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Gentrifizierung des Bahnhofsviertels
Verdrängen Luxuswohnungen die Drogenhilfe?
Wie verändert die Gentrifizierung des Bahnhofsviertels die Arbeit der Drogenhilfe? „Sie erhöht den Druck auf die Szene“, sagt Jürgen Klee von La Strada, dem Drogenhilfezentrum der Aids-Hilfe Frankfurt.
Die Aufwertung des Bahnhofsviertels ist im vollen Gange. Es wird gebaut, renoviert und es werden Kulturangebote geschaffen. Wie immer gibt es auch hier eine Schattenseite, gibt es Verlierer. Vor einigen Wochen sorgte die Künstlergruppe Frankfurter Hauptschule für viel Aufsehen mit einer Heroin-Performance. So wollten sie gegen die vorschreitende Gentrifizierung Stimmung zu machen. Denn Drogensüchtige gehörten eben zum Bahnhofsviertel, so die Begründung. Was aber sagt die Drogenhilfe dazu? Und können solche Aktionen helfen?
„Die Frankfurter Hauptschule hat mit der Performance viel Aufmerksamkeit bekommen – das haben sie gut gemacht. Aber erreicht haben sie nichts, weil kein erkennbares Ziel ersichtlich war“, sagt Jürgen Klee von La Strada, dem Drogenhilfezentrum der Aids-Hilfe Frankfurt. Darüber hinaus sei der öffentliche Konsum ja genau das, was die Drogenhilfe bekämpfe, so Klee weiter. Daher sei die Aktion für seine Arbeit eher kontraproduktiv gewesen.
Aber die Probleme, die angesprochen wurde, kenne er gut. „Die Aufwertung des Viertel hat den Druck auf die Szene erhöht“, sagt er. Denn für Süchtige sei immer weniger Platz – sie hielten sich nun überwiegend in den Bereichen vor den Druckräumen in der Mosel-, Elbe- und Niddastraße auf. Dadurch würden die Konsumräume, die ja eigentlich eine Lösung sein sollen, selbst zum Problem. „Es entsteht der Eindruck, gäbe es diese Räume nicht, gäbe es auch die Szene nicht.“
Klee arbeite seit 1995 für die Aids-Hilfe, beziehungsweise für La Strada. In der Zeit habe er viele Veränderungen miterlebt. Und auch viele Verbesserungen. So starben auf dem „traurigen Höhepunkt“ Anfang der 90er Jahre knapp 150 Menschen im Jahr wegen Drogenmissbrauchs. Im Jahr 2015 waren es bisher 29. Ein großer Vorschritt, der auch viel den öffentlichen Druckräumen zu verdanken sei. Denn hier gibt es nicht nur sauberes Spritzbesteck sondern auch erste Hilfe, wenn ein Herzstillstand oder ähnliches droht. „Früher sind viele Menschen auf Bahnhofstoiletten gestorben“, sagt Klee. Diese Erfolge würden der Drogenhilfe aber auch zum Verhängnis werden. „Es entsteht der Eindruck, man braucht uns nicht mehr so dringen.“ Bisher seien zwar finanzielle Mittel nicht gekürzt, aber trotz des Doppelhaushaltes auch nicht erhöht worden. „Und eine mögliche Kürzung hängt über uns wie ein Damoklesschwert“, so Klee.
Auch der Konsum sowie die Verkäufer hätten sich in den vergangenen Jahren verändert. So kam Ende der 90er Jahre Crack in Frankfurt auf den Markt. Davor dominierte Heroin in der Szene. Zwischen den beiden Drogen gibt es einen entscheidenden Unterschied: Heroin wirkt etwa über acht Stunden, Junkies sind auch in der Lage, sich den Stoff einzuteilen. Crack dagegen verursacht einen viel intensiveren Rausch, der aber nur ein paar Minuten anhält. Daher brauchen die Konsumenten ständig immer mehr Stoff.
Beim Verkauf wechselten häufig die Ethnien, berichtet Klee. Vor einigen Jahren habe die Polizei einen Ring aus marokkanischen Dealern zerschlagen. Auf den Erfolg folgte Ernüchterung. Denn aktuell kämen viele aus Albanien und Bulgarien. „Sie sind brutaler und radikaler – auch beim Geldeintreiben und mit der Konkurrenz“, berichtet Klee. Die Polizei brauche nun eine gewisse Zeit, um die neuen Strukturen zu durchblicken und zu infiltrieren.
Um die Situation für Süchtige weiter verbessern zu könne, wünsche sich der La-Strada-Mitarbeiter vor allem mehr Akzeptanz. „Man kann nicht erwarten, dass sich die Gruppen durch die Veränderung des Bahnhofsviertels einfach auflösen.“ Auch in Richtung Legalisierung sollte man in diesem Zusammenhang denken. Denn durch den Schwarzmarkt gebe es automatisch schlechte Produkte zu überhöhten Preisen. Und Stoffe, die den Drogen beigemischt werden, seien oft sehr gesundheitsschädlich. „Grundsätzlich wäre eine gesellschaftliche Kontrolle hier viel besser.“ Die hätte auch den Effekt, den Dealern die Geschäftsgrundlage zu entziehen.
