann wird es gefährlich.
Was kann man dagegen unternehmen?
Ich glaube die Vision von Europa sollte viel klarer und dezidierter vertreten werden und nicht immer mit einem „Aber“ auf den Lippen daher kommen. Die Europapolitik muss das große Ganze, die Vereinigten Europäischen Staaten, stärker vertreten und diesen Verbund stärken.
Aber diese Aufgaben überlassen Sie nun ihren Kollegen im Europaparlament. Mit ihrem Ausstieg aus der Politik bleibt nun mehr Zeit für andere Dinge. Was haben Sie geplant?
Europapolitik kann man ja schließlich nicht nur machen, wenn man im Parlament sitzt. Aber am 31. Mai setze ich mich erst mal in den Flieger nach Brasilien und bin dann erstmal eine ganze Weile weg. Da drehe ich während der Fußball-WM eine Dokumentation, für die ich 6000 Kilometer quer duch das Land fahren und versuchen will, zur richtigen Zeit auch am richtigen Ort zu sein, um einen guten Film zu machen. Das ist das Nahziel. Und dann schauen wir mal weiter.
Eine Nachricht in der letzten Woche hat hier in Frankfurt für große Diskussionen gesorgt: Die Stadt Frankfurt und die Frankfurter Buchmesse haben ihr Programm zur Unterstützung für verfolgte Autorinnen und Autoren auf Eis gelegt ...
Das ist skandalös. Und dass die Grünen das mitmachen, finde ich noch viel skandalöser. Da geht es um 27.000 Euro im Jahr für eine wirklich sehr wichtige Sache und wenn hierfür das Geld nicht mehr da ist, dann sollte die Stadt Frankfurt sämtliche Ampeln abschalten, denn dann ist sie offensichtlich völlig Pleite. Ich kann vieles verstehen, aber dass dieses Programm, für das wir damals, als ich noch Multi-Kulti-Stadtrat aktiv war, so sehr gekämpft haben, jetzt völlig sang- und klanglos abgeschafft wird, ist erbärmlich.
Eine Version dieses Artikels erscheint am 8. April 2014 im Journal Frankfurt. Hier abonnieren.
Daniel Cohn-Bendit: Tja, nun bin ich 68 plus und ich fühle mich gut damit. Jetzt geht es nochmal in eine neue Runde. Die Kisten in Brüssel sind gepackt, das Büro im Europaparlament ist ausgeräumt.
Nach 20 Jahren verabschieden Sie sich aus dem Europa-Parlament. Warum?
Weil 20 Jahre genug sind. Mein Körper zeigt mir ganz deutlich, dass es jetzt reicht mit der vielen Reiserei und der anstrengenden Tätigkeit als Abgeordneter im Europaparlament.
Das vergangene Jahr war sehr turbulent und für Sie persönlich häufig schwierig. Was haben Sie für sich persönlich mitgenommen?
Mir ist klar geworden, dass ich mit der Öffentlichkeit nicht zu Potte komme und dass es nicht voran geht, egal was ich mache oder sage.
Hört sich resigniert an ...
Nein, das ist lediglich eine kühle Feststellung. Sobald man Fehler und Schwächen hat, gibt es mindestens einen in der Öffentlichkeit, der das ganz brutal nutzt und einen fertig macht. Das ist nunmal so und mir geht es da nicht anders als vielen anderen auch. Dass man mit einer Einstellung, wie ich sie habe, und mit den Dingen, die ich von mir gegeben und geschrieben habe, nicht immer Everybody's Darling sein kann,ist völlig klar. Aber vieles davon tut mir sehr leid, ich habe Fehler gemacht, ja. Aber dass die immer und immer wieder ausgegraben werden, das beschäftigt mich sehr.
In Europa geht es derzeit turbulent zu: In vielen europäischen Ländern sind – wie die Kommunalwahlen in Frankreich oder die Wahlen in Ungarn zeigten – rechte Parteien auf dem Vormarsch. Eine Gefahr für Europa?
Das ist erst einmal die harte Realität in Europa. Es kommt darauf an, wie nun die Gesellschaft und die europäische Politik reagiert. Wenn die Politik die Menschen nicht mehr erreicht und ihnen nicht mehr klar machen kann, was Europa eigentlich bedeutet, dann wird es gefährlich.
Was kann man dagegen unternehmen?
Ich glaube die Vision von Europa sollte viel klarer und dezidierter vertreten werden und nicht immer mit einem „Aber“ auf den Lippen daher kommen. Die Europapolitik muss das große Ganze, die Vereinigten Europäischen Staaten, stärker vertreten und diesen Verbund stärken.
Aber diese Aufgaben überlassen Sie nun ihren Kollegen im Europaparlament. Mit ihrem Ausstieg aus der Politik bleibt nun mehr Zeit für andere Dinge. Was haben Sie geplant?
Europapolitik kann man ja schließlich nicht nur machen, wenn man im Parlament sitzt. Aber am 31. Mai setze ich mich erst mal in den Flieger nach Brasilien und bin dann erstmal eine ganze Weile weg. Da drehe ich während der Fußball-WM eine Dokumentation, für die ich 6000 Kilometer quer duch das Land fahren und versuchen will, zur richtigen Zeit auch am richtigen Ort zu sein, um einen guten Film zu machen. Das ist das Nahziel. Und dann schauen wir mal weiter.
Eine Nachricht in der letzten Woche hat hier in Frankfurt für große Diskussionen gesorgt: Die Stadt Frankfurt und die Frankfurter Buchmesse haben ihr Programm zur Unterstützung für verfolgte Autorinnen und Autoren auf Eis gelegt ...
Das ist skandalös. Und dass die Grünen das mitmachen, finde ich noch viel skandalöser. Da geht es um 27.000 Euro im Jahr für eine wirklich sehr wichtige Sache und wenn hierfür das Geld nicht mehr da ist, dann sollte die Stadt Frankfurt sämtliche Ampeln abschalten, denn dann ist sie offensichtlich völlig Pleite. Ich kann vieles verstehen, aber dass dieses Programm, für das wir damals, als ich noch Multi-Kulti-Stadtrat aktiv war, so sehr gekämpft haben, jetzt völlig sang- und klanglos abgeschafft wird, ist erbärmlich.
Eine Version dieses Artikels erscheint am 8. April 2014 im Journal Frankfurt. Hier abonnieren.
7. April 2014, 10.58 Uhr
Interview: Miriam Mandryk
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