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Ralf Scheffler über die neue Batschkapp
"Verranzt wird’s von selber"
Am vergangenen Wochenende wurde die neue Batschkapp feierlich eingeweiht. Und Clubchef Ralf Scheffler hielt eine Rede über die Clubszene, über Blondinen in Duschen und Patina, die wir hier dokumentieren.
Jetzt kommen wir zum ernsthaften Teil des Abends – alle gehen jetzt nochmal zur Toilette und jeder kriegt noch ein Eis und dann können wir losreiten. An dieser Stelle wäre normalerweise ein Streichquartett mit einer etwas rockigen Interpretation eines Klassiker gekommen – das haben wir aus Kostengründen und zu Gunsten von Freigetränken gestrichen. Der weitere Verlauf des Abends wird sich unspektakulär gestalten: Drei Reden und danach Tanzmusik von einem unserer bewährten Diskjockeys.
Im Großen und Ganzen ist ja über den Umzug unseres Clubs in Film, Funk und Fernsehen ausführlich berichtet worden – ich will hier noch so ganz grob unsere Beweggründe erläutern.
In den sogenannten sozialen Netzwerken wusste man über die Hintergründe natürlich schon wieder genauer Bescheid als wir selbst. Hier nur stellvertretend für all den Unsinn, der da verbreitet wurde, ein Zitat:
Vorschlag: Reißen wir doch in Frankfurt einfach alles ab was irgendwie Tradition oder Persönlichkeit hat. ......... Wo die Batschkapp, Alt-Sachsenhausen usw. war, is dann endlich genug Platz für Luxuswohnungen, Einkaufszentren und anderen Bullshit.
Das mit der Persönlichkeit und Tradition (taucht auch als die vielbeschworene Patina auf) ist in unserem Fall so eine Sache. Billy Bragg bemerkte in einem Interview anlässlich seines Auftritts im November letzten Jahres, dass die Batschkapp „a place of it’s own kind“ wäre und das dies den Club deutlich von anderen unterscheiden würde.
Nun muss man natürlich dazu wissen, dass die Eindrücke von Herrn Bragg auch durch Erlebnisse, die er in unseren vier Wänden hatte, geprägt wurden – und nicht nur durch die baulichen Gegebenheiten.
Ich will da nicht näher drauf eingehen – nur so viel: Die ausführliche Diskussion zu Fragen der Gewerkschaftsbewegung bis 4 Uhr nachts beim gleichzeitigen Verzehr kleiner Mengen Alkohol oder das Abenteuer mit einer Blondine in der einzigen hauseigenen Dusche haben da sicher eine Rolle gespielt.
Klar das Gebäude ist bizarr – ist auch kein Wunder da wurde über Jahrzehnte von außen und innen angebaut, repariert und gebastelt.
Das Gebäude musste 37 Jahre Rock'n'Roll über sich ergehen lassen.
37 Jahre, in denen so um die 3 Millionen Menschen ihre Spuren hinterlassen haben. 37 Jahre, in denen der Druck der Soundanlage die Mauern ins Schwingen brachte.
Vollkommen klar: Sowas kann man nicht nachbauen.
Aber auch klar: der Eindruck der Einzigartigkeit speist sich eben nicht nur aus den baulichen Gegebenheiten sondern zum großen Teil durch das, was da passiert ist.
Aber die Patina!!
Da ist sich die Hessenschau, die Feuerwehr (die dieser Tag mal eine Besichtungstour gemacht hat) und Teile des Publikums einig: die Patina.
Ich sage nur: Verranzt wird’s von selber und Patina wird enorm überbewertet.
Die Realtität für uns sah in den letzten Jahren so aus: Wir können das kultige Gebäude behalten, dabei zunehmender Kritik von Kundschaft und Künstlern ausgesetzt sein, in absehbarer Zeit der Konkurrenz unterliegen und in spätestens vier bis fünf Jahren raus sein aus dem Geschäft.
Was die Kundschaft angeht: In den ersten 15 bis 20 Jahren hat es wenig gestört wenn die Hütte so voll war dass niemand mehr umfallen konnte und das Wasser von der Decke tropfte: Das war Clubatmosphäre.
Danach kam es zunehmend zu Beschwerden: zu voll, zu heiß, zu stickig etc.
Jedes ausverkaufte Konzert zerrte bald an den Nerven.
