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Jüdisches Museum
Vom Ausgraben der Bilder
In seiner neuen Ausstellung „Zurück ins Licht“ zeigt das Jüdische Museum vier beinahe vergessene Frankfurter Künstlerinnen, die in den 1920er Jahren die Kunstszene der Stadt prägten. Elianna Renner ergänzt mit assoziativer Videokunst.
Die Kamera blendet auf. Mittig vorm Gebäude, in dem sich heute eine Pietät befindet, steht ein schwarzes Rednerpult. Elisa Klapheck tritt von links ins Bild. „Bruchim Habaim“, begrüßt die Rabbinerin ihre Zuhörerinnen und Zuhörer. „Wir stehen hier in der Lange Straße Nummer 33, in Frankfurt am Main, dem einstigen Wohnort von Frau Amalie Seckbach, geborene Buch, und gedenken ihrer großen Sammlung asiatischer Farbkunstdrucke aus dem 17. und 18. Jahrhundert.“ Jene Bilder hat die Frankfurter Sammlerin und Künstlerin kurz vor ihrer Deportation am 15. September 1942 ins KZ Theresienstadt im Keller des Hauses in einem Erdloch vergraben. Gefunden wurden sie bis heute nicht.
80 Jahre später wirft dieser Akt für Elianna Renner viele Fragen auf. Warum hat Amalie Seckbach sich für diesen Schritt entschieden? Warum nicht ihre Bilder an Freunde geben, die sie womöglich hätten bewahren können? Und, schließlich eine Frage, die Renner umtreibt, weil sie etwas über das Menschsein an sich erzählen kann: „Wie verabschieden wir uns von der Kunst?“
Elianna Renner ist Schweizerin, Jüdin, selbst Künstlerin. 2000 kam sie aus Luzern mit ihrer Punkband nach Bremen, wo sie sich an der Kunsthochschule einschreibt. Die Schoa war in ihrer Familie stets Thema: „Nie begegnete Familienangehörige tauchten regelmäßig in Erzählungen auf. Sie hinterließen zwar Lücken, doch die Geschichten machten sie lebendig,“ erklärte sie der Jüdischen Allgemeinen. Vielleicht hat es sich Renner deshalb zur Aufgabe gemacht, zum Verschwinden gebrachte Biografien künstlerisch zurückzubringen. Gerade hat sie mehrere Videoarbeiten für das Jüdische Museum fertiggestellt, darunter die inszenierte Gedenkveranstaltung oder ein fiktives Zoom-Interview zwischen Seckbach und der Schriftstellerin Elena Makarova. Sie ergänzen die Ausstellung „Zurück ins Licht“, in der vier jüdische Künstlerinnen aus Frankfurt wiederzuentdecken sind. Alle haben zu Lebzeiten mit ihrer Kunst reüssiert, lokal und international ausgestellt. Der Nationalsozialismus und die Schoa haben ihr Leben und Arbeiten auf unterschiedliche Weise jäh durchbrochen.
Neben Bildhauerin und Malerin Amalie Seckbach (1870–1944) galt Renners Augenmerk Ruth Cahn (1875–1966). Cahn, die früh in Paris Erfolge feiern konnte, ist Thema einer mehrteiligen Videoinstallation, die das künstlerische Treiben in ihrer Galerie auf assoziative Weise einfängt. Selbst der Fauvismus kehrt in Gestalt des Frankfurter Palmengartens zurück ins Bild. Die beiden weiteren nun vorgestellten Künstlerinnen sind Zeichnerin, Malerin und Holzbildhauerin Rosy Lilienfeld (1896-1942) sowie die Autorin, Zeichnerin und Illustratorin Erna Pinner (1890-1987).
Elianna Renner studiert Fakten, biografische Eckdaten, aber auch Anekdoten. Das Vergraben der liebgewonnenen Bilder, das unter der Matratze geglättete Butterbrotpapier als notdürftiger Bilduntergrund (Seckbach malte auch als über 70-Jährige im KZ noch weiter). „Ist es nicht viel besser, durch solche Dinge erinnert zu werden als durch den Umstand, von wann bis wann man eine Grundschule besucht hat?“, fragt Renner rhetorisch. Ihre Arbeiten sind künstlerische Ergänzung von Lücken und Leerstellen, aber keine Hinzudichtung. Frei vom Kostümreigen eines Re-Enactments katapultiert sie die Geschichte ihrer Protagonistinnen in eine zeitgenössische Form, der sich ihr Publikum nicht so leicht entziehen kann.
