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Zwischenruf von Katerina Gottesleben
"Gebt euch Mühe, unsere neuen Mitmenschen aufzunehmen"
"Hass entsteht nicht durch fremde Kulturen. Hass ist eine Reaktion,“ sagt Model, Autorin und Bloggerin Katerina Gottesleben und berichtet über Anfeindungen, die sie selbst erlitten hat, weil sie keine Deutsche ist.
Mein Nachname klingt deutsch. Er ist es auch, doch das täuscht! Ich kam 1994 mit meiner Familie nach Deutschland. Wir waren keine „Flüchtlinge“. Mein Papa hatte uns wegen seines Jobs in einer tschechischen Firma nach Frankfurt mitgenommen. Deutschland hatte ich mir trotzdem ganz anders vorgestellt. Klar, ich war zehn Jahre alt und kam aus einer Kleinstadt – was wusste ich schon von der Welt? Doch niemand hatte mir gesagt, dass ich im „gelobten Land“ auf einer Hauptschule landen würde. Dabei hatte ich ausschließlich Einsen auf dem Zeugnis!
Ich wusste noch nicht einmal, was eine Hauptschule war. Ich nahm an, dass es eine Schule ist, die jeder besucht. Im tschechischen Schulsystem gingen ja auch alle bis zur neunten Klasse auf die „Basisschule“. Erst danach geht es in die Lehre oder aufs Gymnasium. Hauptschule, Basisschule – das hätte doch etwas Ähnliches sein können. Da ein Amt es meinen Eltern so empfohlen hatte, hinterfragten wir die Entscheidung nicht – wir, die braven Ausländer. Anpassung war angesagt.
Ich ging dort mit zehn Jahren gleich in die siebte Klasse. Denn in dem Stoff, bei dem keine Sprache benötigt wird, war ich schon viel weiter. Dass ich dort als Storch gehänselt werden würde, mir als der Jüngsten täglich ins Gesicht gespuckt würde, ich konnte mich ja noch nicht wehren, und ich im „Intensivkurs Deutsch“ andere Sprachgrundlagen lernen würde, als die, mit denen ich ein Jahr später auf dem Gymnasium aufwarten musste, das konnte uns damals auch keiner sagen.
Auch nicht, dass es auf deutschen Gymnasien wichtig ist, welche Hosenmarke man trägt oder dass ich der Klassendepp forever war, weil ich einfach mit schlabbrigen rosa Jeans in zweiter Generation angerückt bin. Diese Tatsachen hatte ich nicht auf dem Trichter. Das entsprach nicht meinen Wertvorstellungen. So zog sich mein Image als Außenseiterin bis zur zehnten Klasse durch – bis ich dann für meine Mitschüler zur Tanzlehrerin wurde. Wobei es mir da schon ziemlich egal war, was man über mich dachte. Ich hatte ein paar Freunde und eine Beschäftigung, das Tanzen.
Eine Lehrerin traf ich vergangenes Jahr zufällig in der Stadt. Sie hatte mir damals auf der Hauptschule gesagt, dass ich es niemals aufs Gymnasium schaffen würde. Sie hatte mich tatsächlich erkannt und mich auf mein Buch angesprochen – ein Buch, das ich selbst geschrieben habe. Eine der Schülerinnen, die mich damals bespuckt haben, arbeitet jetzt als Arzthelferin. Als ich sie traf, sagte ich ihr höflich „Guten Tag“. Sie sprach immer noch kein perfektes Deutsch.
Was ich damit sagen will? Bitte gebt euch Mühe, unsere neuen Mitmenschen in diesem Land aufzunehmen. Hass entsteht nicht durch fremde Kulturen. Hass ist eine Reaktion. Versetzt euch doch mal in die Flüchtlinge hinein, anstatt ihre Notunterkünfte anzuzünden. Sie vermissen ihre Angehörigen und ihre Heimat. Würdet ihr so leben wollen, wie sie jetzt leben? Seid freundlich und lernt sie erst einmal kennen. Ihr werdet etwas von ihnen lernen. Das sollte unser Vorsatz für 2016 sein.
Dieser Zwischenruf erscheint in der aktuellen Ausgabe des JOURNAL FRANKFURT und zeitgleich online.
Ich wusste noch nicht einmal, was eine Hauptschule war. Ich nahm an, dass es eine Schule ist, die jeder besucht. Im tschechischen Schulsystem gingen ja auch alle bis zur neunten Klasse auf die „Basisschule“. Erst danach geht es in die Lehre oder aufs Gymnasium. Hauptschule, Basisschule – das hätte doch etwas Ähnliches sein können. Da ein Amt es meinen Eltern so empfohlen hatte, hinterfragten wir die Entscheidung nicht – wir, die braven Ausländer. Anpassung war angesagt.
Ich ging dort mit zehn Jahren gleich in die siebte Klasse. Denn in dem Stoff, bei dem keine Sprache benötigt wird, war ich schon viel weiter. Dass ich dort als Storch gehänselt werden würde, mir als der Jüngsten täglich ins Gesicht gespuckt würde, ich konnte mich ja noch nicht wehren, und ich im „Intensivkurs Deutsch“ andere Sprachgrundlagen lernen würde, als die, mit denen ich ein Jahr später auf dem Gymnasium aufwarten musste, das konnte uns damals auch keiner sagen.
Auch nicht, dass es auf deutschen Gymnasien wichtig ist, welche Hosenmarke man trägt oder dass ich der Klassendepp forever war, weil ich einfach mit schlabbrigen rosa Jeans in zweiter Generation angerückt bin. Diese Tatsachen hatte ich nicht auf dem Trichter. Das entsprach nicht meinen Wertvorstellungen. So zog sich mein Image als Außenseiterin bis zur zehnten Klasse durch – bis ich dann für meine Mitschüler zur Tanzlehrerin wurde. Wobei es mir da schon ziemlich egal war, was man über mich dachte. Ich hatte ein paar Freunde und eine Beschäftigung, das Tanzen.
Eine Lehrerin traf ich vergangenes Jahr zufällig in der Stadt. Sie hatte mir damals auf der Hauptschule gesagt, dass ich es niemals aufs Gymnasium schaffen würde. Sie hatte mich tatsächlich erkannt und mich auf mein Buch angesprochen – ein Buch, das ich selbst geschrieben habe. Eine der Schülerinnen, die mich damals bespuckt haben, arbeitet jetzt als Arzthelferin. Als ich sie traf, sagte ich ihr höflich „Guten Tag“. Sie sprach immer noch kein perfektes Deutsch.
Was ich damit sagen will? Bitte gebt euch Mühe, unsere neuen Mitmenschen in diesem Land aufzunehmen. Hass entsteht nicht durch fremde Kulturen. Hass ist eine Reaktion. Versetzt euch doch mal in die Flüchtlinge hinein, anstatt ihre Notunterkünfte anzuzünden. Sie vermissen ihre Angehörigen und ihre Heimat. Würdet ihr so leben wollen, wie sie jetzt leben? Seid freundlich und lernt sie erst einmal kennen. Ihr werdet etwas von ihnen lernen. Das sollte unser Vorsatz für 2016 sein.
Dieser Zwischenruf erscheint in der aktuellen Ausgabe des JOURNAL FRANKFURT und zeitgleich online.
Web: www.modelmum.de
12. Januar 2016, 10.50 Uhr
Katerina Gottesleben
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