Partner
Turmpalast, Luxor und Co.
Damals, als es noch über 80 Kinos in Frankfurt gab
Als Ouvertüre zur Fotografie-Schau untergegangener Kinos zeigt das Filmmuseum eine Chronologie Frankfurter Lichtspielhäuser. Sie zeigt eine gloriose Vergangenheit - und das Sterben der Premierenpaläste.
14 Kinos gibt es heute noch in der Stadt. Einige von ihnen haben eine lange Geschichte, die Frankfurter Geschichte der Kinos beginnt im Jahr 1906. Der Hamburger August Haslwanter eröffnet am 3. März des Jahres auf der Kaiserstraße das "Kinematographen-Theater", nur ein Jahr später sind zwei weitere Filmtheater hinzugekommen, die Leute stehen Schlange für diese Sensation und machen Haslwanter zum ersten Kinokettenbetreiber der Stadt. Kein Wunder, dass bald auch andere Geschäftsleute auf den Trend aufspringen. Paul Davidson etwa, der die Allgemeine Kinematographen-Theater Gesellschaft gründet. Bereits ein Jahrzehnt zuvor wurden bewegte Bilder in den Varietés der Stadt gezeigt. Das Kino ist eine Nummer unter vielen, aber eine spektakuläre, auch fahrende Gaukler haben es im Programm, sie geraten in Schwierigkeiten als die festen Abspielstätten sich etablieren; bis zum Ersten Weltkrieg steigt deren Zahl auf 29 Häuser, die sich vor allem auf der Kaiserstraße und um die Konstablerwache konzentrieren.
Nach dem Krieg geht der Boom weiter, trotz oder vielleicht auch gerade wegen der schwierigen wirtschaftlichen Lage, in der sich die Weimarer Republik befindet. 1920 eröffnet das "U.T. im Schwan", ein Großkino mit über 1000 Plätzen. Überhaupt sind die 20er-Jahre die Goldene Zeit für das Kino in der Stadt, die großen Kinos, zu denen sich 1929 etwa der UFA- und der Roxy-Palast gesellen, ziehen Filmpremieren und mit ihnen die Filmstars an. Anfang der 30er ist die Zahl der Lichtspielhäuser auf 58 angewachsen, einige von ihnen, in den Räumen kleiner Spelunken untergebracht, ersparen den Bewohner der Randgebiete die Fahrt in die Innenstadt – da stört es auch nicht, wenn der eine oder andere Film nicht mehr topaktuell ist. Es ist dies aber auch die Zeit von Zäsuren; einer technischen: Der Tonfilm macht tausende Orchestermusiker arbeitslos. Und einer politischen: Die Nationalsozialisten machen das Kino ihrer Propagandaarbeit Untertan und nicht wenige jüdische Kinobetreiber müssen fliehen. Der Bombensturm im März 1944 legt schließlich große Teile Frankfurts und damit auch seine Kinos in Schutt und Asche. Das einzige Innenstadt-Kino, das die Bomben überlebt, ist das 1912 eröffnete Scala, es steht als ältestes Kino der Stadt mit Namen Eldorado noch heute. Filme können im Scala aber nicht mehr gezeigt werden, es fehlt an Strom.
Nach dem Krieg geht es im Juli 1945 mit der Lichtburg weiter, die in der Kaiserstraße aufmacht. In den Ruinen der Großstadt versprechen die Filme eine Flucht in andere, in schönere Welten, um dem unermesslichen Nachkriegsleid zumindest für eine kurze Zeit zu entkommen. Mit dem Wiederaufbau beginnt auch ein wahrer Boom der Frankfurter Kinolandschaft. Friedrich Wollenberg etwa stellt aus abgewrackten Kampfflugzeugen 36000 Kochtöpfe her – und tauscht sie gegen Steine und Zement, um sein erstes Kino, das Luxor am Hauptbahnhof zu eröffnen. Wollenberg ist es auch, der das amerikanische Breitbildformat Cinemascope nach Deutschland und nach Frankfurt bringt. Sein Konkurrent Siegfried Lubliner erbaut am Orte des niedergebrannten Ufa-Palasts den Turm-Palast am Eschenheimer Turm. Außerhalb der Stadt, in Gravenbruch, macht das erste Autokino auf. Die Familie Jäger, auch heute noch Eigner der E-Kinos, eröffnet 1952 an der Hauptwache den Europa-Palast. 1959 ist der Höhepunkt schließlich erreicht: 85 Kinos gibt es im Stadtgebiet. Kurz danach beginnt der Niedergang. Man stelle sich vor: Nur zehn Jahre später zählt Frankfurt nurmehr 30 Lichtspielhäuser. Das Fernsehen wird als größter Verursacher des Kinosterbens gesehen; wie übrigens auch auf der anderen Seite des Großen Teichs, wie die Fotografien von Yves Marchand und Romain Meffre eindrucksvoll beweisen. Großkinos werden zu kleinen Schachtelkinos umgebaut, erst von den 90er-Jahren an gibt es durch die Etablierung von Filmpalästen wie dem Kinopolis oder dem Cinestar Metropolis Gegentendenzen. Kino soll sich bewusst vom Fernsehen, von den kleinen Bildschirmen absetzen und wieder zum Erlebnis werden. Dafür steht auch die Astor-Lounge, der jüngste Neuzugang auf dem Frankfurter Kinomarkt, der sich der gehobenen Kinounterhaltung verschrieben hat.
Mit Material von Jessica Niebel, Deutsches Filmmuseum. Frau Niebel hat die aktuelle Schau Filmtheater kuratiert, im Vorraum dazu wird die Geschichte der Frankfurter Kinos in einem sehenswerten Film gezeigt.
