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Manfred Großkinsky geht in den Ruhestand
Zwei lachende Augen
Nach 20 Jahren als Direktor des Museum Giersch geht Manfred Großkinsky Ende dieses Jahres in den Ruhestand. Glaubte zu Beginn kaum jemand, dass sich das Haus lange würde halten können, erfährt das Museum dank Großkinksys Weitsicht heute breite Anerkennung. Ein Blick zurück – und nach vorn.
Seit 20 Jahren gibt es das Museum Giersch, 20 Jahre wurde es von Manfred Großkinsky geleitet. Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass das Haus erst unter seiner Hand zu dem wurde, was es heute ist. Was anfangs nur die vage Idee eines Museums für die Kronberger Künstlerkolonie war, entwickelte sich dank Großkinskys Weitsicht und kunsthistorischer Expertise zu dem Museum für die Kunst des Rhein-Main-Gebiets. Mit Ausstelungen wie „Die andere Moderne – Kunst und Künstler in den Ländern am Rhein 1900 bis 1922“, „Romantik im Rhein-Main- Gebiet“, „Ersehnte Freiheit. Abstraktion in den 1950er-Jahren“ und, aktuell zu sehen, „Georg Heck (1897–1982) – Retrospektive“ erarbeite sich das Museum mit regionalen Themen überregional einen hervorragenden Ruf. Glaubte zu Beginn kaum jemand, dass sich das Haus lange würde halten können, erfährt das Museum Giersch heute breite Anerkennung, auch unter den Kolleginnen und Kollegen von Städel und Co.
Für den Erfolg des Museum Giersch, das 2015 für 30 Jahre der Goethe-Univeristät übertragen wurde, hat der heute 65-Jährige in den vergangenen Jahren auf einiges verzichten müssen. Unter anderem auf seine Ehefrau, die er für den Umzug nach Frankfurt nach nur wenigen Monaten Beziehung in seiner Heimat Karlsruhe zurückgelassen hat. Seit 20 Jahren führt das Paar eine Wochenendbeziehung. Endlich einen normalen Alltag mit seiner Frau führen zu können, sagt Großkinsky, darauf freue er sich am meisten. Überhaupt habe seine Frau, ebenfalls eine renommierte Kunsthistorikerin und laut Großkinsky ein „Recherchegenie“ nicht unwesentlich zu dem heutigen Erfolg seines Museums beigetragen: „Wir sind auch kollegial verbunden, Kunst ist unser gemeinsames Interesse.“ Ohne ihre Unterstützung, so ist er überzeugt, hätte er die vergangenen beiden Jahrzehnte nicht durchgehalten.
In gewisser Weise ist das Museum Giersch auch schlicht einem Zufall zu verdanken, wenn man denn an Zufälle glaubt. Die kunsthistorische Karriere war Manfred Großkinsky nicht in die Wiege gelegt. „Meine Eltern haben mich kaum an Kunst und Kultur herangeführt. Wir sind weder ins Museum gegangen, noch motivierte man mich, ein Instrument zu lernen. Im Musikunterricht habe ich Blockflöte gespielt, aber das hat mich nicht wirklich begeistert“, erzählt Großkinsky. Ein Besuch der Ausstellung von Studierenden der Karlsruher Kunstakademie mit dem Kunstkurs seines Gymnasiums bewirkte den entscheidenden Anstoß: „Ich lief in ein Atelier, dort saß jemand auf dem Boden und las in einem Buch. Als er mich sah, rief er aus: ‚Ich lese dir jetzt etwas vor!‘ Es waren die Tagebücher von Max Beckmann. Ich weiß nicht mehr, ob ich damals alles verstanden habe, aber die Begeisterung dieses Studenten hat mir gefallen. Bei dem Besuch der Kunstakademie ist mir aufgegangen: Die Menschen, die mit Kunst zu tun haben, sind anders. Das ist eine andere Welt.“ Zu dieser Welt wollte Manfred Großkinsky, der aus einem sehr auf Etikette bedachten Elternhaus stammt, gehören. „Ich habe instinktiv gewusst: Dort ist der Aus- weg. Das ist die Welt, die du suchst. Und seitdem hänge ich an der Kunst.“
