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Karl Heinrich Ulrichs-Ausstellung im Goethe-Haus
Späte Ehre für einen Schwulen
Karl Heinrich Ulrichs war im 19. Jahrhundert ein Pionier der Schwulenbewegung. 1864 wurde er deswegen vom Freien Deutschen Hochstift ausgeschlossen. Nun widmet es ihm eine Ausstellung im Goethe-Haus.
Vielleicht hätte er lieber im Jahr 2000 geboren werden sollen, dieser "Herr Ulrichs". Für einen gewissen Herrn Alois Geigel, einem Mediziner aus Würzburg, schien dieser "Herr Ulrichs" nicht in seine Zeit – das 19. Jahrhundert – zu passen. Und nicht an den Ort. Er solle sich lieber an den Nordpol begeben und „gütigst unsere deutsche Erde verschonen“. Was dieser Herr Ulrichs, Karl Heinrich Ulrichs, getan hat, dass er die Verbannung verdient? Er war ein Urning.
Wer oder was ist nun ein Urning? Das ist einer, der einen „animalischen Magnetismus“ verspürt. Später sagte man Homosexualität dazu, heute sagt man einfach: schwul. 1864 war es in Deutschland noch ein Problem, dieser Neigung nachzugehen und sich dazu zu bekennen. Der Jurist und Journalist Ulrichs hat es dennoch getan – und wurde deshalb aus dem Freien Deutschen Hochstift in Frankfurt ausgeschlossen.
Die Geschichte ist keine ganz unbekannte. Der Sexualwissenschaftler Volkmar Sigusch hat Ulrichs im Jahr 2000 eine Biografie gewidmet und ihn als „ersten Schwulen der Weltgeschichte“ bezeichnet. Nun setzt sich auch das Hochstift erstmals mit ihr auseinander: in einer Ausstellung mit dem Titel „Ausschluss eines Schwulen“. Sie wird nur kurz zu sehen sein, bis zum 25. Mai, denn sie ist spontan entstanden, als vermeldet wurde, dass der Ortsbeirat 1 einen Platz an der Weißadlergasse nach Ulrichs benennen will. Am 17. Mai ist es soweit. Den Anstoß dazu hat der ehrenamtliche Stadtrat und professionelle Stadtführer Christian Setzepfandt gegeben.
Die Ausstellung, die im Arkadensaal gezeigt wird, ist in drei Teile gegliedert: Hochstifter, Gedankenstifter, Unruhestifter. Erzählt wird der Werdegang anhand von Originaldokumenten wie Briefen und Akten, aber auch mit Audio- und Videoinstallationen. In einer ist ein Ausschnitt aus Rosa von Praunheims Dokumentar-Film „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation in der er lebt“ von 1971 zu sehen.
Karl Heinrich Ulrichs vertrat die Theorie, dass es drei Geschlechter gebe: Neben dem männlichen und weiblichen auch eben die Urninge, benannt nach der Göttin Aphrodite Urania, die aus dem Geschlecht des Gottes Uranos entstand. Ulrichs ging davon aus, dass es Männer gebe, in denen eine weibliche Seele wohne. Weil seiner Ansicht nach nichts Krankhaftes an diesem Trieb ist, sollte sein Ausleben auch nicht unter Strafe gestellt werden. Ulrichs bekannte sich öffentlich als „Urning“. Das Hochstift schloss ihn aus, ohne ihn vorher anzuhören. Ulrich verteidigte sich mit wissenschaftlichen Abhandlungen, um seine Theorie zu belegen, doch es blieb beim Ausschluss. Konrad Heumann, Kurator der Ausstellung, hält es für möglich, dass ein "Bursche", also eine männliche Prostituierte, Ulrichs denunziert haben könnte.
Im Jahr 1867 trug UIrichs auf dem Juristentag in München seine Forderungen zur Homosexualität vor, was einen Tumult auslöste. 1872 trat im Deutschen Reich Paragraf 175 des Strafgesetzbuches in Kraft, der den Sex zwischen Männern sowie zwischen Menschen und Tieren verbot (er wurde erst 1994 aufgehoben). Wegen der damit zunehmenden Schwulenverfolgung ging Ulrichs 1880 ins Exil nach Italien, wo er 1895 starb.
