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Paulskirchenjubiläum

Über Burschis in der Paulskirche – und daumendicke Krokodilstränen

Seit Monaten reden wir über Demokratie. Dass die Stadt Burschen zur eigenen Beweihräucherung die Paulskirche überlässt, ist ein Skandal. Die Kolumne von Katja Thorwarth - und eine Reaktion von Nargess Eskandari-Grünberg
So etwas weiß man ja nicht. Dass Burschenschaften und Studentenverbindungen meist ein rechtes bis extrem rechtes Gedankengut transportieren. Woher auch? Kennt man nicht, die Jungs mit dem Schmiss, die an der Uni Flyer für Partys verteilen, wo explizit darauf hingewiesen wird, dass auch „Damen“ anwesend sein dürfen. Es mag auch liberalere Vereinigungen geben, aber gemein bleibt ihnen der patriarchal-männerfixierte Überbau. Diese Kombi hat noch nie etwas Vernünftiges hervorgebracht, aber festigt die Machtstrukturen.

Just solche Burschis* werden am 18. Juni eine Party in der Paulskirche feiern. Richtig, das ist jener Ort, wo sie seit Monaten bei jedem zweiten Satz über das Wort „Demokratie“ stolpern und nicht müde werden, den Zusammenhalt innerhalb der Gesellschaft, Antirassismus, Integration und was weiß der Adler noch so alles, propagieren.

Burschenschaft in der Paulskirche: Die Burschis hätten in dieser Stadt auch ein anderes Plätzchen gefunden

Die FR hat mit einem Burschi-Experten gesprochen, Jakob Weyrauch. Einen der Veranstalter des „Festakts“, die „Allgemeine Deutsche Burschenschaft“, ordnet er wie folgt ein: „Man findet dort alles, was Burschenschaften immer schon ausgezeichnet hat: Deutschtümelei, Antifeminismus, rechtes Gedankengut. Bei der Gründungsversammlung im Jahr 2016 wurde das Deutschlandlied gesungen – mit allen drei Strophen.“

Die Stadt vermietet die Paulskirche tatsächlich an einen solchen Verein. Unter was läuft das jetzt? Meinungsfreiheit? Wir sind ja nicht auf dem Dorf, die Burschis hätten sicherlich in dieser Stadt auch ein anderes Plätzchen gefunden. Aber man muss sie halt machen lassen, könnte ja ein potenzieller AfD-Wähler dabei sein, der genau deshalb plötzlich die Grünen wählt. Oder eher nicht, wie man aus aktuellen Umfragen herauslesen kann.

Für das Protokoll zuständig: die grüne Bürgermeisterin Nargess Eskandari-Grünberg

Klar muss sich die grüne Bürgermeisterin Nargess Eskandari-Grünberg, für das Protokoll zuständig, erst einmal herausreden**. Ist halt für alle eine blöde Situation, monatelang über die sogenannte deutsche Demokratie zu palavern, von dem ‚gemeinsamen Wir‘, um dann jenen den Zugang zum heiligen Raum zu verschaffen, der das ganze Palaver in genau die Tonne kloppt, wo es hingehört.

Selbstverständlich muss man sich dann hinstellen und daumendicke Krokodilstränen heulen, weil die Welt so schlecht und die Burschis so rechts sind. Leute, ihr hattet es in der Hand.

*Frauen sind nicht mitgemeint.

** Nargess Eskandari-Grünberg hat laut eigener Aussage keinen Vertrag mit den Burschenschaften unterzeichnet.


Statement von Nargess Eskandari-Grünberg:

Grundlage für die Vermietung der Paulskirche sind die Bestimmungen für die Vergabe der Paulskirche von 1998. Der Antrag des CDA wurde vom Hauptamt geprüft und es erfolgte eine unverbindliche Raumreservierung. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es keine verbindliche Zusage der Räumlichkeiten oder einen unterzeichneten Mietvertrag. Über die Vermietung der Paulskirche entscheidet der Magistrat auf Vorlage des Hauptamts.

Erst dann wird ein Mietvertrag erstellt. Aufgrund des Vermerks des Rechtsamtes der Stadt, dass beim CDA ein Anspruch auf Überlassung der Paulskirche besteht, hat der Magistrat die Vorlage mit folgender Maßgabe beschlossen: ,Personen und Gruppen, die vom Verfassungsschutz des Bundes und der Länder beobachtet werden bzw. demokratiefeindliche Haltungen vertreten, werden von der Veranstaltung ausgeschlossen.‘ Wichtig ist für mich, dass wir an den Regularien zur Vergabe der Paulskirche arbeiten, um zu versuchen solche Veranstaltungen in Zukunft zu verhindern.

Mit meiner Biografie und meiner Haltung zeige ich deutlich, dass es immer darum geht, alle demokratischen Kräfte zu stärken und unsere Stimme gegen undemokratische Kräfte zu erheben. Deshalb werde ich auch bei den Protesten gegen die Veranstaltung sprechen. Darauf freue ich mich und ich hoffe, dass Frankfurt laut und deutlich zeigt, was die Stadt von reaktionären Männerbünden hält.
 
Fotogalerie:
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16. Juni 2023, 08.12 Uhr
Katja Thorwarth
 
Katja Thorwarth
Die gebürtige Frankfurterin studierte an der Goethe-Uni Soziologie, Politik und Sozialpsychologie. Ihre journalistischen Schwerpunkte sind Politik, politisches Feuilleton und Meinung. Seit März 2023 Leitung online beim JOURNAL FRANKFURT. – Mehr von Katja Thorwarth >>
 
 
 
 
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