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Zu Besuch bei den Ju/’Hoansi im „Ghostland“

Die Geister, die ich rief

Das vermeintliche Paradies Deutschland, für die Buschmänner im Roadmovie „Ghostland“ nur eine verrückte Welt. Da bleiben sie lieber in der Kalahari. Das JOURNAL sprach mit den Filmemachern Simon Stadler und Catenia Lermer.
JOURNAL FRANKFURT: Ein Film über Afrika, das überrascht. Bis dato hatte ich Ihre Arbeit eher in Mittel und Südamerika verortet ...

Simon Stadler: Eine Bekannte, mit der ich im Nebenfach Geografie studiert hab und die nach Namibia gegangen ist, meldete sich bei mir: komm’ doch mal und mache eine Dokumentation über die Buschmänner. Da gibt es aber schon tausende davon: wie sie tanzen, wie sie singen, wie sie essen, was sie machen. Dann meldete sie sich noch einmal: seit Jahren kämen jetzt Touristenbusse in die Kalahari, weit entfernt von der nächsten Stadt am Arsch der Welt, 50 Kilometer Asphalt, 100 Kilometer Gravel Road, dann noch 12 Kilometer in den Sand hinein. Durch die Touristen können die Ju/’Hoansi ein wenig Geld verdienen. Nach drei, vier Jahren haben sich die Buschmänner die Frage gestellt, wie leben denn die, die uns da immer besuchen? Das würden wir gerne mal sehen, wie die Anderen so leben. Dann haben einige weiße Namibier einen Bus organisiert, jetzt machen wir mal eine Tour mit den Ju/’Hoansi durch Namibia.

Also eine ganz andere Ausgangslage für einen Film ...

Stadler: Da diese Tour schon sechs Wochen später stattfinden sollte, haben wir uns gar nicht mehr um Filmförderderung etc. kümmern können, Caternia wollte unbedingt mit nach Afrika, also war sie für den Ton zuständig. Ich habe mir die Kamera geschnappt und mit noch einem Kollegen, Sven Methling als Aufnahmeleiter, sind wird dann dahingeflogen und haben die Tour begleitet. Da stellte sich dann heraus, dass einige der Ju/’Hoansi ein halbes Jahr später auch nach Europa kommen sollten. Das war ein sehr gutes Thema. Die Buschmänner gehen raus aus ihrer Welt und schauen mal wie die anderen leben. Meine Studienbekannte arbeitet bei einer Organisation, Living Culture Foundation, die unterstützen das Museum („Living Museum“ nennt sich das) ein bisschen. Das wird aber selbst verwaltet von den Buschmännern, sie machen das seit neun Jahren. Aber nur das zu zeigen, wäre weniger interessant gewesen. Wir sagten uns, wir nutzen die Geschichte eher, um uns selbst einen Spiegel vorzuhalten, durch die Augen der Buschmänner auf unsere Welt zu schauen. Eigentlich sind sie die Forscher, die zu uns kommen und uns betrachten und aus ihrem Blickwinkel uns und unsere Welt beurteilen.

Da fällt in einer Szene auf dem MainTower in Frankfurt der Begriff „verrückt“. Ihr lebt hier in einer verrückten Welt ...

Catenia Lermer: Dabei sind es sehr vorsichtige, zurückhaltendende Menschen, die nie offene Kritik an anderen Menschen äußern...

Überhaupt erscheinen die Ju/’Hoansi weniger verdorben und korrumpierbar, vom Selbstverständnis her haben sie gar kein Interesse, ihr Land zu verlassen. Sehr oft wurden ja uralte Kulturen durch die Berührung mit den Weißen kaputt gemacht. Man denke nur an Probleme mit dem Alkoholismus etwa bei den Native American oder Aborigines in Australien ...

Stadler: Das ist da genauso dasselbe, ein weltweites Phänomen. Auch die Ju/’Hoansi wurden aus ihrer traditionellen Lebensweise herausgerissen, als die Regierung 1990 das Gesetz gegen die traditionelle Jagd beschloss und den Nomaden so ihrer Lebensgrundlage beraubten. Die Akkulturation schreitet voran.