>> „Zurück ins Licht. Vier Künstlerinnen – Ihre Werke. Ihre Wege“, Jüdisches Museum, bis 17. April 2023, weitere Informationen unter www.juedischesmuseum.de
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Dieser Text ist auch in der Dezember-Ausgabe (12/22) des JOURNAL FRANKFURT erschienen. Den Link zum ePaper finden Sie hier.
80 Jahre später wirft dieser Akt für Elianna Renner viele Fragen auf. Warum hat Amalie Seckbach sich für diesen Schritt entschieden? Warum nicht ihre Bilder an Freunde geben, die sie womöglich hätten bewahren können? Und, schließlich eine Frage, die Renner umtreibt, weil sie etwas über das Menschsein an sich erzählen kann: „Wie verabschieden wir uns von der Kunst?“
Elianna Renner ist Schweizerin, Jüdin, selbst Künstlerin. 2000 kam sie aus Luzern mit ihrer Punkband nach Bremen, wo sie sich an der Kunsthochschule einschreibt. Die Schoa war in ihrer Familie stets Thema: „Nie begegnete Familienangehörige tauchten regelmäßig in Erzählungen auf. Sie hinterließen zwar Lücken, doch die Geschichten machten sie lebendig,“ erklärte sie der Jüdischen Allgemeinen. Vielleicht hat es sich Renner deshalb zur Aufgabe gemacht, zum Verschwinden gebrachte Biografien künstlerisch zurückzubringen. Gerade hat sie mehrere Videoarbeiten für das Jüdische Museum fertiggestellt, darunter die inszenierte Gedenkveranstaltung oder ein fiktives Zoom-Interview zwischen Seckbach und der Schriftstellerin Elena Makarova. Sie ergänzen die Ausstellung „Zurück ins Licht“, in der vier jüdische Künstlerinnen aus Frankfurt wiederzuentdecken sind. Alle haben zu Lebzeiten mit ihrer Kunst reüssiert, lokal und international ausgestellt. Der Nationalsozialismus und die Schoa haben ihr Leben und Arbeiten auf unterschiedliche Weise jäh durchbrochen.
Neben Bildhauerin und Malerin Amalie Seckbach (1870–1944) galt Renners Augenmerk Ruth Cahn (1875–1966). Cahn, die früh in Paris Erfolge feiern konnte, ist Thema einer mehrteiligen Videoinstallation, die das künstlerische Treiben in ihrer Galerie auf assoziative Weise einfängt. Selbst der Fauvismus kehrt in Gestalt des Frankfurter Palmengartens zurück ins Bild. Die beiden weiteren nun vorgestellten Künstlerinnen sind Zeichnerin, Malerin und Holzbildhauerin Rosy Lilienfeld (1896-1942) sowie die Autorin, Zeichnerin und Illustratorin Erna Pinner (1890-1987).
Elianna Renner studiert Fakten, biografische Eckdaten, aber auch Anekdoten. Das Vergraben der liebgewonnenen Bilder, das unter der Matratze geglättete Butterbrotpapier als notdürftiger Bilduntergrund (Seckbach malte auch als über 70-Jährige im KZ noch weiter). „Ist es nicht viel besser, durch solche Dinge erinnert zu werden als durch den Umstand, von wann bis wann man eine Grundschule besucht hat?“, fragt Renner rhetorisch. Ihre Arbeiten sind künstlerische Ergänzung von Lücken und Leerstellen, aber keine Hinzudichtung. Frei vom Kostümreigen eines Re-Enactments katapultiert sie die Geschichte ihrer Protagonistinnen in eine zeitgenössische Form, der sich ihr Publikum nicht so leicht entziehen kann.
>> „Zurück ins Licht. Vier Künstlerinnen – Ihre Werke. Ihre Wege“, Jüdisches Museum, bis 17. April 2023, weitere Informationen unter www.juedischesmuseum.de
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Dieser Text ist auch in der Dezember-Ausgabe (12/22) des JOURNAL FRANKFURT erschienen. Den Link zum ePaper finden Sie hier.
25. November 2022, 10.31 Uhr
kjc
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