Der daraufhin geschlossene Plan sah ursprünglich vor, Innenarchitektur zu studieren. Großkinsky wollte selbst kreativ werden. Er scheiterte an dem Numerus Clausus und schrieb sich, eigentlich nur als Zwischenlösung, für Kunstgeschichte ein. Eine gute Entscheidung, wie Manfred Großkinsky heute sagen kann. „Mir hat Kunstgeschichte so gut gefallen, dass ich dabeigeblieben bin.“ Als Museumsdirektor ist er zwar nicht kreativ in der Art, wie er es als Innenarchitekt gewesen wäre, aber insbesondere die Arbeit an den Katalogen, die zu den Ausstellungen des Hauses ent- stehen, empfinde er als kreativen Schaffens- prozess. „Texte zu schreiben, Gedanken, die man im Kopf hat, aufs Papier zu bringen, ist meine Art, kreativ zu sein“. Seine Doktorarbeit schrieb er schließlich über Eugen Bracht, einen Landschafts- und Historienmaler, der eng mit der Darmstädter Künstlerkolonie verbunden war. So erwachte das Interesse an der Kunst des Rhein-Main-Gebiets. Aus dieser Doktorarbeit resultierte ein Ausstellungsprojekt auf der Mathildenhöhe. Später leitete er eine Galerie in Karlsruhe. „Das war ein harter Fulltime-Job“, erinnert sich Großkinsky, „und ein Leben am Existenzminimum.“ Als 1999 Carlo Giersch, Kunstsammler und Gründer der Stiftung Giersch, Manfred Großkinsky fragte, ob er nicht Lust habe, nach Frankfurt zu kommen und ein neues Museum zu eröffnen, musste der damals 45-Jährige nicht überlegen. „Mein Partner, mit dem ich die Galerie in Karlsruhe führte, sagte sofort, dass ich das Angebot annehmen müsse.“
Innerhalb eines Jahres vollbrachte Großkinsky ein kleines Wunder: „Es gab viele Baufragen zu klären, das Haus musste umgerüstet werden, um die Voraussetzungen für den Museumsbetrieb zu erfüllen. Insbesondere die Sicherheitsbestimmun- gen“, erinnert sich Manfred Großkinsky. „Gleichzeitig musste die erste Ausstellung vorbereitet und der Kontakt zu Kollegin- nen und Kollegen aufgebaut werden.“ Anfangs arbeitete der frischgebackene Museumsdirektor nur mit einer Studentin, einige Jahre später kam ein Volontär hinzu, sukzessive wuchs das Team und damit die Ansprüche. Das haben auch die Kolleginnen und Kollegen anderer Häuser bemerkt. „Unter Manfred Großkinskys Leitung hat sich das Museum Giersch in den vergangenen zwei Jahrzehnten zu einem national wie international beachteten Ausstellungshaus für kunst- und kulturhistorische Themen der Region entwickelt“, resümiert Jochen Sander, stellvertretender Direktor und Leiter der Sammlung „Deutsche, Holländische und Flämische Malerei vor 1800“ am Städel Museum, die Arbeit seines Kollegen. Dem Team um Großkinsky sei gelungen, immer wieder ein „eindrucksvolles Panorama der Kunst im Rhein-Main-Gebiet zu entfalten, bei dem vielfach bedeutende Künstlerinnen und Künstler auch jenseits des etablierten Kanons wiederzuentdecken waren.“ Und auch in der Innenstadt findet man anerkennende Worte für die Arbeit Groß- kinskys. „Manfred Großkinsky hat eine wirklich beeindruckende Reihe von Ausstellungsprojekten mit kleinem Team und großem persönlichem Einsatz realisiert – und zwar meistens in der Rolle des Kurators, was außergewöhnlich ist“, sagt Jan Gerchow, Direktor des Historischen Museums. „Insbesondere seine über 30 Ausstellungen zur regionalen Kunst haben einen lange wenig beachteten und nur noch wenig bekannten künstlerischen Kosmos wieder ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gehoben. Wir werden ihn vermissen!“
