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Kolumne: Michael Herl
Bin ich ein Spießer?
Ab wann beginnt Spießigkeit? Eine Kolumne rund um Bausparverträge, den neuen Führerschein und Menschen, die sich nach Feierabend aus Protest auf eine Straße kleben.
Dieser Tage stellte sich mir eine Frage, die ich eigentlich schon längst für beantwortet hielt. Sie lautet: Bin ich ein Spießer? Wobei sich dieser Frage gleich die nächste anschließt, nämlich, was denn heutzutage unter „Spießer“ zu verstehen sei. Denn wie so vieles ist auch das viel differenzierter zu sehen. Es gibt Leute, die in Bauwagen leben und dennoch einen Bausparvertrag haben (da stellt sich die weitere Frage: Sollte man vielleicht Bauwagensparverträge anbieten?). Andererseits gibt es welche, die einen „spießigen“ Job haben, sich aber nach Feierabend aus Protest auf eine Straße kleben.
In meinem Falle brauchte ich einen neuen Führerschein. Das heißt, ich brauche ihn eigentlich nicht, da ich kaum noch Auto fahren. Das letzte Mal im September bei einem Umzug, und zwar etwa acht Kilometer. Egal. Jedenfalls hieß es nun, Menschen meines Jahrgangs sollen ihren Schein (in meinem Fall
ein grauer Lappen mit einem darauf abgebildeten Jüngling) gegen ein Plastikkärtchen umtauschen. Wohlan, dachte ich mir, wird gemacht. Das war ja schon mal spießig. Es kam noch doller. Ich machte mir online einen Termin bei einem Bürgeramt und freute mich über die erstaunliche Benutzerfreundlichkeit der entsprechenden städtischen Internetseite. Flugs wies man mir ein Datum zu und eine Uhrzeit, 8.35. Und ich solle maximal fünf Minuten vorher dort erscheinen. Der Tag kam, ich ging hin. Brav spießig wartete ich draußen, während etwa zwanzig Leute hippiemäßig an mir vorbeistürmten, so nach dem Motto „Fucking Termin, fucking Behörde, ich geh da jetzt rein“.
Spießer Herl hingegen betrat um 8.30 gemessenen Schrittes die amtlichen Hallen, setzte sich zu den zwanzig Widerborstigen, wurde um 8.35 Uhr aufgerufen, ging entsprechend der Anweisung zum Schalter zwei und kam zehn Minuten später erledigter Angelegenheit wieder heraus – während von den zwanzig Eiligen immer noch 19 da saßen. Manchmal hat angepasst sein auch Vorteile, dachte ich mir – und schämte mich dennoch ein wenig. So von wegen „Scheiße, bin ich alt geworden“.
In meinem Falle brauchte ich einen neuen Führerschein. Das heißt, ich brauche ihn eigentlich nicht, da ich kaum noch Auto fahren. Das letzte Mal im September bei einem Umzug, und zwar etwa acht Kilometer. Egal. Jedenfalls hieß es nun, Menschen meines Jahrgangs sollen ihren Schein (in meinem Fall
ein grauer Lappen mit einem darauf abgebildeten Jüngling) gegen ein Plastikkärtchen umtauschen. Wohlan, dachte ich mir, wird gemacht. Das war ja schon mal spießig. Es kam noch doller. Ich machte mir online einen Termin bei einem Bürgeramt und freute mich über die erstaunliche Benutzerfreundlichkeit der entsprechenden städtischen Internetseite. Flugs wies man mir ein Datum zu und eine Uhrzeit, 8.35. Und ich solle maximal fünf Minuten vorher dort erscheinen. Der Tag kam, ich ging hin. Brav spießig wartete ich draußen, während etwa zwanzig Leute hippiemäßig an mir vorbeistürmten, so nach dem Motto „Fucking Termin, fucking Behörde, ich geh da jetzt rein“.
Spießer Herl hingegen betrat um 8.30 gemessenen Schrittes die amtlichen Hallen, setzte sich zu den zwanzig Widerborstigen, wurde um 8.35 Uhr aufgerufen, ging entsprechend der Anweisung zum Schalter zwei und kam zehn Minuten später erledigter Angelegenheit wieder heraus – während von den zwanzig Eiligen immer noch 19 da saßen. Manchmal hat angepasst sein auch Vorteile, dachte ich mir – und schämte mich dennoch ein wenig. So von wegen „Scheiße, bin ich alt geworden“.
22. April 2023, 11.20 Uhr
Michael Herl
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