Und was die Künstler angeht: Neulich gestand mir der Tourleiter einer Band „wenn wir in Hamburg in der Markthalle waren und wir wussten, dass wir am nächsten Tag in Frankfurt spielen, dann hieß es: Alle nochmal duschen."
Nicht das wir keine Dusche gehabt hätten – aber es gab nur eine für im Schnitt 15 bis 20 Personen. Jenseits davon sahen wir noch zwei andere – gravierende – Probleme auf uns zukommen:
1) Irgendwann würde die Bahn zwei zusätzliche Gleise bauen, und damit würde die Einlasssituation schwierig und das Aus- und Einladen von Material auf dem herkömmlichen Weg unmöglich.
2) Das Gebäude war ziemlich marode und eine grundlegende Sanierung hätte innerhalb der nächsten Jahre angestanden – von der man nicht gewusst hätte wie sie ausgeht.
Insofern haben wir Glück gehabt, dass wir sozusagen im letzten Moment noch den Absprung geschafft haben.
Ich gebe zu, dass ich bei dem Gedanken an einen Umzug der Batschkapp doch auch immer wieder Zweifel hatte, ob das funktionieren würde. Alle Erfahrungen und Überlegungen sprachen zwar für einen Umzug – ein Restzweifel blieb natürlich. Als ich diese Halle in ihrem Urzustand besichtigt hatte war es allerdings Liebe auf den ersten Blick. Und das hat dann die Entscheidung leicht gemacht.
Und jetzt kommt die gute Nachricht: Der Charakter eines Music Clubs wird meiner Erfahrung nach wesentlich durch die geprägt, die ihn betreiben. Und auf der Ebene hat sich eigentlich nicht viel geändert. Man kann das ja auch schon daran sehen, wie wir das Projekt umgesetzt haben.
Die neue Batschkapp strahlt den Geist der alten Batschkapp aus – sie ist lediglich größer, von der Technik her moderner, es gibt für alle mehr Platz (außer vielleicht heute Abend) und die sanitären Einrichtungen haben den Zustand des Rudimentären verlassen.
Und ich muss sagen: die Umgebung hier in der Gwinnerstraße ist angemessen: Gegenüber der Schrottplatz, das pakistanisch-islamische Kulturzentrum nebst Moschee, das Garten- und Friedhofsamt, nebendran eine Spedition. Was will man mehr.
Dadurch, dass wir das Bürogebäude mit übernehmen konnten, haben wir Platz um ein kleines Biotop rund um das Musik-Showgeschäft entstehen zu lassen. Im Tiefparterre haben sich das Studio (das auch schon in der alten Batschkapp war) und die Agentur By Awake angesiedelt. Im 1. OG haben sich Party-Veranstalter, Grafiker, eine Promotionagentur, ein Musiklehrer und ein Werber breitgemacht.
Die Bands, die bisher die Halle bespielt haben, haben alle mehr als positiv auf die Veränderung reagiert – soweit ich das beurteilen kann, war es von Seiten des Publikums ebenso. Ich denke der Schritt in die Zukunft unter Beibehaltung der inhaltlichen Ausrichtung ist uns gelungen. Frankfurt hat nach all den Jahren wieder einen Live Music Club, der die Lücke, die das Volksbildungsheim hinterlassen hat, schließt.
Ach ja: Und zum Abschluss – vorsicht Produktplacement:
Ich danke ausdrücklich (in alphabetischer Reihenfolge) der Firma Mainova AG und der Warsteiner Brauerei für ihre Unterstützung unseres Vorhabens. Ohne diese Unterstützung wäre die Umsetzung nicht möglich gewesen. Die Banken haben sich ja – vorsichtig ausgedrückt – in vornehmer Zurückhaltung geübt. Die Zusammenarbeit mit der Mainova besteht seit mehr als 10 Jahren. Und zwar in Form der Unterstützung der lokalen und regionalen Musikszene durch die Mainova-Heimspiel-Veranstaltungen in unserem Club an der Konstabler – dem Nachtleben, der Veranstaltung „Best Of Mainova-Heimspiel“ einmal im Jahr in der Batschkapp und die Mainova-Bühne auf dem Museumsufer-Fest. Die Warsteiner Brauerei engagiert sich seit ein paar Jahren auch stark im Bereich Live Musik und ist bei uns seit etwa einem Jahr im Boot. Darüber hinaus gilt unser Dank auch der Firma Coca Cola (der Imperialistenbrause), der Kelterei Heil, der Firma Red Bull. Produktplacement off
Und nicht zuletzt auch noch vielen Dank an meine Frau und Lieblingsfreundin Doris. Die musste meine geistige Abwesenheit die letzten eineinhalb Jahre ertragen.