Auch über die "animalischen Magnetismus" hinaus war Ulrichs ein fortschrittlicher Geist: Er war gegen die Todesstrafe und trat für ein großdeutsches Reich mit Slaven ein, in dem gleiche Rechte für alle galten, außerdem war er ein Experte des Lateinischen und engagierte sich, es zur Lingua franca der Gebildeten zu machen.
>> Ausschluss eines Schwulen - Karl Heinrich Ulrichs und das Freie Deutsche Hochstift, Ausstellung, 8.-25. Mai, Goethe-Haus, Großer Hirschgraben 23-25. Der Platz wird am 17. Mai benannt.
Wer oder was ist nun ein Urning? Das ist einer, der einen „animalischen Magnetismus“ verspürt. Später sagte man Homosexualität dazu, heute sagt man einfach: schwul. 1864 war es in Deutschland noch ein Problem, dieser Neigung nachzugehen und sich dazu zu bekennen. Der Jurist und Journalist Ulrichs hat es dennoch getan – und wurde deshalb aus dem Freien Deutschen Hochstift in Frankfurt ausgeschlossen.
Die Geschichte ist keine ganz unbekannte. Der Sexualwissenschaftler Volkmar Sigusch hat Ulrichs im Jahr 2000 eine Biografie gewidmet und ihn als „ersten Schwulen der Weltgeschichte“ bezeichnet. Nun setzt sich auch das Hochstift erstmals mit ihr auseinander: in einer Ausstellung mit dem Titel „Ausschluss eines Schwulen“. Sie wird nur kurz zu sehen sein, bis zum 25. Mai, denn sie ist spontan entstanden, als vermeldet wurde, dass der Ortsbeirat 1 einen Platz an der Weißadlergasse nach Ulrichs benennen will. Am 17. Mai ist es soweit. Den Anstoß dazu hat der ehrenamtliche Stadtrat und professionelle Stadtführer Christian Setzepfandt gegeben.
Die Ausstellung, die im Arkadensaal gezeigt wird, ist in drei Teile gegliedert: Hochstifter, Gedankenstifter, Unruhestifter. Erzählt wird der Werdegang anhand von Originaldokumenten wie Briefen und Akten, aber auch mit Audio- und Videoinstallationen. In einer ist ein Ausschnitt aus Rosa von Praunheims Dokumentar-Film „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation in der er lebt“ von 1971 zu sehen.
Karl Heinrich Ulrichs vertrat die Theorie, dass es drei Geschlechter gebe: Neben dem männlichen und weiblichen auch eben die Urninge, benannt nach der Göttin Aphrodite Urania, die aus dem Geschlecht des Gottes Uranos entstand. Ulrichs ging davon aus, dass es Männer gebe, in denen eine weibliche Seele wohne. Weil seiner Ansicht nach nichts Krankhaftes an diesem Trieb ist, sollte sein Ausleben auch nicht unter Strafe gestellt werden. Ulrichs bekannte sich öffentlich als „Urning“. Das Hochstift schloss ihn aus, ohne ihn vorher anzuhören. Ulrich verteidigte sich mit wissenschaftlichen Abhandlungen, um seine Theorie zu belegen, doch es blieb beim Ausschluss. Konrad Heumann, Kurator der Ausstellung, hält es für möglich, dass ein "Bursche", also eine männliche Prostituierte, Ulrichs denunziert haben könnte.
Im Jahr 1867 trug UIrichs auf dem Juristentag in München seine Forderungen zur Homosexualität vor, was einen Tumult auslöste. 1872 trat im Deutschen Reich Paragraf 175 des Strafgesetzbuches in Kraft, der den Sex zwischen Männern sowie zwischen Menschen und Tieren verbot (er wurde erst 1994 aufgehoben). Wegen der damit zunehmenden Schwulenverfolgung ging Ulrichs 1880 ins Exil nach Italien, wo er 1895 starb.
Auch über die "animalischen Magnetismus" hinaus war Ulrichs ein fortschrittlicher Geist: Er war gegen die Todesstrafe und trat für ein großdeutsches Reich mit Slaven ein, in dem gleiche Rechte für alle galten, außerdem war er ein Experte des Lateinischen und engagierte sich, es zur Lingua franca der Gebildeten zu machen.
>> Ausschluss eines Schwulen - Karl Heinrich Ulrichs und das Freie Deutsche Hochstift, Ausstellung, 8.-25. Mai, Goethe-Haus, Großer Hirschgraben 23-25. Der Platz wird am 17. Mai benannt.
7. Mai 2015, 12.00 Uhr
Lukas Gedziorowski
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