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Yves Marchand and Romain Meffre im Filmmuseum
Adieu, du schöne Kinowelt
Eine Ausstellung als Premiere: Yves Marchand und Romain Meffre zeigen im Filmmuseum erstmals ihre Fotografien von untergegangenen Kinopalästen – und nehmen die Besucher mit auf eine morbid-schöne Zeitreise.
Mit "Ruins of Detroit" haben die beiden Fotografen Yves Marchand und Romain Meffre eine monumentale Dokumentation einer untergehenden Stadt geschaffen, einer Stadt, deren Kultur vermodert, deren Menschen verschwinden, denen das Leben ausgehaucht wurde. Es sind Fotografien des Untergangs, manchmal glaubt man, im nächsten Augenblick würde ein Zombie durchs Bild stolpern oder der Protagonist von "I am Legend". Es sind Endzeit-Szenerien, wie sie sich Filmregisseure nicht besser ausdenken können. Seit 2001 sind die beiden Franzosen auf ihrem Roadtrip durch die Ruinen der modernen Gesellschaft, den Überbleibseln des vergangenen, des nichtdigitalen Jahrhunderts. Vor vier Jahren erschien Ruins of Detroit, jetzt folgt das nächste Kapitel. Im Frankfurter Filmmuseum sind 30 Aufnahmen der Serie "Theaters" zu sehen, verfallene oder umgenutzte Filmpaläste, Lichtspielhäuser im besten Sinne, einst eine einzige Pracht. Heute verfallen oder zum Supermarkt oder zur Basketballhalle umfunktioniert.
"Wir arbeiten historisch, nicht nostalgisch", sagt Museumsleiterin Claudia Dillmann, bevor wir mit Yves Marchand und Romain Meffre in die Ausstellung gehen, die am Dienstagabend eröffnet wird. Man muss sich diesen Satz wie ein Mantra immer wieder sagen. Denn von Glanz und Gloria
sind nur verfallende Denkmäler geblieben, im besten Fall ein 99-Cent-Supermarkt, der die alte Aura aufwendig erhalten hat, oben das mondäne, romantische, fast kathedralenartige Deckengewölbe, unten Menschen, die vor Regalen stehen, das Foto auch eine Hommage an jenes berühmte Foto von Andreas Gursky.
Im schlimmsten Fall sieht man einen alten Kinosaal, in den riesige Luftschläuche gelegt wurden, es sieht aus, als sei er an eine Herzlungenmaschine angeschlossen worden, ein Wrack, ein Schatten seiner selbst. Die Schläuche aber blasen Frischluft in einen Laden in New York, der sich im Orchestergraben eingerichtet hat, nur die wenigsten Kunden werden wisssen, dass sich über der abgehängten Decke ein prachtvoller Kinosaal erhebt.
So ist das mit den US-amerikanischen Kinos, die in unvergleichlicher Zahl in den ersten Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts entstanden. Allein zwischen 1914 und 1922 entstanden in den USA rund 4000 Kinos, 1930 gingen 90 Millionen der 123 Millionen US-Amerikaner ins Kino - pro Woche. Das Fernsehen machte in der Nachkriegsära den meisten dieser Filmpaläste, von denen einige etlichen tausend Zuschauern Platz boten, den Garaus. Einige wurden umgenutzt, die meisten verfielen. Und so sind manche Fotografien auch ein Abbild jenes Verfalls. Mithilfe einer Datenbank suchten die beiden Pariser Fotografen ihre Orte auf, "an einigen Stellen war nur noch braches Land, das Kino schon abgerissen", erzählt Romain Meffre. An anderen Orten wiederum mussten erst einmal Hauseigentümer überzeugt werden, um die von außen oft unscheinbaren Juwelen mit ihren meterhohen Deckengemälden besichtigen zu dürfen. Für die Aufnahmen wurde eine analoge Plattenkamera verwendet und in Planfilm im Format 4 mal 5 Zoll. "Die Belichtungszeit ist meist sehr lang, so lang, dass wir zwischendrin das Licht verstellen konnten, um jeden Teil des Raums ausleuchten zu können", sagt Yves Marchand. Der perfekte Standort und die richtige Belichtung wurde zuvor durch mehrere Schüsse mit einer kleinen Digitalkamera festgelegt.
Wenn die beiden Fotografen über ihre Arbeit sprechen, dann wird deutlich, dass sie wie Dokumentare arbeiten, wie Historiker, die einen Teil der Geschichte festhalten wollen. Sie sprechen über die Hürden, die es kostete an die Aufnahmen zu gelangen, über die Enttäuschungen doch nur noch Ruinen vorzufinden oder einen leergefegten Platz, über die Freude einen Raum zu betreten, der über sechs Jahrzehnte nicht mehr seinem ursprünglichen Zwecke diente. Kurzum: Eine Schau, die perfekt zum Filmmuseum passt. "Als ich davon hörte, dass die beiden jetzt alte Kinos fotografierten, habe ich mich gleich mit ihnen in Verbindung gesetzt", sagt Kuratorin Jessica Niebel, der es zu verdanken ist, dass die Schau eine Weltpremiere ist, um mal im Kinojargon zu bleiben. Die Abzüge digital aufgehellt und groß abgezogen, "wir haben auch kein Glas davor gemacht, so entsteht der Eindruck, ins Bild hineingezogen zu werden", sagt Frau Niebel. Bis Ende Mai sind die Fotografien im dritten Stock des Filmmuseums zu sehen. Zu sehen sind auch eine Rolle von Wochenschauen, die sich mit Kino beschäftigen und im Vorraum eine kurze Geschichte Frankfurter Filmtheater, die daran erinnert, dass es auch hier eine goldene Ära des bewegten Bildes gab. "Wir glauben an die Zukunft dieser Bilder", sagt Claudia Dillmann, "selbst wenn sie in unserer Zeit ubiquitär sind."