Lermer: Wie überall, lässt sich das auch hier nicht verhindern. Wir werden jetzt im Zusammenhang mit dem Film auch oft damit konfrontiert werde: Jeder würde auch die romantische Vorstellung behalten. Wir hätten es gerne, dass sie so bleiben wie sie immer waren und leben wie sie immer gelebt haben. Aber das wurde ihnen mit dem Gesetz genommen. Es war kein Jagen mehr möglich, damit war ihr Leben zerstört. Das lässt sich nicht mehr herstellen.

Stadler: Sie wollten tatsächlich auf keinen Fall hier in Europa bleiben. Sie haben schon nach drei Wochen gesagt, eure Welt ist verrückt, auch wenn wir in der Kalahari Hunger haben, wir wollen wieder nach Hause. Sie waren zwei Monate in Deutschland, das war zu lang und viel zu viel für sie. In eurer Gesellschaft finden wir nicht unseren Platz sagten sie immer. Euer Individualismus ist strange, es gibt keine Gemeinsamkeiten, keine Gemeinschaft, keine Familie, ihr wollt heute das, morgen jenes. Im Zusammenhang mit dem tagespolitischen Geschehen wird klar, dass unserer Welt nicht das Paradies ist wie das gerne in Afrika gesehen wird. Wie wir den Film jetzt in Namibia vorgeführt haben, sagten auch die, die nicht mit Europa waren, jetzt wissen wir wie verrückt eure Welt ist. Da wollen wir nicht hin. Wie komisch eure Welt ist: überall Straßen, Häuser und Millionen von Menschen. Das ist ja kein Leben!

Lermer. Und trotzdem müssen sie irgendwie ihren Platz finden. Das ist immer noch ein laufender Prozess.

Aber eben vor Ort, in Namibia ...


Stadler: ihre Lebensgemeinschaft hat ja auch 30.000 Jahre funktioniert, und die Ju/’Hoansi waren happy. Und es sind auch immer noch glückliche Menschen. Sie genießen wirklich das Leben. Sie haben z.B. kein Wort für Zukunft in ihrer Sprache. Zukunft und Vergangenheit sind für sie nicht von Bedeutung, immer nur der Moment ist wichtig. Was ich noch wichtig finde zu sagen: Viele denken wir hätten das alles für den Film organisiert, wir hätten die Situation hergestellt, aber wir haben immer nur begleitet. Das war uns immer wichtig, so haben wir den Film auch geschnitten und hergestellt.

Lermen: Sie wurden hierher vom Innenministerium im Zusammenarbeit mit einer Bildungsinitiative aus Göttingen eingeladen, hatten eine Betreuerschaft. Wir haben uns dranhängen können. Am Anfang kamen sie in Frankfurt an, dann waren sie erst mal eine Woche hier, dann haben wir sie auf ihrer Reise durch Europa begleitet

Stadler: Es ging nicht darum, irgendetwas in irgendeine Richtung zu lenken...

Lermer: Wir wollten dokumentieren wie sie das empfinden. Selbst in ihrem Dorf, wenn wir mit ihnen gedreht haben, haben wir nicht eingegriffen.

Stadler: Viele Probleme entstanden aus der Authentizität, die wir gesucht haben. Wir sind mit 40 Stunden Material in die Kalahari gefahren und haben uns alles von einem Ju/'Hoansi noch mal ins Englische übersetzen lassen. Da haben wir mit dem Laptop und einem Aufnahmegerät in der Wüste gesessen. Deshalb hat das Projekt so lange gebraucht, weil wir haben ja auch andere Jobs dazwischen gemacht. Wir haben auch in Europa nach Professoren gesucht, haben aber niemand gefunden, der hier
Juǀʼhoan spricht. Auch in Namibia sprechen nur noch achttausend Menschen Jul´hoan und von denen sprechen ganz wenige auch Englisch. Es gibt andere Klicklautsprachen, aber teilweise verstehen sich die Buschmanngruppen untereinander nicht. Das ist wie bei Holländisch, Plattdeutsch und Deutsch.

