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Cannabis-Diskussion der SPD im Haus am Dom

"Der Staat soll sich nicht in meinen Rausch einmischen"

Soll man Cannabis legalisieren? Diese Frage hat die SPD am Montagabend im Haus am Dom diskutiert. Die Experten waren sich einig, dass sich an der Gesetzgebung etwas ändern muss. Denn Gras ist längst Alltag.
"Der Krieg gegen die Drogen ist verloren", sagte Heino Stöver am Montagabend im Haus am Dom. "Cannabis ist dafür ein gutes Beispiel." Das Verbot der Droge beruhe auf einem 100 Jahre altem Ansatz, daran noch zu glauben sei naiv, die Gesellschaft habe sich verändert. Cannabis zu verbieten sei ein "letztes disziplinarisches Mittel des Staates, um Menschen in der Spur zu halten".

Für derlei Aussagen bekam der Professor für sozialwissenschaftliche Suchtforschung den meisten Beifall aus dem Publikum. Mehr Menschen, als der Saal fassen konnte, waren zu der Podiumsdiskussion gekommen, zu der die SPD-Fraktion eingeladen hatte. Die Leitfrage des Abends "Cannabis legalisieren" hätten die meisten Zuhörer positiv beantwortet - immerhin gab die Mehrheit zu Beginn auf Anfrage des Moderators zu, wenigstens einmal die Droge konsumiert zu haben.

Die meisten Cannabis-Nutzer, so Stöver, hätten den Konsum in ihren Alltag integriert. Sie nähmen die Droge zur Entspannung, wie andere eine Zigarette oder ein Glas Wein. Was für einen Sinn ergibt dann noch ein Betäubungsmittelgesetz, das an der Lebensrealität der Menschen vorbei geht? Die Podiumsteilnehmer waren sich einig, dass die Regulierung reformbedürftig ist. "Das Problem ist nicht das Ausprobieren von Cannabis, sondern dabei erwischt zu werden", sagte Renate Wolter-Brandecker, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD im Römer. Kriminialisierung von Konsumenten oder gar Haftstrafen für diese seien nicht hilfreich. "Die Gesetze haben nicht die Wirkung, die sie sich versprechen", so die Politikerin.

Die Debatte jedoch gestalte sich schwierig - auch in der SPD. Allerdings, so Wolter-Brandecker, werde die Debatte unehrlich geführt, weil man mit zweierlei Maß messe: So werde immer noch für Tabak und starke Alkoholika Werbung gemacht. "Der gesellschaftliche Schaden durch Alkohol ist größer als der durch Cannabis", so die Sozialdemokratin.

Die Statistiken sprechen für sich: 110.000 bis 140.000 Menschen sterben im Jahr in Deutschland an den Folgen des Tabakkonsums, mehr als 73.000 Leben fordert der Alkohol. "Tote durch Cannabis sind nicht bekannt", sagte der Diplompsychologe Ulrich Claussen, Leiter der Therapeutischen Einrichtung Auf der Lenzwiese. Er nannte jedoch auch die Schattenseite der Droge. In seiner Anstalt machen Cannabis-Patienten den größten Anteil aus. Viele von ihnen hätten einen schlechteren Schulabschluss als Opiatabhängige, weil sie meist relativ früh mit dem Konsum begonnen und dadurch in der Schule einen Leistungsknick gehabt hätten. Claussen nannte auch gesundheitliche Schäden: Herzkreislaufstörungen, Erkrankungen der Atemwege, Depression und Schwierigkeiten, Affekte zu kontrollieren. Generell sei es nicht ratsam, Rauch einzuatmen, so Claussen, der sich daher für die orale Einnahme aussprach.

Und doch gibt es auch den medizinischen Nutzen, der oft als Argument eingebracht wird, um eine Legalisierung zu rechtfertigen, wie etwa bei Augenkrankheiten oder als Mittel zur Appetitanregung. Das Urteil des Kölner Verwaltungsgerichts vom Juli, das den privaten Cannabisanbau zu medizinischen Zwecken erlaubt, wertete Stöver als "wegweisenden Meilenstein". Es sei töricht, Cannabis zu verbieten, wenn das therapeutische Potenzial bekannt sei. "In der Medizin gilt: Wer hilft, hat Recht", so der Professor. Für Wolter-Brandecker war das Urteil "zu kurz gegriffen". Da jeder einzelne Nutzer geprüft werden müsse, sei das ein nicht zulässiger Eingriff in die Persönlichkeitsrechte.

Stöver sagte, dass es bei der Debatte um die Legalisierung von Cannabis meistens nicht um Medizin gehe, sondern um den Genuss. Allerdings müsse der Genuss reguliert werden. Denn durch den Schwarzmarkt komme unreines, also gestrecktes Cannabis auf den Markt, das "nicht gut sein" könne. Eine Möglichkeit sei, den Weg wie Uruguay zu gehen und den Cannabis-Anbau in die Hand des Staates zu legen. Dadurch wäre zum einen die Reinheit des Produkts garantiert, zum anderen käme der Konsum dem Staatshaushalt zugute.

Dass die Regulierung gelockert werden müsse, war für die Podiumsteilnehmer klar. Nur wie, also wie hoch die Freigrenzen für den Besitz von Cannabis sein dürfen, das blieb offen. Für Stöver war klar, dass die Antwort gesundheitspolitisch und nicht strafrechtlich erfolgen müsse. "Es sollte ganz selbstverständlich sein, dass sich der Staat nicht in meinen Rausch einmischt."
 
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30. September 2014, 11.00 Uhr
Lukas Gedziorowski
 
 
 
 
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