Im Großen und Ganzen ist ja über den Umzug unseres Clubs in Film, Funk und Fernsehen ausführlich berichtet worden – ich will hier noch so ganz grob unsere Beweggründe erläutern.
In den sogenannten sozialen Netzwerken wusste man über die Hintergründe natürlich schon wieder genauer Bescheid als wir selbst. Hier nur stellvertretend für all den Unsinn, der da verbreitet wurde, ein Zitat:
Vorschlag: Reißen wir doch in Frankfurt einfach alles ab was irgendwie Tradition oder Persönlichkeit hat. ......... Wo die Batschkapp, Alt-Sachsenhausen usw. war, is dann endlich genug Platz für Luxuswohnungen, Einkaufszentren und anderen Bullshit.
Das mit der Persönlichkeit und Tradition (taucht auch als die vielbeschworene Patina auf) ist in unserem Fall so eine Sache. Billy Bragg bemerkte in einem Interview anlässlich seines Auftritts im November letzten Jahres, dass die Batschkapp „a place of it’s own kind“ wäre und das dies den Club deutlich von anderen unterscheiden würde.
Nun muss man natürlich dazu wissen, dass die Eindrücke von Herrn Bragg auch durch Erlebnisse, die er in unseren vier Wänden hatte, geprägt wurden – und nicht nur durch die baulichen Gegebenheiten.
Ich will da nicht näher drauf eingehen – nur so viel: Die ausführliche Diskussion zu Fragen der Gewerkschaftsbewegung bis 4 Uhr nachts beim gleichzeitigen Verzehr kleiner Mengen Alkohol oder das Abenteuer mit einer Blondine in der einzigen hauseigenen Dusche haben da sicher eine Rolle gespielt.
Klar das Gebäude ist bizarr – ist auch kein Wunder da wurde über Jahrzehnte von außen und innen angebaut, repariert und gebastelt.
Das Gebäude musste 37 Jahre Rock'n'Roll über sich ergehen lassen.
37 Jahre, in denen so um die 3 Millionen Menschen ihre Spuren hinterlassen haben. 37 Jahre, in denen der Druck der Soundanlage die Mauern ins Schwingen brachte.
Vollkommen klar: Sowas kann man nicht nachbauen.
Aber auch klar: der Eindruck der Einzigartigkeit speist sich eben nicht nur aus den baulichen Gegebenheiten sondern zum großen Teil durch das, was da passiert ist.
Aber die Patina!!
Da ist sich die Hessenschau, die Feuerwehr (die dieser Tag mal eine Besichtungstour gemacht hat) und Teile des Publikums einig: die Patina.
Ich sage nur: Verranzt wird’s von selber und Patina wird enorm überbewertet.
Die Realtität für uns sah in den letzten Jahren so aus: Wir können das kultige Gebäude behalten, dabei zunehmender Kritik von Kundschaft und Künstlern ausgesetzt sein, in absehbarer Zeit der Konkurrenz unterliegen und in spätestens vier bis fünf Jahren raus sein aus dem Geschäft.
Was die Kundschaft angeht: In den ersten 15 bis 20 Jahren hat es wenig gestört wenn die Hütte so voll war dass niemand mehr umfallen konnte und das Wasser von der Decke tropfte: Das war Clubatmosphäre.
Danach kam es zunehmend zu Beschwerden: zu voll, zu heiß, zu stickig etc.
Jedes ausverkaufte Konzert zerrte bald an den Nerven.
Und was die Künstler angeht: Neulich gestand mir der Tourleiter einer Band „wenn wir in Hamburg in der Markthalle waren und wir wussten, dass wir am nächsten Tag in Frankfurt spielen, dann hieß es: Alle nochmal duschen."
Nicht das wir keine Dusche gehabt hätten – aber es gab nur eine für im Schnitt 15 bis 20 Personen. Jenseits davon sahen wir noch zwei andere – gravierende – Probleme auf uns zukommen:
1) Irgendwann würde die Bahn zwei zusätzliche Gleise bauen, und damit würde die Einlasssituation schwierig und das Aus- und Einladen von Material auf dem herkömmlichen Weg unmöglich.