Wie war für Sie die erste Begegnung, welche Eindrücke haben Sie gewonnen?

Stadler: Was man wirklich sagen muss: durch dieses Jäger- und Sammlertum in ihrer Geschichte, teilen sie bis zum heutigen Tage im Dorf alles. Es werden auch keine Konflikte ausgelebt. Es gab nie Diskussionen, wenn man anderer Meinung war, dann ist man eher aus dem Dorf weggegangen. Das ist von ihren Wurzeln übriggeblieben. Und dieses Gemeinschaftsgefühl, dass alles geteilt wird, wenn du was hast, kann es jeder benutzen, auch, dass es keinen persönlichen Besitz gibt in unserem Sinne, waren beeindruckende Momente. Und das obwohl ich schon bei vielen Indianerstämmen in Südamerika, in Kolumbien und Ecuador gelebt habe, war das bei den Ju/'Hoansi noch mal ganz besonders, diese Warmherzigkeit, das Menschseins. Und wenn es für mich den wahren Homo sapiens gibt, der es wert ist gerettet zu werden, dann sind es diese Buschmänner. Dieses Wir zusammen, wir teilen alles, ist etwas, was es auf der Welt so kaum noch gibt.

Auch wenn Touristenbusse kommen, die Gesellschaft funktioniert ja auch wegen ihrer Hermetik ... Bei aller Offenheit: in den inneren Zirkel wird man so schnell nicht eindringen können ...

Stadler: Wir haben inzwischen in den letzten Jahren fünf, sechs Monate bei ihnen im Dorf verbracht, wenn wir im Dorf ankommen. Ich habe ein Patenkind, Simon, wir sind dann Teil der Gruppe. Wenn wir kommen haben wir auch gewissen Verpflichtungen, wenn z.B. jemand krank wird, ist am nächsten Tag erst mal Hospitalfahrt angesagt. Das Krankenhaus ist 120 Kilometer entfernt und dann werden erst mal alle Kranke in unseren Jeep geladen und wir fahren ins Hospital. Wir teilen dann auch alles mit ihnen, wenn wir Fleisch haben, essen wir mit allen zusammen Fleisch. Das Gefühl ein Teil dieser Gemeinschaft zu sein, ist schon etwas Tolles.

Na sie wissen zwar, Sie kommen aus einer verrückten Welt, sind aber selber keine Verrückten ...

Stadler: Genau. Catenia mit ihren jetzt aktuell kurz geschorenen Haaren wurde beim letzten Besuch begrüßt: jetzt bist Du auch ein Buschmann. Ich glaube es war auch nötig, dass wir so lange im Dorf waren, um diese Nähe herzustellen, dass sie auch über intime Sache reden, auch mal Kritik an der Lebensweise der Weißenäußern. Aber wie gesagt: sie sagen nie was Schlechtes, das kommt aus ihrer Tradition der Konfliktvermeidung heraus. Wir wollten nah dran sein, dass sie sich öffnen, sagen: eure Gesellschaft erscheint uns ein wenig seltsam. Dafür waren die Monate im Dorf wichtig. Wir wollten auch nicht dahin kommen, die Kamera gleich herausholen und einfach drauf losdrehen drehen.

Es liegt also jetzt auch am Betrachter, aus dem Film heraus zu filtern, was sie uns alles sagen könnten. Wir müssen die Interpretation selber leisten ...

