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Museum Angewandte Kunst

„Dieter Rams würde Stadtplaner werden wollen“

Im Museum Angewandte Kunst wird das Dieter Rams Forum eröffnet. Im Interview erklärt Kurator Klaus Klemp, was die Faszination des Produktdesigns ausmacht und welchen Einfluss Rams heute noch hat.
Journal Frankfurt: Herr Klemp, die Ausstellung „Dieter Rams – Ein Blick zurück und voraus“ kommt wieder ins Museum Angewandte Kunst. Was wird Neues zu sehen sein?
Klaus Klemp: Die Wanderausstellung wird Teil eines Dieter Rams Forums auf Zeit im Museum Angewandte Kunst sein. Der Name Forum weist darauf hin, dass es hier nicht nur um eine museale Präsentation, sondern um Erörterungen gehen soll. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage nach einem zukünftigen Industriedesign und seinem Verhältnis zu unseren Dingwelten. Oder anders, größer gesagt, welche Rolle spielt Gestaltung beim materiellen Verhältnis zu unserem beschädigten Planeten. Dazu soll es Wort- und Diskussionsveranstaltungen geben. Und auch ein internationales studentisches Gestaltungsprojekt werden wir ausführlich zeigen und besprechen.

Präsentiert werden auch Fotografien von Dieter Rams Ehefrau Ingeborg, die die Interior- und Produktfotografie wesentlich mitgeprägt hat. Was ist das Besondere an ihrem Werk?
Ingeborg Kracht kam als ausgebildete Fotografin mit zusätzlichen vier Semestern an der Essener Folkwangschule als junge Frau zu Braun. Zusammen mit ihrer Freundin Marlene Schneyder hat sie Ende der Fünfziger Jahre dort eine sachliche Produktfotografie mitentwickelt, die auf Beiwerk und Verhübschungen verzichtete; passend zur Haltung der Produktgestalter. Später, als Ehefrau von Dieter Rams hat sie vor allem für Vitsœ Interior fotografiert. Von Dieter Rams stammt der Satz „wir waren immer auch ein Team“.

Dieter Rams über seine Ehefrau Ingeborg: Wir waren immer auch ein Team

„Weniger aber besser“ lautet Dieter Rams Credo. Inwieweit ist dies heute noch relevant?
Mehr denn je. Es kann sich auf die Gestaltung beziehen, aber es fragt auch, wie bereit wir sind mit weniger Dingen, mit quantitativ weniger Konsum auszukommen und dafür dann weniger, aber gute, nachhaltige und langlebige Produkte nutzen. Ein ganz zentrales Thema, auch für die Stiftung.

Warum stehen wir immer noch fasziniert vor den Produkten, die Dieter Rams gestaltet hat?
Weil sie genau dieses „weniger, aber besser“ erfüllen. Sie verfügen über eine visuelle Langlebigkeit, die sich aus einer sehr konzentrierten Gestaltung ergibt. Das ist bei Rams alles andere als kalt oder funktionalistisch. Ettore Sottsass, einer der Hauptprotagonisten der Postmoderne, hat einmal gesagt, dass für ihn die Arbeiten von Rams sehr poetisch sind. Das ist eine leise Poesie aus harmonischen Proportionen, wenigen geometrischen Formen und wenigen, aber wichtigen Farben. Das gute Einfache zu gestalten ist schwierig, aber eben auch lange erträglich.




Dieter Rams, 2019, Foto: Sabine Schirdewahn © Dieter und Ingeborg Rams Stiftung

Bei allen guten Gestalterinnen und Gestaltern gibt es sehr gute und „nur“ gute Entwürfe – so auch bei Dieter Rams

Sie arbeiten eng mit Dieter Rams zusammen. Wissen Sie, welches Produkt er heute anders machen würde?
Ich glaube nicht, dass er wirklich etwas bereuen muss. Dennoch gibt es wie bei allen guten Gestalterinnen und Gestaltern auch bei Dieter Rams sehr gute und „nur“ gute Entwürfe. Und es gibt immer auch externe Determinanten, die eine Rolle spielen. Sein tragbarer Plattenspieler TP 1 war 1959 eine gute Idee, aber es fehlte das richtige Speichermedium. Das kam erst ein Jahrzehnt später mit der Compact Cassette.

In unserer Lebenswelt halten immer wieder neue Gegenstände Einzug. Welches Gerät, welchen Gegenstand würde Dieter Rams heute mit seiner Formensprache prägen?
Ein größeres Ding. Wenn er noch einmal von vorne beginnen könnte, so Rams, dann würde er Stadt- und Landschaftsplaner werden wollen. Da sieht er große Defizite, aber auch große Möglichkeiten zur Nachhaltigkeit.

Dieter Rams heute: neue Gegenstände und die heutige Generation

Welchen Einfluss hat Dieter Rams auf die heutige Generation von Designerinnen und Designern?
Ich denke mehr als vor 20 Jahren. Die Zeit postmoderner Spielereien und auch die Bastelei des DIY ist vorbei. Die jungen Gestalterinnen und Gestalter wollen wieder vernünftige, brauchbare, möglichst umweltschonende und dabei schöne Produkte herstellen. Denn auch Schönheit ist eine wichtige Funktion, wie schon der römische Architekt Vitruv vor über 2000 Jahren wusste.

Info
Professor Dr. Klaus Klemp ist Kurator und geschäftsführender Vorstand der Dieter und Ingeborg Rams Stiftung. Das „Dieter Rams Forum“ ist ab 11. November im Museum Angewandte Kunst, Frankfurt, Schaumainkai 17, geöffnet. Weitere Informationen: www.museumangewandtekunst.de
 
Fotogalerie:
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6. November 2023, 15.58 Uhr
Jasmin Schülke
 
Jasmin Schülke
Studium der Publizistik und Kunstgeschichte an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Seit Oktober 2021 Chefredakteurin beim Journal Frankfurt. – Mehr von Jasmin Schülke >>
 
 
 
 
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