>> Filmtheater
Kinofotografien von Yves Marchand und Romain Meffre, 26. November 2014 bis 31. Mai 2015 im Deutschen Filmmuseum, Schaumainkai 41, Frankfurt
Nach dem Krieg geht der Boom weiter, trotz oder vielleicht auch gerade wegen der schwierigen wirtschaftlichen Lage, in der sich die Weimarer Republik befindet. 1920 eröffnet das "U.T. im Schwan", ein Großkino mit über 1000 Plätzen. Überhaupt sind die 20er-Jahre die Goldene Zeit für das Kino in der Stadt, die großen Kinos, zu denen sich 1929 etwa der UFA- und der Roxy-Palast gesellen, ziehen Filmpremieren und mit ihnen die Filmstars an. Anfang der 30er ist die Zahl der Lichtspielhäuser auf 58 angewachsen, einige von ihnen, in den Räumen kleiner Spelunken untergebracht, ersparen den Bewohner der Randgebiete die Fahrt in die Innenstadt – da stört es auch nicht, wenn der eine oder andere Film nicht mehr topaktuell ist. Es ist dies aber auch die Zeit von Zäsuren; einer technischen: Der Tonfilm macht tausende Orchestermusiker arbeitslos. Und einer politischen: Die Nationalsozialisten machen das Kino ihrer Propagandaarbeit Untertan und nicht wenige jüdische Kinobetreiber müssen fliehen. Der Bombensturm im März 1944 legt schließlich große Teile Frankfurts und damit auch seine Kinos in Schutt und Asche. Das einzige Innenstadt-Kino, das die Bomben überlebt, ist das 1912 eröffnete Scala, es steht als ältestes Kino der Stadt mit Namen Eldorado noch heute. Filme können im Scala aber nicht mehr gezeigt werden, es fehlt an Strom.
Nach dem Krieg geht es im Juli 1945 mit der Lichtburg weiter, die in der Kaiserstraße aufmacht. In den Ruinen der Großstadt versprechen die Filme eine Flucht in andere, in schönere Welten, um dem unermesslichen Nachkriegsleid zumindest für eine kurze Zeit zu entkommen. Mit dem Wiederaufbau beginnt auch ein wahrer Boom der Frankfurter Kinolandschaft. Friedrich Wollenberg etwa stellt aus abgewrackten Kampfflugzeugen 36000 Kochtöpfe her – und tauscht sie gegen Steine und Zement, um sein erstes Kino, das Luxor am Hauptbahnhof zu eröffnen. Wollenberg ist es auch, der das amerikanische Breitbildformat Cinemascope nach Deutschland und nach Frankfurt bringt. Sein Konkurrent Siegfried Lubliner erbaut am Orte des niedergebrannten Ufa-Palasts den Turm-Palast am Eschenheimer Turm. Außerhalb der Stadt, in Gravenbruch, macht das erste Autokino auf. Die Familie Jäger, auch heute noch Eigner der E-Kinos, eröffnet 1952 an der Hauptwache den Europa-Palast. 1959 ist der Höhepunkt schließlich erreicht: 85 Kinos gibt es im Stadtgebiet. Kurz danach beginnt der Niedergang. Man stelle sich vor: Nur zehn Jahre später zählt Frankfurt nurmehr 30 Lichtspielhäuser. Das Fernsehen wird als größter Verursacher des Kinosterbens gesehen; wie übrigens auch auf der anderen Seite des Großen Teichs, wie die Fotografien von Yves Marchand und Romain Meffre eindrucksvoll beweisen. Großkinos werden zu kleinen Schachtelkinos umgebaut, erst von den 90er-Jahren an gibt es durch die Etablierung von Filmpalästen wie dem Kinopolis oder dem Cinestar Metropolis Gegentendenzen. Kino soll sich bewusst vom Fernsehen, von den kleinen Bildschirmen absetzen und wieder zum Erlebnis werden. Dafür steht auch die Astor-Lounge, der jüngste Neuzugang auf dem Frankfurter Kinomarkt, der sich der gehobenen Kinounterhaltung verschrieben hat.
Mit Material von Jessica Niebel, Deutsches Filmmuseum. Frau Niebel hat die aktuelle Schau Filmtheater kuratiert, im Vorraum dazu wird die Geschichte der Frankfurter Kinos in einem sehenswerten Film gezeigt.
>> Filmtheater
Kinofotografien von Yves Marchand und Romain Meffre, 26. November 2014 bis 31. Mai 2015 im Deutschen Filmmuseum, Schaumainkai 41, Frankfurt
Fotogalerie: Frankfurter Filmtheater
25. November 2014, 11.59 Uhr
red
Mehr Nachrichten aus dem Ressort Kultur
Sieben Vorführungen in Frankfurt
Italo-Französische Filmwoche
Auch in diesem November heißt es wieder: Frankreich gegen Italien. Die französische Filmwoche und Verso Sud buhlen erneut parallel um die Zuschauergunst als letzte Frankfurter Filmreihen in diesem Jahr.
Text: Gregor Ries / Foto: Der Porträtfilm „Ciao, Marcello - Mastroianni L'Antidivo” von Regisseur Fabrizio Corallo © DFF
KulturMeistgelesen
- Kunstausstellung in EschbornGesammelte Fotografien der Deutschen Börse
- Lilian Thuram in FrankfurtFranzösische Fußballlegende spricht über Rassismus
- Literatur in FrankfurtNeue Lesebühne im Café Mutz
- Filmfestival in WiesbadenExground Filmfest legt Fokus auf Flucht und Migration
- No Other LandEin Skandalfilm, der keiner sein will
22. November 2024
Journal Tagestipps
Freie Stellen