Stadler: Was wir jetzt auch gemerkt haben nach den Filmfestivals, wo „Ghostland“ ja gerade in Minneapolis und in Belgien lief (in den nächsten Monaten wird er in Polen, in Kolumbien, auf Hawaii zu sehen sein). Die Reaktionen, die E-Mails, die wir bekommen, haben alle den Tenor: ich habe noch nie so an unserer weißen Welt gezweifelt als jetzt wo wir euren Film gesehen haben und uns die Ju/'Hoansi die Augen geöffnet haben. Plötzliche sehe ich, dass unsere Welt völlig verrückt ist und stelle sie in Frage. Wir als Filmemacher sitzen dann vorm Computer und es kommen uns beinah die Tränen, dass wir das erreicht haben ganz ohne mit dem erhobenen Zeigefinger arbeiten zu müssen. Manchmal ist es nur ein Kopfkratzen als „Botschaft“ der Buschmänner, wenn sie vorm Joghurtregal stehen, vor Tausenden von Sorten und von der Menge des Konsums so erschlagen sind.

Lermer: Manchmal ist eben nicht mal ein Wort entscheidend, sondern reicht ein Zeichen. Es sind die ganz einfachen Dinge, die für sie wichtig sind: Warum seid ihr immer allein? Wo sind eure Familien? Warum geht ihr den ganzen Tag arbeiten? Was bedeutet euch denn das Leben? Im Endeffekt brauchst du doch nur was zu essen, dafür musst du deine Zeit investieren, aber sich nicht wie wir in diesem Wahnsinn ergeben. Auch unser Ego-Single-Wahn ist ihnen suspekt. Das verstehen sie gar nicht. Für sie steht an erster Stelle die Horde, die Familie, dass man zusammen ist und glücklich ist, wenn man am Feuer sitzt...

Dann müssen sie ja eine psychologische Betreuung gehabt haben als sie hier waren ...

Lermer: Das waren auch wir teilweise weil es war für sie schon schwierig hier. Sie haben das aber gut hingekriegt, dieser Schock der vielen Eindrücke. Sie nehmen ja alles ganz anders auf. Da gab es viel Verunsicherung. Wir mussten in manchen Situationen eher helfen und konnten gar nicht drehen.

Es taucht auf der Website der Begriff „zwischen den Welten“ auf ... Da war bei Ihnen als Machern am Ende mehr Zerrissenheit als bei den Protagonisten, denn sie wussten: irgendwann kommen wir in unser Dorf zurück. Was hat das mit Ihnen gemacht würde jetzt Markus Lanz fragen?

Stadler: Dass wir gesehen haben, dass es eine andere Art von Menschsein gibt, die vielleicht sogar höherwertiger ist und auf jeden Fall zu einem höheren Maß an Glückseligkeit führt. Und dass es das heutzutage noch gibt auch wenn die Buschmänner jetzt durch das Jagdverbot unter einem höheren Druck stehen, haben sie sich das trotzdem noch erhalten, diese Freundlichkeit und Menschlichkeit. Wenn man dann bei den Buschmännern in der Kalahari gesessen hat, wird einem dann noch bewusster, dass hier bei uns das Menschsein, die Gemeinschaft, verloren gegangen ist nach der Industrialisierung.

Lermer: Es ging mir persönlich auch so. Ich habe ja vorher noch keine Erfahrungen gemacht wie Simon mit anderen Stämmen. Das war so mein erster richtiger Kontakt mit einer anderen Ethnie, und immer im Zweifel hier mit unserer Gesellschaft, wie wir so leben und der Frage, wird man hier wirklich glücklich, war das eine tolle Erfahrung, Menschen zu sehen, die besser miteinander umgehen. Das war wirklich eine Bereicherung für mich, es hat mich sehr gefreut, dass es solche Menschen gibt. Ich habe das richtig erlebt was der Film dann vielleicht auch sagt: ich habe mich da sehr gut aufgehoben und wohl gefühlt bei diesen Menschen, weil sie sehr fein, sehr zurückhaltend, sehr sensibel sind was andere Menschen angeht und uns auch so aufgenommen haben. Natürlich nicht von Anfang an. Aber je länger man da war, desto mehr. Wir sind jetzt seit 3 ½ Jahren das erste Mal wieder da gewesen und wir kamen nachts an und keiner konnte eigentlich sehen, dass wir sind das sind, da rennen schon die ersten los und schreien Simon und Catenia und alle stehen da, sagen, ihr seid wieder da. Das war ein tolles Erlebnis. Der Buschmann sagt: du kommst einmal und du wirst wieder gehen. Du kommst zwei Mal und Du bleibst. Wenn du kommst und wieder gehst bist du weg. Wenn du wiederkommst, dann habe ich dich in meinem Herzen und du bleibst.