2) Das Gebäude war ziemlich marode und eine grundlegende Sanierung hätte innerhalb der nächsten Jahre angestanden – von der man nicht gewusst hätte wie sie ausgeht.
Insofern haben wir Glück gehabt, dass wir sozusagen im letzten Moment noch den Absprung geschafft haben.
Ich gebe zu, dass ich bei dem Gedanken an einen Umzug der Batschkapp doch auch immer wieder Zweifel hatte, ob das funktionieren würde. Alle Erfahrungen und Überlegungen sprachen zwar für einen Umzug – ein Restzweifel blieb natürlich. Als ich diese Halle in ihrem Urzustand besichtigt hatte war es allerdings Liebe auf den ersten Blick. Und das hat dann die Entscheidung leicht gemacht.
Und jetzt kommt die gute Nachricht: Der Charakter eines Music Clubs wird meiner Erfahrung nach wesentlich durch die geprägt, die ihn betreiben. Und auf der Ebene hat sich eigentlich nicht viel geändert. Man kann das ja auch schon daran sehen, wie wir das Projekt umgesetzt haben.
Die neue Batschkapp strahlt den Geist der alten Batschkapp aus – sie ist lediglich größer, von der Technik her moderner, es gibt für alle mehr Platz (außer vielleicht heute Abend) und die sanitären Einrichtungen haben den Zustand des Rudimentären verlassen.
Und ich muss sagen: die Umgebung hier in der Gwinnerstraße ist angemessen: Gegenüber der Schrottplatz, das pakistanisch-islamische Kulturzentrum nebst Moschee, das Garten- und Friedhofsamt, nebendran eine Spedition. Was will man mehr.
Dadurch, dass wir das Bürogebäude mit übernehmen konnten, haben wir Platz um ein kleines Biotop rund um das Musik-Showgeschäft entstehen zu lassen. Im Tiefparterre haben sich das Studio (das auch schon in der alten Batschkapp war) und die Agentur By Awake angesiedelt. Im 1. OG haben sich Party-Veranstalter, Grafiker, eine Promotionagentur, ein Musiklehrer und ein Werber breitgemacht.
Die Bands, die bisher die Halle bespielt haben, haben alle mehr als positiv auf die Veränderung reagiert – soweit ich das beurteilen kann, war es von Seiten des Publikums ebenso. Ich denke der Schritt in die Zukunft unter Beibehaltung der inhaltlichen Ausrichtung ist uns gelungen. Frankfurt hat nach all den Jahren wieder einen Live Music Club, der die Lücke, die das Volksbildungsheim hinterlassen hat, schließt.
Ach ja: Und zum Abschluss – vorsicht Produktplacement:
Ich danke ausdrücklich (in alphabetischer Reihenfolge) der Firma Mainova AG und der Warsteiner Brauerei für ihre Unterstützung unseres Vorhabens. Ohne diese Unterstützung wäre die Umsetzung nicht möglich gewesen. Die Banken haben sich ja – vorsichtig ausgedrückt – in vornehmer Zurückhaltung geübt. Die Zusammenarbeit mit der Mainova besteht seit mehr als 10 Jahren. Und zwar in Form der Unterstützung der lokalen und regionalen Musikszene durch die Mainova-Heimspiel-Veranstaltungen in unserem Club an der Konstabler – dem Nachtleben, der Veranstaltung „Best Of Mainova-Heimspiel“ einmal im Jahr in der Batschkapp und die Mainova-Bühne auf dem Museumsufer-Fest. Die Warsteiner Brauerei engagiert sich seit ein paar Jahren auch stark im Bereich Live Musik und ist bei uns seit etwa einem Jahr im Boot. Darüber hinaus gilt unser Dank auch der Firma Coca Cola (der Imperialistenbrause), der Kelterei Heil, der Firma Red Bull. Produktplacement off
Und nicht zuletzt auch noch vielen Dank an meine Frau und Lieblingsfreundin Doris. Die musste meine geistige Abwesenheit die letzten eineinhalb Jahre ertragen.
21. Januar 2014, 11.07 Uhr
Ralf Scheffler
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22. November 2024
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