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Wolf Schubert-K & Friends

Wie glücklich traurige Musik machen kann

Mit Julia Embers und Steffen Huther hat Wolf Schubert-K. in der Pandemie seine neue Band formiert und mit ihnen das Album „Sad Songs Volk, 1“ aufgenommen, das am 28. Januar in der Brotfabrik vorgestellt wird. Ein Gespräch mit Schubert-K.
JOURNAL FRANKFURT: Als Du mit dem neuen Trio als „The saddest little Countryband in the World“ angetreten bist, schwang da tatsächlich nicht nur ein wenig Ironie mit. Aber beim Titel des ersten Albums mit den neuen Freunden, den „Sad Songs Vol. 1", steckt doch mehr als nur ein Funken Wahrheit darin?
Wolf Schubert-K: Der Titel ist schon Ironisch gemeint, Jule und ich haben einen Faible für „traurige“ Songs, weil sie tatsächlich eine sehr beglückende Wirkung haben, besonders wenn sie zweistimmig gesungen werden. Sehr erhebend, so ein bisschen wie bei Gospelmusik. Die Ironie liegt darin, wie glücklich uns diese (traurige) Musik macht und wir, wenn wir zusammen sind, meistens sehr fröhlich sind. „Sad Song Vol.1“ ist Ironie mit einem Quäntchen Wahrhaftigkeit.

Man kann durchaus von Glück im Unglück reden, wie Du mit Julia Embers (Kontrabass) und Steffen Huther (Gitarre) zusammen gekommen bist. Die Stichworte lauten Pandemie, Lockdown, Auftrittsverbot und eine private Trennung und damit auch verbunden die Auflösung der alten Band, die auch deine Family war. Skizziere doch mal kurz, wie es zu den Friends kam und wie ihr versucht habt, gemeinsam Corona zu trotzen?
Es war totaler Zufall, dass aus der Situation, in der wir in der Pandemie steckten, eine echte kleine Band wurde. Jule und ich kannten uns ja schon einige Jahre und waren Fans, jeweils vom anderen. Sie hatte angefangen, Kontrabass zu lernen und wollte lediglich ein paar Songs mit mir spielen, um besser am Instrument zu werden. Ich habe dann intuitiv Songs angeschleppt, die ich immer mal spielen wollte, wie „So Sad“ von den Everly Brothers und „No Place To Fall“ von Townes van Zandt. Wir haben ganz selbstverständlich Duette daraus gemacht. Jule singt sehr präzise, ich dagegen phrasiere eher schlampig und jedes mal ein wenig anders. So haben wir gegenseitig richtig viel von einander lernen können. Sie hat etwas von meiner „sloppyness“ mitnehmen können und ich von ihrer Präzision. Das war etwa im November 2020. Ich hatte mich, außer ein paar Online-Konzerten im Februar und März, nachdem der Release vom Vorgängeralbum „Odyssey“ im Lockdown versandete, völlig in die Indische Spiritualität vertieft, um nicht wahnsinnig zu werden. Zu Beginn der Pandemie hatten meine Frau und ich uns getrennt, die wichtiger Bestandteil unserer Musik war. Ich war emotional völlig aus dem Ruder und hatte überhaupt keinen Plan für mein Leben mehr. Da waren nur noch Nothilfen und irgendwelchen Stipendien, die mich am Leben hielten und transzendentale Meditation. Da kam Jule Ende 2020 wie ein Engel daher… Sie war, was das Ausüben von Musik angeht, ja in einer ähnlichen Situation. Wir haben uns einfach gegenseitig etwas aufgefangen, denke ich. Als Steffen dazu stieß passte das wie Faust auf Auge. Die beiden verstanden sich auf Anhieb.