Haben Sie inzwischen eine Übersetzungs-App? Wir verständigen Sie sich?

Stadler: Es gibt natürlich keine Übersetzung-App. Es gibt eine Verschriftlichung der Sprache aus den Siebzigern, da haben weiße Wissenschaftler eine Verschriftlichung der Klicklautsprache vorgenommen, die kennen die Ju/'Hoansi aber selbst nicht.
Catenia ist inzwischen ganz gut beim Sprechen, ich würde mal sagen wir haben einen Wortschatz von 50 Wörtern. Inzwischen verstehen wir recht viel auch wenn sie miteinander reden. Wir wissen um was es geht was damit zu tun hat, das wir fast zwei Jahre im Studio saßen und mit den Übersetzungen beschäftigt waren.

Die Sprache ist auch nicht so komplex ...

Stadler: Sie hat kein Konditional, weil Konditional schlecht für die Ethnie ist, denn dann machst du dir Sorgen.

Lermer: Ich habe ein kleines Büchlein mit Vokabeln. Ich müsste sie aber aufnehmen. Ich schreibe sie auf wie ich sie hören. Man müsste aber den Klang üben. Sie hatten nie Schrift, sie haben es nie gebraucht.

Sie erzählen sich ja alles, brauchen also keine Zeitungen oder Bücher, und sie haben ihre Gesänge ...

Stadler: Da geht es dann meistens um die Jagd, dann geht es um die Kröte oder die heilige Orange, die es da gibt.

Diese Konfliktvermeidungsstrategien sind ja überraschend bei einem Stamm, der früher von der Jagd gelebt hat. Und die Jagd ist eher etwas, was die Leute immer mit Aggression verbinden ...

Stadler: Jeder hat da seine Aufgabe, es gibt auch keinen Machismo, Frauen haben den selben Wert wie Männer, es ist nicht so, der Mann ist der Jäger, also hat er mehr Rechte. Es gibt auch keinen Chef im Dorf, es gibt keine Hierarchien, Entscheidungen werden nur zusammengetroffen, wen einer dagegen ist, wird keine Entscheidung getroffen; es wird so lange diskutiert bis eine Entscheidung einheitlich getroffen ist. Weil sie immer nur gemeinschaftlich funktioniert haben, deshalb haben sie diesen Egowahn, den wir in der westlichen Welt haben, auch gar nicht.

Lermer: Auch gerade im Vergleich mit unseren Müttern hier sind die völlig gelassen. Am Anfang wusste ich gar welches Kind gehört zu welcher Mutter. Wenn ein Kind schreit, gibt es eine Kinderhorde, die kümmert sich zuerst. Die springen zusammen herum und kümmern sich. Und wenn es gar nicht mehr geht, greift ein Erwachsener ein. Aber jede Mutter nimmt auch jedes andere Kind hoch. Es gibt sogar Mütter, die stillen ein anderes Kind. Auch da gibt es nicht dieses das ist mein Kind, mein Nachfolger.

Stadler: Was natürlich ein bisschen tricky ist mit dem Teilen. Dadurch dass sie alle gemeinsam aus einem Topf essen mit den Händen, wenn z.B. einer Tuberkulose hat, kriegen alle Tuberkulose. Wenn es eine ansteckende Krankheit gibt, kriegen es alle mehr oder weniger. Die Kindersterblichkeit ist extrem hoch, von unserem Übersetzer sind nur noch drei von sechs Kinder am Leben. Weil die Lebensbedingungen schlecht sind, das Hospital ist 120 km weit weg ist, sie kein Geld, keinen Zugang zu Medikamenten habe. Wenn du dann mit einer Entzündungskrankheit in der Wüste im Sand sitzt und kommst da nicht weg, dann dauert es zwei Wochen, dann haben die Kinder Wasser in den Beinen und dann sterben sie.