>> Filmtheater
Kinofotografien von Yves Marchand und Romain Meffre, 26. November 2014 bis 31. Mai 2015 im Deutschen Filmmuseum, Schaumainkai 41, Frankfurt
"Wir arbeiten historisch, nicht nostalgisch", sagt Museumsleiterin Claudia Dillmann, bevor wir mit Yves Marchand und Romain Meffre in die Ausstellung gehen, die am Dienstagabend eröffnet wird. Man muss sich diesen Satz wie ein Mantra immer wieder sagen. Denn von Glanz und Gloria
sind nur verfallende Denkmäler geblieben, im besten Fall ein 99-Cent-Supermarkt, der die alte Aura aufwendig erhalten hat, oben das mondäne, romantische, fast kathedralenartige Deckengewölbe, unten Menschen, die vor Regalen stehen, das Foto auch eine Hommage an jenes berühmte Foto von Andreas Gursky.
Im schlimmsten Fall sieht man einen alten Kinosaal, in den riesige Luftschläuche gelegt wurden, es sieht aus, als sei er an eine Herzlungenmaschine angeschlossen worden, ein Wrack, ein Schatten seiner selbst. Die Schläuche aber blasen Frischluft in einen Laden in New York, der sich im Orchestergraben eingerichtet hat, nur die wenigsten Kunden werden wisssen, dass sich über der abgehängten Decke ein prachtvoller Kinosaal erhebt.
So ist das mit den US-amerikanischen Kinos, die in unvergleichlicher Zahl in den ersten Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts entstanden. Allein zwischen 1914 und 1922 entstanden in den USA rund 4000 Kinos, 1930 gingen 90 Millionen der 123 Millionen US-Amerikaner ins Kino - pro Woche. Das Fernsehen machte in der Nachkriegsära den meisten dieser Filmpaläste, von denen einige etlichen tausend Zuschauern Platz boten, den Garaus. Einige wurden umgenutzt, die meisten verfielen. Und so sind manche Fotografien auch ein Abbild jenes Verfalls. Mithilfe einer Datenbank suchten die beiden Pariser Fotografen ihre Orte auf, "an einigen Stellen war nur noch braches Land, das Kino schon abgerissen", erzählt Romain Meffre. An anderen Orten wiederum mussten erst einmal Hauseigentümer überzeugt werden, um die von außen oft unscheinbaren Juwelen mit ihren meterhohen Deckengemälden besichtigen zu dürfen. Für die Aufnahmen wurde eine analoge Plattenkamera verwendet und in Planfilm im Format 4 mal 5 Zoll. "Die Belichtungszeit ist meist sehr lang, so lang, dass wir zwischendrin das Licht verstellen konnten, um jeden Teil des Raums ausleuchten zu können", sagt Yves Marchand. Der perfekte Standort und die richtige Belichtung wurde zuvor durch mehrere Schüsse mit einer kleinen Digitalkamera festgelegt.
Wenn die beiden Fotografen über ihre Arbeit sprechen, dann wird deutlich, dass sie wie Dokumentare arbeiten, wie Historiker, die einen Teil der Geschichte festhalten wollen. Sie sprechen über die Hürden, die es kostete an die Aufnahmen zu gelangen, über die Enttäuschungen doch nur noch Ruinen vorzufinden oder einen leergefegten Platz, über die Freude einen Raum zu betreten, der über sechs Jahrzehnte nicht mehr seinem ursprünglichen Zwecke diente. Kurzum: Eine Schau, die perfekt zum Filmmuseum passt. "Als ich davon hörte, dass die beiden jetzt alte Kinos fotografierten, habe ich mich gleich mit ihnen in Verbindung gesetzt", sagt Kuratorin Jessica Niebel, der es zu verdanken ist, dass die Schau eine Weltpremiere ist, um mal im Kinojargon zu bleiben. Die Abzüge digital aufgehellt und groß abgezogen, "wir haben auch kein Glas davor gemacht, so entsteht der Eindruck, ins Bild hineingezogen zu werden", sagt Frau Niebel. Bis Ende Mai sind die Fotografien im dritten Stock des Filmmuseums zu sehen. Zu sehen sind auch eine Rolle von Wochenschauen, die sich mit Kino beschäftigen und im Vorraum eine kurze Geschichte Frankfurter Filmtheater, die daran erinnert, dass es auch hier eine goldene Ära des bewegten Bildes gab. "Wir glauben an die Zukunft dieser Bilder", sagt Claudia Dillmann, "selbst wenn sie in unserer Zeit ubiquitär sind."
>> Filmtheater
Kinofotografien von Yves Marchand und Romain Meffre, 26. November 2014 bis 31. Mai 2015 im Deutschen Filmmuseum, Schaumainkai 41, Frankfurt
Fotogalerie: Filmtheater
25. November 2014, 12.09 Uhr
Nils Bremer
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