Also kristallisierte sich schnell aus gemeinsamen Sessions, zunächst im Duo mit Julia, dann im Trio heraus, dass ihr auch einige fremde Songs ins Repertoire übernehmen würdet. Wie kam es zu der Auswahl mit den Everly Brothers, Hank Williams, Neil Young und Townes van Zandt?
Wie schon gesagt, die Auswahl erfolgte völlig Intuitiv. Wir haben uns Anfangs auch an Kamellen wie „Jackson“ von Johnny und June Carter-Cash versucht. Das hat überhaupt nicht funktioniert und flog sofort, nach dem ersten Singen raus. Jule und ich haben da einen sehr rigorosen Stil-Knigge entwickelt. Hank, Neil, und Townes hatten sofort unsere Herzen erreicht

Sag mal etwas über deine beiden Mitstreiter ...
Jule ist halb so alt wie ich, aber sie ist wahrscheinlich die erwachsenste von uns. Ich frage sie ständig um Rat! Nicht nur in Musikfragen, auch in Liebes-und Lebensfragen. Sie hat so eine Weisheit. Und sie hat einen guten Humor. Sie ist so ein bisschen die „Bandmutti“ (verzeih’ mir Jule). Steffen ist eine Seele von Mensch und bekocht uns immer, wenn wir bei ihm im Haus proben. Er und ich waren ja in der gleichen Situation, Verlassene in der Liebe. Wir haben einander viel geklagt. Wir haben bei ihm die Platte aufgenommen. Das ganze Haus zu einem Studio umgestellt, mit Stellwänden und dem ganzen Kram den Max (Pfreimer) angeschleppt hat. Und Trixie, seine Hündin ist auch auf der Platte zu hören.

Obwohl das Trio unter Deinem Namen firmiert, hast Du Julia Raum für Lead Vocals eingeräumt. Im Booklet steht etwas von einer Band ohne Eifersüchteleien. Es scheint mir fast mehr zu sein ....
Jule singt „Harvest Moon“ auf dem Album, ich nur Harmonies. Der Song ist aus ihrem Geburtsjahr. Ich habe früher auch immer einen Song für Bine (Morgenstern) auf den Platten eingeräumt. Das mit den Eifersüchteleien ist wirklich wahr, aber wir hatten anfangs schon Geplänkel. Es kommt ab und an zu Kollisionen terminlicher Art mit Romie. Paula (Jules zweite Hälfte bei Romie) und ich sind da schon mal eifersüchtig geworden und mussten wahnsinnig lachen als wir das vom jeweils anderen erfuhren. Ich bin wirklich sehr froh, um diese Leichtigkeit, die wir kultiviert haben. Nach der Pandemie ist es lebensnotwendig gut miteinander umzugehen, und wir haben das gut raus.

Seit jeher wurde deine Musik mit Folk, Country und Blues in Verbindung gebracht. Auf der Platte habe ich das Gefühl, dass ihr mehr denn je all diese essentiellen Stile konkreter herausgearbeitet habt. Täuscht der Eindruck oder habt ihr euch tatsächlich näher an die Wurzeln heran getraut?
Tatsächlich war ich nach dem „Odyssey“-Album fast schon „weltmusikalisch“ inspiriert. Ich höre viel indische Musik, Anoushka Shankar und solche Sachen. Durch die glasklare Zweistimmigkeit mit Jule bin ich aber wieder zu diesem wirklich „alten“ Zeug zurückgekehrt. Ich hab das nicht gesteuert oder als ein Konzept forciert. Das Album ist total organisch entstanden. Ich konnte diese Wurzeln zum ersten mal so spielen wie ich sie immer im Ohr hatte, weil Jule und Steffen das selbe musikalische Selbstverständnis haben.

