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Foto: Harald Schröder
Foto: Harald Schröder

Hip-Hop in Frankfurt

„Kunst und Popkultur kommen hier in einem besonderen Sampling zusammen“

Im Interview mit dem JOURNAL FRANKFURT spricht Sebastian Baden, Direktor der Schirn Kunsthalle, über den Hip-Hop als künstlerische Ausdrucksform und die Stadt Frankfurt als dessen Drehkreuz.
JOURNAL FRANKFURT: Herr Baden, im letzten Jahr wurde Hip-Hop offiziell 50 Jahre alt. 2024 präsentiert nun die Schirn mit „The Culture“ eine große Jubiläumsschau. Was gibt es hier zu sehen – und warum hat sich die Kunsthalle für dieses Thema entschieden?
SEBASTIAN BADEN: Die Ausstellung zeigt Werke internationaler, vor allem in den USA lebender Künstlerinnen und Künstler, deren Arbeit durch die Hip-Hop-Kultur beeinflusst ist. Es geht dabei weniger um Fankultur als um Fragen der Gesellschaftskritik und kulturellen Identität, wie sie im Hip-Hop als revolutionärer Bewegung gestellt wurden.
Gemälde, Skulpturen, Fotos, Videos und Installationen, aber auch Mode prägen die Ausstellung. Überall sind Verweise auf Musiker, Vorbilder, Styles oder visuelle Codes zu
entdecken. Für die Schirn und unser Publikum bildet dieses Thema einen wichtigen und jungen Teil unserer Gesellschaft ab. Kunst und Popkultur kommen so in einem besonderen Sampling zusammen.

Die Ausstellung wurde ursprünglich in den USA präsentiert, im Baltimore Museum of Art in Maryland und im Saint Louis Art Museum in Missouri. Auch Sie haben die Schau vor Ort in Baltimore besucht. Welchen Eindruck haben Sie von dort mitgenommen?
Ich habe die Eröffnungstage im Baltimore Museum of Art besucht, um das kuratorische Team und beteiligte Künstler:innen persönlich kennenzulernen, darunter der aus Baltimore stammende Derrick Adams. Das war eine mitreißende und euphorische Begegnung, auch außerhalb des Museums. Das Publikum und besonders die lokale Kunstszene in den USA sind begeistert gewesen, dass Hip-Hop über die Kunst nun auch das Museum erobert. Darin spiegelt sich auch die Erweiterung, das Aufbrechen des westlichen kunstgeschichtlichen Kanons.

„Ich erkenne im Hip-Hop eine vielseitige künstlerische Ausdrucksform, die visuelle Kultur und Kunst an vielen Stellen verbindet“

Die Vereinnahmung einer (ursprünglichen) Subkultur durch die Kunst und schließlich den Museumsbetrieb kann einen faden Beigeschmack bekommen. Im Hip-Hop allerdings schien man immer weniger Angst vorm Ausverkauf, sondern im Gegenteil die Eroberung der Massen stets zelebriert zu haben. Oder ist dieses Bild ein bisschen zu romantisch?
Ich erkenne im Hip-Hop eine vielseitige künstlerische Ausdrucksform, die visuelle Kultur und Kunst an vielen Stellen verbindet. Institutionskritik, Aneignung, Kopie und Collage sind künstlerische Strategien, die auch einem breiten Publikum Spaß machen. Für die vom Hip-Hop beeinflussten Künstlerinnen und Künstler bedeutet die Ausstellung internationale Sichtbarkeit, für Hip-Hop-Musikerinnen und -Musiker ist damit die Bespielung einer neuen Bühne verbunden; man denke nur an Beyoncé und Jay-Z, deren spektakuläres Video im Louvre gedreht wurde und damit die Kunstgeschichte gerade mal umgedreht hat.

Für ein Frankfurter Publikum dürfte es überraschend sein, wie stark die ehemalige Subkultur auch in der zeitgenössischen Kunst ihren Einschlag fand. Wie war das für Sie – sind Sie erstmalig über The Culture mit vielen Werken in Kontakt gekommen, oder kannten Sie die schon?
Es wird sicher überraschende Momente in der Ausstellung geben, wo Themen und Texte oder Bilder zu finden sind, die weniger bekannte Aspekte des Hip-Hop aufgreifen. Für mich war klar, dass es diesen Einfluss des Hip-Hop auf die bildende Kunst gibt und dass wir die erste Ausstellung dazu zeigen, am besten in Kooperation mit Partnern aus den USA; dort kommt diese Subkultur schließlich her. Es geht uns nicht um Devotionalien oder Szenefotos, sondern um reflektierte Kunst, die Hip-Hop-Elemente bewusst aufgreift und sogar zelebriert. Meine Highlights sind die Installation von Stan Douglas, die wir in Kooperation mit dem Kunstverein Familie Montez im Ostend zeigen, sowie die Gemälde von Tschabalala Self und Monica Ikegwu, die selbstbewusste weibliche Persönlichkeiten vorstellen, ganz klassisch in Öl auf Leinwand festgehalten.

„The Culture“ in der Schirn nimmt Frankfurt als internationales Drehkreuz in den Blick

Hip-Hop hat, mit einiger Verspätung, die ganze Welt erreicht – und von Japan bis Deutschland, hier spezifisch in Frankfurt, Musikerinnen und Musiker, Jugend, Popkultur geprägt. Einige US-Stars haben zeitweilig sogar hier gewohnt. Wird es lokale Bezüge im Ausstellungsprogramm geben – oder ist die Schau eine mit explizit US-amerikanischem Fokus?
Die ausgestellten Kunstwerke haben klar einen Bezug zu ihrem Ursprung in den USA. Wir nehmen aber Frankfurt als internationales Drehkreuz in den Blick und laden Protagonist:innen und Akteur:innen aus der Hip-Hop-Szene ein, die das Programm mit uns gestalten, etwa in Form eines Re-Enactments des VIVA-TV-Formats „Word Cup“, sogar moderiert von Tyron Ricketts. Es werden aber auch einige junge Talente bei uns eine Bühne finden, was ja für das Programm der Schirn ganz typisch ist.

Viel eher noch als mit Bildender Kunst bringt man Hip-Hop mit der Angewandten zusammen: Als Popkultur mit Breitenwirkung hat die Musik Mode, Labels, Werbung und Alltagsprodukte beeinflusst. Auch die Schirn bezieht Designobjekte in die Ausstellung ein. Wen oder was gibt es hier zu sehen?
Ja, Luxus, Marken, Stil und Mode sind ein besonderes Feature des Hip-Hop und unserer Ausstellung. Es freut mich, dass wir mit Modedesigns von Virgil Abloh oder Fashion bekannter Luxuslabels auch diese Ebene in der Ausstellung haben. Und natürlich wird es auch Schallplatten und Cover-Art zu sehen geben, allen voran die ikonische Arbeit von Jean-Michel Basquiat und Rammellzee.
 
Fotogalerie:
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3. April 2024, 11.59 Uhr
Katharina Cichosch
 
Katharina Cichosch
 
 
 
 
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