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Kolumne von Ana Marija Milkovic

Frankfurt is for Pussys

Unsere Kolumnistin hatte Besuch aus Berlin. Sie machte eine Stadttour vom Bahnhofsviertel, über die Braubachtstraße bis zum Mainufer. Eigentlich schön. Wenn Frankfurt nicht so seine kleinen Schwächen hätte.
An einem spätsommerlichem Sonntag bin ich im Levi's Hotel mit einem Freund Axel aus Berlin verabredet. Axel möchte mit mir die Stadt erkunden. Während ich zum Hotel radle, male ich mir unser Sightseeing bereits in Gedanken aus. Ich plane, in der Niddastraße zu beginnen, über die Münchner Straße zum Willy-Brandt-Platz bis zur Braubachstraße zu radeln. Anschließend möchte ich Axel noch den Main zeigen. Dort wird uns in der anbrechenden Nacht eine Perspektive voll mit leuchtenden Wolkenkratzern erwarten, die Architekten gerne Cluster nennen und dabei unberücksichtigt lassen, dass ein Cluster eine horizontale Staffelung unterschiedlicher Funktionen, mitnichten eine vertikale Verdichtung von Hochhäusern ist. Mal abgesehen davon, dass hier unsere Oberbürgermeisterin Petra Roth a.D. in ihrer städtebaulichen Vision für das Bankenviertel einem Irrglauben aufgesessen ist, sollten Sie auf die Idee kommen, im angrenzenden Szeneviertel am Bahnhof sonntags spazieren zu gehen: Lassen Sie das.

Die Gründe liegen auf der Hand und sind fußläufig gut zu betrachten. Die Homepage des Levi's Hotels annonciert 5 Räder. Davon, lässt uns die Mitarbeiterin des Hotels freundlich wissen, sind zwei kaputt und der Rest verliehen. Wir gehen zum Vorplatz des Hauptbahnhofs. Dort stehen sehr viele Räder von der Deutschen Bahn. Der Automat verweist auf eine notwendige Online-Registrierung. Dafür sind wir nicht bereit. Am Fuß des Automaten liegt eine Frau. Sie hat den Tag bereits hinter sich. Ich schaue über ihren flachen Bauch hinweg in eine noch kaputtere Stadt.

In Berlin, werde ich aufgeklärt, gibt es an jeder Ecke Räder zu leihen. Hier, antworte ich, eben nicht. Ich schiebe mein Rad nun neben Axel her. Wir biegen vom Hauptbahnhof in die Münchner Straße ein. Mir mutet die Münchner an diesem Sonntag von Passanten leergefegt hässlich an. Das sieht nachts besser aus, sage ich.

Ich deute auf den Getränkeladen Yok Yok. Dort gibt es eine große Auswahl an Bier. Nebeneinander stehend blicken wir auf einen verrammelten Laden. Geschlossen sind auch das Plank, Maxie Eisen, Walon&Rosetti. Die Sonne fegt unerbittlich jeglichen Schatten vom umherliegenden Dreck. Durch Zufall entdecke ich ein neues Restaurant, das auf Hamburger spezialisiert ist: Fletcher's. Das Interior spricht mich ausnahmsweise an. Wir entscheiden uns schnell. Zwei mal das Menü bitte, bestelle ich. Während ich in den Burger beiße, rinnt die Soße an meinem Arm entlang. Zwei Meter weiter steht ein weißes Waschbecken an einer braunen, gekachelten Wand. Ein schlüssiges, gut durchdachtes Konzept, goutiere ich. Beim Gehen wünsche ich dem Team noch alles Gute, lobe das gute Design.

Wir sind fröhlich. Um fröhlich zu bleiben erkläre ich Axel die Platzgestaltung des Willy-Brandt-Platzes nicht. Früher war es nicht besser, schreibe ich in Gedanken am meinem Architektur Reiseführer "Frankfurt, arm aber nicht sexy". Ich zeige Axel den Fahrradladen in der Weißfrauenstraße, rückseitig des Frankfurter Hofs gelegen. Die Auswahl im Schaufenster ist nicht groß, bemerkt er. Das macht nichts, entgegne ich.

In der Braubachstraße nehmen wir vor dem Restaurant Margarete gegenüber der Baustelle des Dom-Römer-Areals in zwei komfortablen Sesseln Platz. Ich biete Axel die bessere Sicht. Er goutiert die gegenüberliegende Großbaustelle des Dom-Römer-Areals nicht. Frankfurt ist auch nur das bessere Essen, fällt ihm dazu ein. Wir wechseln das Thema und landen am Berliner Tempelhof.

Hier sind wir uns schnell einig. Der verunglückte Volksentscheid gegen eine Bebauung auf dem Tempelhof ist ein Glücksfall. Mittlerweile sollte auch dem Letzten aufgefallen sein, dass zwar neue Wohnflächen, hingegen kein bezahlbarer Wohnraum in Berlin entsteht. Bürger mit niedrigem Einkommen werden durch die fortwährenden Entwicklungen an den Rand Berlins gedrängt. Dieses Phänomen trägt einen Namen: Gentrifizierung. Gentrifizierung bedeutet die Abwanderung ärmerer und den Zuzug wohlhabender Bevölkerungsschichten. Am Prenzlauer Berg zum Beispiel leben die Latte-Macchiato-Muttis. Ihre Familien werden mehrheitlich von einem Gehalt finanziert. Im angrenzendem Wedding dagegen schaffen Zwei das Notwendige an. Wenn es sein muss, auch die Kinderwagen vom Prenzlauer Berg.

Mittlerweile wurde wegen oder für den Kinderwagen-Klau eine neue Sondereinheit im Polizei Abschnitt 15 am Prenzlauer Berg gegründet. Hauptkommissar Werner Holzfuß ist den Kinderwagen auf der Spur. In Wedding jedenfalls herrscht null Respekt vor den Latte-Müttern. Soviel ist bereits heute sichergestellt.

Es wird dunkel und ich schlage Axel vor, nun an den Main zu wechseln. Am Maincafe sichere ich geistesgegenwärtig zwei Liegestühle mit Blick in die Skyline. Axel geht für meinen Geschmack eine Spur zu langsam auf mich und unsere Liegestühle zu. "Was ist eigentlich Euer Problem?", fragt er mich.

Axel will umsatteln. Er träumt, einen Fahrrad- und Liegestuhlverleih in Frankfurt zu eröffnen. Auch für die ärmeren Bevölkerungsschichten Frankfurts lässt sich sicherlich Anregung in Berlin für das Notwendige finden.

Später am Abend kehren wir zum Ausgangspunkt zurück. Das erhoffte Konzert einer Berliner Band im Levi's Hotel ist bereits seit 18 Uhr vorbei. Beim Betrachten der Getränkekarte im Restaurant fällt Axel nur noch eines ein: Heineken is for Pussys.

 
Fotogalerie:
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10. September 2014, 10.25 Uhr
Ana Marija Milkovic
 
 
 
 
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