Auch Manfred Großkinsky wird sein Museum und Frankfurt vermissen, mit seinem Ruhestand zieht er zurück nach Karlsruhe. Das Museum Giersch, sagt er, sei ein Teil von ihm und werde es immer bleiben, dennoch schaue er seinem Abschied positiv entgegen; es sei an der Zeit, loszulassen. „Ich habe keine Angst, es ist an der Zeit. Ich freue mich auf das neue Jahr, auf die Zeit mit meiner Frau und auf einen leeren Terminkalender. Ich schaue dem Abschied mit zwei lachenden Augen entgegen.“ Er sei zufrieden mit seiner Arbeit, denn er habe „rausgeholt, was rauszuholen war“. Die Ideen werden dem Team dank Manfred Großkinskys Ehrgeiz so schnell nicht ausgehen, schon 1999 habe er sich einen ganzen Tag hingesetzt und Themen für 30 Jahre aufgeschrieben. „Ich trage dieses Haus in mir – aber es geht hier nicht um mich. Es geht um das Museum, es geht um das Team. Nicht ich habe das Museum geprägt, sondern das Team – und das wird weitermachen.“
Für den Erfolg des Museum Giersch, das 2015 für 30 Jahre der Goethe-Univeristät übertragen wurde, hat der heute 65-Jährige in den vergangenen Jahren auf einiges verzichten müssen. Unter anderem auf seine Ehefrau, die er für den Umzug nach Frankfurt nach nur wenigen Monaten Beziehung in seiner Heimat Karlsruhe zurückgelassen hat. Seit 20 Jahren führt das Paar eine Wochenendbeziehung. Endlich einen normalen Alltag mit seiner Frau führen zu können, sagt Großkinsky, darauf freue er sich am meisten. Überhaupt habe seine Frau, ebenfalls eine renommierte Kunsthistorikerin und laut Großkinsky ein „Recherchegenie“ nicht unwesentlich zu dem heutigen Erfolg seines Museums beigetragen: „Wir sind auch kollegial verbunden, Kunst ist unser gemeinsames Interesse.“ Ohne ihre Unterstützung, so ist er überzeugt, hätte er die vergangenen beiden Jahrzehnte nicht durchgehalten.
In gewisser Weise ist das Museum Giersch auch schlicht einem Zufall zu verdanken, wenn man denn an Zufälle glaubt. Die kunsthistorische Karriere war Manfred Großkinsky nicht in die Wiege gelegt. „Meine Eltern haben mich kaum an Kunst und Kultur herangeführt. Wir sind weder ins Museum gegangen, noch motivierte man mich, ein Instrument zu lernen. Im Musikunterricht habe ich Blockflöte gespielt, aber das hat mich nicht wirklich begeistert“, erzählt Großkinsky. Ein Besuch der Ausstellung von Studierenden der Karlsruher Kunstakademie mit dem Kunstkurs seines Gymnasiums bewirkte den entscheidenden Anstoß: „Ich lief in ein Atelier, dort saß jemand auf dem Boden und las in einem Buch. Als er mich sah, rief er aus: ‚Ich lese dir jetzt etwas vor!‘ Es waren die Tagebücher von Max Beckmann. Ich weiß nicht mehr, ob ich damals alles verstanden habe, aber die Begeisterung dieses Studenten hat mir gefallen. Bei dem Besuch der Kunstakademie ist mir aufgegangen: Die Menschen, die mit Kunst zu tun haben, sind anders. Das ist eine andere Welt.“ Zu dieser Welt wollte Manfred Großkinsky, der aus einem sehr auf Etikette bedachten Elternhaus stammt, gehören. „Ich habe instinktiv gewusst: Dort ist der Aus- weg. Das ist die Welt, die du suchst. Und seitdem hänge ich an der Kunst.“
Der daraufhin geschlossene Plan sah ursprünglich vor, Innenarchitektur zu studieren. Großkinsky wollte selbst kreativ werden. Er scheiterte an dem Numerus Clausus und schrieb sich, eigentlich nur als Zwischenlösung, für Kunstgeschichte ein. Eine gute Entscheidung, wie Manfred Großkinsky heute sagen kann. „Mir hat Kunstgeschichte so gut gefallen, dass ich dabeigeblieben bin.“ Als Museumsdirektor ist er zwar nicht kreativ in der Art, wie er es als Innenarchitekt gewesen wäre, aber insbesondere die Arbeit an den Katalogen, die zu den Ausstellungen des Hauses ent- stehen, empfinde er als kreativen Schaffens- prozess. „Texte zu schreiben, Gedanken, die man im Kopf hat, aufs Papier zu bringen, ist meine Art, kreativ zu sein“. Seine Doktorarbeit schrieb er schließlich über Eugen Bracht, einen Landschafts- und Historienmaler, der eng mit der Darmstädter Künstlerkolonie verbunden war. So erwachte das Interesse an der Kunst des Rhein-Main-Gebiets. Aus dieser Doktorarbeit resultierte ein Ausstellungsprojekt auf der Mathildenhöhe. Später leitete er eine Galerie in Karlsruhe. „Das war ein harter Fulltime-Job“, erinnert sich Großkinsky, „und ein Leben am Existenzminimum.“ Als 1999 Carlo Giersch, Kunstsammler und Gründer der Stiftung Giersch, Manfred Großkinsky fragte, ob er nicht Lust habe, nach Frankfurt zu kommen und ein neues Museum zu eröffnen, musste der damals 45-Jährige nicht überlegen. „Mein Partner, mit dem ich die Galerie in Karlsruhe führte, sagte sofort, dass ich das Angebot annehmen müsse.“
