Das neue Tortoise-Album „Beacons Of Ancestorship“ war nicht jedermanns Fall, aber neugierig genug auf ein weiteres Konzert des Chicagoer Kollektivs waren dann trotz Biergarten-Wetters doch noch genügend Frankfurter, um den Theatersaal des Mousonturms gut zu füllen. Tatsächlich klangen die Fünf zu Konzertbeginn wie auf dem neuen Album – und zwar krautiger als jede Krautrock-Band der frühen Siebziger. Ihr Instrumental-Sound ließ – noch stärker als früher – unzählige Assoziationen zu, so zu Art- oder Progressive Rock der frühen Genesis oder King Crimson in der zu Zeiten von „Starless And Bible Black“, zum very British Jazz Rock aus Canterbury à la Soft Machine und wenn sie dann mal funky wurden klang’s wie die Talking Heads auf dem Weg ins Industrial-Lager.
Keine Frage: die fünf Multi-Instrumentalisten (vier von ihnen sind auch Schlagzeuger) spielen muskulöse Musik, die sie oft auch brachial auf die Bühne bringen. Subtiles und Fragiles gehört eher nicht zum Repertoire. Und dass die Musik von vielen als besonders abwechslungsreich empfunden wird, mag am Kunstgriff der Musiker liegen, ständig zu rotieren und die Instrumente zu wechseln. Zu Beginn des Konzertes nutzten sie vor allem auch (analoge) Synthesizer für einen atmosphärischen Einstieg, dann wurde getrommelt, was das Zeug hielt, manchmal zu zweit und synchron, dann wieder gegeneinander. Aber nur ein Spezialist wie Drummer-Kollege Bertram Ritter von Nachttierhaus mag die feinsten Nuancen ausmachen was HiHat- oder Hängetoms-Bearbeitung betrifft. Auch das eine oder andere Gitarrenbrett wurde beigesteuert und auch die für Tortoise obligatorischen Vibraphone durften nicht fehlen.
Formale Strenge (auch in den Natur- und Architektur-Projektionen auf fünf verschieden großen Leinwänden über den Musikern), freies Spiel, Präzission und Schludrigkeit – bei Tortoise beides kein Widerspruch. Beides ist möglich und wird weidlich ausgenutzt. Und das Gros des Publikums war dann doch begeistert vom Tortoise-Auftritt.