Darüber hinaus müsse man mehr Angebote für Junkies schaffen, die älter werden sowie einen vernünftigen Zeitvertreib für Süchtige, die an Methadon-Programmen teilnehmen. Viele würden arbeiten wollen, bekämen aber keine Chance auf dem Arbeitsmarkt. „Da bleibt den Menschen oft nicht viel mehr als fernzusehen und Bier zu trinken.“ Das führe dann schnell zum Rückfall.
„Die Frankfurter Hauptschule hat mit der Performance viel Aufmerksamkeit bekommen – das haben sie gut gemacht. Aber erreicht haben sie nichts, weil kein erkennbares Ziel ersichtlich war“, sagt Jürgen Klee von La Strada, dem Drogenhilfezentrum der Aids-Hilfe Frankfurt. Darüber hinaus sei der öffentliche Konsum ja genau das, was die Drogenhilfe bekämpfe, so Klee weiter. Daher sei die Aktion für seine Arbeit eher kontraproduktiv gewesen.
Aber die Probleme, die angesprochen wurde, kenne er gut. „Die Aufwertung des Viertel hat den Druck auf die Szene erhöht“, sagt er. Denn für Süchtige sei immer weniger Platz – sie hielten sich nun überwiegend in den Bereichen vor den Druckräumen in der Mosel-, Elbe- und Niddastraße auf. Dadurch würden die Konsumräume, die ja eigentlich eine Lösung sein sollen, selbst zum Problem. „Es entsteht der Eindruck, gäbe es diese Räume nicht, gäbe es auch die Szene nicht.“
Klee arbeite seit 1995 für die Aids-Hilfe, beziehungsweise für La Strada. In der Zeit habe er viele Veränderungen miterlebt. Und auch viele Verbesserungen. So starben auf dem „traurigen Höhepunkt“ Anfang der 90er Jahre knapp 150 Menschen im Jahr wegen Drogenmissbrauchs. Im Jahr 2015 waren es bisher 29. Ein großer Vorschritt, der auch viel den öffentlichen Druckräumen zu verdanken sei. Denn hier gibt es nicht nur sauberes Spritzbesteck sondern auch erste Hilfe, wenn ein Herzstillstand oder ähnliches droht. „Früher sind viele Menschen auf Bahnhofstoiletten gestorben“, sagt Klee. Diese Erfolge würden der Drogenhilfe aber auch zum Verhängnis werden. „Es entsteht der Eindruck, man braucht uns nicht mehr so dringen.“ Bisher seien zwar finanzielle Mittel nicht gekürzt, aber trotz des Doppelhaushaltes auch nicht erhöht worden. „Und eine mögliche Kürzung hängt über uns wie ein Damoklesschwert“, so Klee.
Auch der Konsum sowie die Verkäufer hätten sich in den vergangenen Jahren verändert. So kam Ende der 90er Jahre Crack in Frankfurt auf den Markt. Davor dominierte Heroin in der Szene. Zwischen den beiden Drogen gibt es einen entscheidenden Unterschied: Heroin wirkt etwa über acht Stunden, Junkies sind auch in der Lage, sich den Stoff einzuteilen. Crack dagegen verursacht einen viel intensiveren Rausch, der aber nur ein paar Minuten anhält. Daher brauchen die Konsumenten ständig immer mehr Stoff.
Beim Verkauf wechselten häufig die Ethnien, berichtet Klee. Vor einigen Jahren habe die Polizei einen Ring aus marokkanischen Dealern zerschlagen. Auf den Erfolg folgte Ernüchterung. Denn aktuell kämen viele aus Albanien und Bulgarien. „Sie sind brutaler und radikaler – auch beim Geldeintreiben und mit der Konkurrenz“, berichtet Klee. Die Polizei brauche nun eine gewisse Zeit, um die neuen Strukturen zu durchblicken und zu infiltrieren.
Um die Situation für Süchtige weiter verbessern zu könne, wünsche sich der La-Strada-Mitarbeiter vor allem mehr Akzeptanz. „Man kann nicht erwarten, dass sich die Gruppen durch die Veränderung des Bahnhofsviertels einfach auflösen.“ Auch in Richtung Legalisierung sollte man in diesem Zusammenhang denken. Denn durch den Schwarzmarkt gebe es automatisch schlechte Produkte zu überhöhten Preisen. Und Stoffe, die den Drogen beigemischt werden, seien oft sehr gesundheitsschädlich. „Grundsätzlich wäre eine gesellschaftliche Kontrolle hier viel besser.“ Die hätte auch den Effekt, den Dealern die Geschäftsgrundlage zu entziehen.
Darüber hinaus müsse man mehr Angebote für Junkies schaffen, die älter werden sowie einen vernünftigen Zeitvertreib für Süchtige, die an Methadon-Programmen teilnehmen. Viele würden arbeiten wollen, bekämen aber keine Chance auf dem Arbeitsmarkt. „Da bleibt den Menschen oft nicht viel mehr als fernzusehen und Bier zu trinken.“ Das führe dann schnell zum Rückfall.
27. November 2015, 11.45 Uhr
Christina Weber
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24. November 2024
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