Innerhalb eines Jahres vollbrachte Großkinsky ein kleines Wunder: „Es gab viele Baufragen zu klären, das Haus musste umgerüstet werden, um die Voraussetzungen für den Museumsbetrieb zu erfüllen. Insbesondere die Sicherheitsbestimmun- gen“, erinnert sich Manfred Großkinsky. „Gleichzeitig musste die erste Ausstellung vorbereitet und der Kontakt zu Kollegin- nen und Kollegen aufgebaut werden.“ Anfangs arbeitete der frischgebackene Museumsdirektor nur mit einer Studentin, einige Jahre später kam ein Volontär hinzu, sukzessive wuchs das Team und damit die Ansprüche. Das haben auch die Kolleginnen und Kollegen anderer Häuser bemerkt. „Unter Manfred Großkinskys Leitung hat sich das Museum Giersch in den vergangenen zwei Jahrzehnten zu einem national wie international beachteten Ausstellungshaus für kunst- und kulturhistorische Themen der Region entwickelt“, resümiert Jochen Sander, stellvertretender Direktor und Leiter der Sammlung „Deutsche, Holländische und Flämische Malerei vor 1800“ am Städel Museum, die Arbeit seines Kollegen. Dem Team um Großkinsky sei gelungen, immer wieder ein „eindrucksvolles Panorama der Kunst im Rhein-Main-Gebiet zu entfalten, bei dem vielfach bedeutende Künstlerinnen und Künstler auch jenseits des etablierten Kanons wiederzuentdecken waren.“ Und auch in der Innenstadt findet man anerkennende Worte für die Arbeit Groß- kinskys. „Manfred Großkinsky hat eine wirklich beeindruckende Reihe von Ausstellungsprojekten mit kleinem Team und großem persönlichem Einsatz realisiert – und zwar meistens in der Rolle des Kurators, was außergewöhnlich ist“, sagt Jan Gerchow, Direktor des Historischen Museums. „Insbesondere seine über 30 Ausstellungen zur regionalen Kunst haben einen lange wenig beachteten und nur noch wenig bekannten künstlerischen Kosmos wieder ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gehoben. Wir werden ihn vermissen!“
Auch Manfred Großkinsky wird sein Museum und Frankfurt vermissen, mit seinem Ruhestand zieht er zurück nach Karlsruhe. Das Museum Giersch, sagt er, sei ein Teil von ihm und werde es immer bleiben, dennoch schaue er seinem Abschied positiv entgegen; es sei an der Zeit, loszulassen. „Ich habe keine Angst, es ist an der Zeit. Ich freue mich auf das neue Jahr, auf die Zeit mit meiner Frau und auf einen leeren Terminkalender. Ich schaue dem Abschied mit zwei lachenden Augen entgegen.“ Er sei zufrieden mit seiner Arbeit, denn er habe „rausgeholt, was rauszuholen war“. Die Ideen werden dem Team dank Manfred Großkinskys Ehrgeiz so schnell nicht ausgehen, schon 1999 habe er sich einen ganzen Tag hingesetzt und Themen für 30 Jahre aufgeschrieben. „Ich trage dieses Haus in mir – aber es geht hier nicht um mich. Es geht um das Museum, es geht um das Team. Nicht ich habe das Museum geprägt, sondern das Team – und das wird weitermachen.“
27. Dezember 2019, 11.52 Uhr
Ronja Merkel
Ronja Merkel
Jahrgang 1989, Kunsthistorikerin, von Mai 2014 bis Oktober 2015 leitende Kunstredakteurin des JOURNAL FRANKFURT, von September 2018 bis Juni 2021 Chefredakteurin. Mehr von Ronja
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