Inwieweit hast Du auch den Jazz für Dich entdeckt? Sogar der Begriff Crooner fällt. Wolf Schubert als Bing Crosby oder Frank Sinatra?
Sinatra mochte ich schon immer. Ich mag auch Nat King Cole. Und Norah Jones. Durch den Tod von Charlie Watts bin wieder etwas mehr auf den Jazz gekommen. Den (Jazz-)Song „Watery Eyes“ beispielsweise habe ich Ende der 90er geschrieben, aber erst jetzt wieder rausgekramt. Jule und Steffen waren die ersten Musiker, die ihn so umsetzten konnten und verstanden wie ich ihn empfand. Auch live. Es ist gar nicht einfach, den verborgenen Humor in einer sentimentalen Nummer rüber zubringen.

Mit Max und Aaron von Romie sind neben Julia noch zwei Youngsters dabei. Wie wichtig war diese generationsübergreifende Arbeit und wie wichtig ist Dir, dass Musik, die man als traditionell bezeichnen kann durchaus aktuell ist und weiterleben kann?
Mit diesen jungen „studierten“ Musikern zu arbeiten ist eine Offenbarung. Die haben eine Bandbreite drauf vor der ich meinen „alten“ Hut ziehe. Vor allem ein Verständnis für guten Geschmack. Mit den „alten“ Rockrecken kommt da oft so eine unschöne „New-Countyrock-Melange“ heraus, die sehr altbacken klingt. Ich liebe es, wie wir diese Zerbrechlichkeit und Sanftheit herausgearbeitet haben. Sie hören halt auch auf die Texte. Ich denke, es war zwischen uns so eine Art Rückkopplung, die stattgefunden hat und letztendlich etwas sehr traditionelles aber auch Zeitloses entstehen ließ. Ich bin in deren Augen uralt, aus einer anderen Zeit. Drogen, Alkohol und Verzweiflung und der ganze Scheiß, den ich erlebt habe ist für die natürlich auch sehr faszinierend.

Wie hast Du die Frankfurter Musikszene zuletzt und vor allem auch in der Pandemie erlebt? Ich hatte schon seit längerem den Eindruck, dass da – gerade in der (nennen wir´s mal) Singer/Songwriter-Szene etwas zusammengewachsen ist?
Ja, das fing schon vor der Pandemie an. Ich glaube, ohne mich selbst beweihräuchern zu wollen, dass vielleicht  auch solche Veranstaltungen wie das Germanicana Folk Festival, das ich mehrmals veranstaltet habe, einen Teil dazu beigetragen haben. Ich hatte immer schon ein Auge auf die „jüngere“ Generation Folkies. Und so kam es, das diese Kontakte dazu führten, dass wir uns auch in der Pandemie gegenseitig „Überlebenstipps“ gaben. Wie kommt man an Nothilfen, wo gibt’s Stipendien, wo geht der nächste Kulturtopf auf; solche Sachen. Es entwickelte sich ein großer Zusammenhalt, nicht nur unter den Folkies. Ich fand das eine unglaublich schöne Erfahrung, diese Solidarität. Gerade wenn man das Haifischbecken der freien Marktwirtschaft schon am eigenen Leib erfahren hat.