Man könnte ja jetzt gemeinerweise sagen, der Film erzähle sich wie von selbst. Sie haben aber natürlich eine Menge Arbeit gehabt, das alles in eine Form zu bringen. Dazu gehört natürlich auch die Vertonung. Sie haben ja vor Ort viel vorgefunden an Klängen, allein in der Natur, was viele jetzt nicht zwingend schon als Musik verstehen würden. Man kann den Busch ja hören. Also für den Soundtrack ging es sicher darum, das zu nehmen, was die Natur und was Ihnen die Buschmänner angeboten haben, sondern daraus dann noch etwas zu generieren für eigene Musik.

Stadler: Wir haben festgestellt, dass ihre Obertongesänge über die gesamte Länge des Films nicht getragen hätten. Dann gab es eins, zwei Sachen, die Catenia noch von alten Musikprojekten hatte, die haben gepasst und die konnten wir einbauen. Was glücklich war: ein Bekannter von mir, ein Gitarrist, der uns dort besuchte, hat Gitarre gespielt für die Buschmänner und das hat ihnen total gut gefallen. Dadurch haben wir Teile seiner Musik nehmen können, die die Afrikareise begleitet. Bei den Dorfszenen, das ist ihre Musik. Zu den Bildern in Europa, sind es dann extra komponierte Stücke, die Matthias Raue geschrieben hat, der uns auch den kompletten Dolby Surround Ton angelegt hat was für die Kinovorführung enorm wichtig ist. Wir hatten natürlich keinen hochkomplexen Stereomixer vor Ort, wir haben nur einen Monosound direkt auf die Kamera aufgenommen. Das hat gut zusammenpasst, weil er in Frankfurt ist, und auch das Projekt gut fand.

Lermer: Wir haben ja alles erst mal selber finanziert, dann aber einen Weltvertrieb gefunden und dann Geld von der Hessischen Filmförderung nachträglich bekommen.

Was ist nun mit dem Film für Deutschland geplant?


Stadler: Das ist eine gute Frage. Am Anfang wollten wir bewusst eine internationale Premiere haben, haben einen Weltvertrieb, aber noch keinen für Deutschland und deshalb auch noch keinen deutschen Festivaltermin. Er ist in Griechenland (die Premiere in Thessalonniki), Polen, Belgien und in den USA ein paar Mal gelaufen. Was natürlich interessant wäre, wäre das größte und renommierteste Dokumentarfilmfestival in Leipzig im Herbst. Mal gucken ob wir da in den Wettbewerb kommen. Beim South By Southwest (SXSW)-Festival haben wir mit „Ghostland“ der Publikumspreis gewonnen. Die haben und da nur genommen, weil sie die Amerikapremiere bekommen haben.

Und dann gab es noch die Kalahari-Premiere ...

Stadler: Die war für uns auch die wichtigste. Wir sind natürlich froh, dass wir weltweit laufen und Preise gewinnen, auf der anderen Seite muss man sagen, das schönste Gefühl, das wir hatten, war bei der Kalahari-Premiere. Weil die Buschmänner den Film auch super fanden und meinten, vielen Dank, dass ihr uns die andere Welt gezeigt habt. Jetzt wissen wir auch, dass wir da gar nicht hinwollen weil das letzten Endes kein Leben für uns ist. Wir wollen in der Kalahari bleiben.

Lermer: Für mich war das auch der Abschluss: jetzt ist es getan. Der Film ist auch bei den Ju/'Hoansi gut angekommen, das war ein guter, schöner Abschluss.
 
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Detlef Kinsler
Weil sein Hobby schon früh zum Beruf wurde, ist Fotografieren eine weitere Leidenschaft des Journal-Frankfurt-Musikredakteurs, der außerdem regelmäßig über Frauenfußball schreibt. – Mehr von Detlef Kinsler >>
 
 
 
 
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