Du betonst gerne, dass Du dich als Individualist verstehst und streichst den Independent-Charakter deines Tuns hervor? Woran machst Du das fest und wie politisch ist dein Tun/deine Arbeit?
Politik und mein „Individualismus“ sind eigentlich zwei paar Schuhe, die sich gelegentlich „auf die Füße treten“. Ich habe im Laufe meiner musikalischen Laufbahn wirklich befremdliche Begegnungen mit dem „Business“ gehabt; seltsame Plattendeals, grosse Versprechungen, geplatzte Illusionen und allerhand aufgeblasene Popanze. Ich hatte da keine Lust mehr drauf, weil es so dumm ist, sein Liebstes irgendwelchen Marktgesetzen unterzuordnen. Deswegen bin ich dazu übergegangen alles weitgehend selbst in die Hand zu nehmen und auch nicht bei diesem ganzen Streaming-Wahnsinn mit zu machen, wo sowieso nix bei rüberkommt und Du als Künstler gar nicht wahrgenommen wirst. Aber ich habe jetzt zum ersten Mal das Gefühl, dass mir diese Sturheit auch eine gewisse Anerkennung gebracht hat. Auf jeden Fall haben mir einige Leute auf die Schulter geklopft und das Feedback in den sozialen Medien über meine Äusserungen bestätigen das. Als ich „Sad Songs“, kurz vor Weihnachten, auf meiner Webseite feilgeboten habe, war ich erst mal eine Woche damit beschäftigt Päckchen zu packen. Und da musste ich nichts an irgendeine Firma abdrücken. Da musste ich mich nicht ärgern, dass ich nur ein Promille von Spotify bekomme. Die Leute haben das ganze Album gekauft und damit die ganze Geschichte… Ist das schon politisch?!  Politisch bin ich eigentlich nur wenn ich mal irgendein Benefizkonzert für Geflüchtete auf die Beine stelle oder mich an ähnlich „politischen“ Veranstaltungen beteilige. Ich habe auch schon mal einen Protestsong geschrieben, aber die meisten Songs handeln doch von den sehr persönlichen Seelenkonflikten, die wir mit uns herumtragen, in einer Welt, die scheinbar völlig Amok läuft. Das will auch nicht jeder hören. Insofern bin ich sicherlich “independent“.

Ihr feiert die Releaseparty in der Brotfabrik, ein Ort mit dem Du dich verbunden fühlst. Du hast als Datum deinen Geburtstag gewählt. Hat sich das zufällig ergeben oder ist das bewusst gewählt?
Die Brotfabrik (Antje te Brake) hat mir mehrere Termine gegeben. Der 28.1. ist zufällig mein Geburtstag und es war tatsächlich so, dass die Musiker nur zu diesem Zeitpunkt verfügbar waren. Ich find es klasse. Zumal mein Sechzigster letztes Jahr auch im Lockdown verblichen ist. Wir sind übrigens alle Wassermänner in der Band, was uns auch verbindet. Dass ich wieder in der Brotfabrik spiele ist mir eine Riesenfreude, ich habe die alle lieb. Mit dem Toningenieur (Ralf) habe ich vor knapp 40 Jahren schon Musik gemacht.

Wenn Du magst kannst Du noch was sagen zu „Kiss Like Jimi Hendrix“ ...
Der Text zu „Don’t Kiss Like Jimi Hendrix (Plays Guitar)“ ist schon sehr alt. Ich habe ihn schon in den 90ern geschrieben. Inspiriert durch die erste Zeile eines Gedichts von P.P. Zahl, einem linksradikalen Poeten der in Verbindung mit einem RAF-Banküberfall einsaß. Er schrieb das Gedicht im Knast. Es ist diese erste Zeile, aus der ich dann einen komplett anderen (Song-)Text gemacht habe. Letzten Winter habe ich „Some Like It Hot“ mit Marilyn Monroe im Fernsehen wiedergesehen, wo sie Nat King Coles „Through With Love“ singt. Da wusste ich, in welche musikalische Richtung der Song zu gehen hatte und schrieb die Musik um. Funfact: Marilyn findet auch in einer Strophe Erwähnung („Don’t you smile like Norma Jeane…“). Es geht kurz gesagt darum, es beim Liebe machen etwas langsamer und romantischer angehen zu lassen.

>> Wolf Schubert-K. & Friends, Frankfurt, Brotfabrik, 28.1., 20 Uhr, Eintritt: VVK 12 €/AK 15 €, Infos unter www.wolfschubert-k.com
 
Fotogalerie:
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17. Januar 2023, 10.30 Uhr
Detlef Kinsler
 
Detlef Kinsler
Weil sein Hobby schon früh zum Beruf wurde, ist Fotografieren eine weitere Leidenschaft des Journal-Frankfurt-Musikredakteurs, der außerdem regelmäßig über Frauenfußball schreibt. – Mehr von Detlef Kinsler >>
 
 
 
 
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