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Gesichter der Stadt

„Die Männer sind durchgefallen“

Wanda Pratschke ist seit mehr als 60 Jahren Künstlerin. Im Interview erklärt sie, warum sie den Flow braucht und starke Frauen mag, die Queen aber nicht ihr Typ ist.
JOURNAL FRANKFURT: Frau Pratschke, Sie haben kürzlich eine monumentale Skulptur fertiggestellt: einen Kopf der verstorbenen Queen Elizabeth. Erzählen Sie uns von Ihrer neuesten Arbeit!
Wanda Pratschke: Das ist nicht der Kopf der Queen, sondern eine Hommage an Lucian Freud. So lautet der Titel. Jeder sieht, dass es die Queen ist, das muss man nicht noch darunter schreiben. Die Arbeit ist in einem neunmonatigen Prozess entstanden. Ich arbeite mit Gips und Beil.

War der Tod der Queen Auslöser für die Arbeit?
Nein, ich habe schon vor einigen Jahren eine mittelgroße Queen gefertigt, die ich allerdings nie ausgestellt habe. Davor habe ich die „Unbesiegbare“ gemacht. Ich muss in meinem Alter sehen, dass ich die Arbeiten, die ich mir vornehme, auch fertigstelle. Außerdem brauche ich noch ein paar große Arbeiten, die ich vielleicht mal in einem Museum ausstellen kann.

Über Heldinnen und starke Frauenfiguren

Die „Unbesiegbare“ und die „Queen“ sind starke Frauenfiguren. Andere Arbeiten heißen „Heldinnen“.
Ja, unbesiegbar ist natürlich auch autobiografisch. (lacht) Und ich halte ja auch schon fast so lange durch wie die Queen… Aber eigentlich ist sie nicht mein Typ.

Warum nicht?
Der finanzielle Aufwand, den sie betrieben hat, war groß. Sie hat die Tradition eisern verteidigt. Das ist aber nicht gut für das Volk. Es gibt viel Arbeitslose und Armut, da ist so ein Pomp nicht mehr angebracht.

Die Krönung von Charles III. soll über 100 Millionen Pfund gekostet haben.
Du lieber Gott!

Was reizt Sie an starken Frauenfiguren allgemein?

Frauen müssen sich als singuläre Frauen entwickeln. Sie sind stark, wenn sie eine eigene Biografie haben, um sich selbst zu behaupten. Das ist wichtig. Das kann natürlich nicht jede. Ich konnte das auch eine Zeit lang nicht, als ich noch zwei Töchter großziehen musste.

Pratschke: Männerplastiken haben nicht gehalten

Wann haben Sie angefangen, als Künstlerin zu arbeiten?
Ich bin vor dem Krieg geboren und ich bin auf dem Land bei meinem Großvater aufgewachsen. Da ist man einsam als Kind. Ich habe angefangen zu zeichnen und zu malen, um dieser Einsamkeit zu entkommen. Nach der Schule habe ich mich an der Meisterschule für das Kunsthandwerk beworben und das Fach Bühnenbild studiert.

Sie sind in den 1960er-Jahren nach Frankfurt gekommen. Was hat dazu den Ausschlag gegeben?
Nach meinem Studium habe ich mich mit meiner großen Mappe überall vorgestellt und bin hier in Frankfurt am Schauspielhaus gelandet. Im Bühnenbild wurden auch Modelle gebaut. Das Räumliche war etwas, das mir unheimlich Spaß gemacht hat. So kam ich zur Bildhauerei. Männerplastiken habe ich übrigens nie gearbeitet. Ich habe es versucht, hatte auch Modelle. Sie haben allerdings nicht durchgehalten. Deshalb sind die Männer durchgefallen.

Von glatten Oberflächen zu rauen

Viele Ihrer Arbeiten befinden sich im öffentlichen Raum: in den Wallanlagen, am Flughafen, vor der Goethe-Universität.
Das habe ich auch meinen Förderern, Sandra und Wilhelm Bender, zu verdanken. Kunst im öffentlichen Raum – das ist doch wunderbar! Das bekommt kaum jemand hin. Zehn meiner Arbeiten befinden sich in Hessen im öffentlichen Raum. Ich hatte das Glück, immer auf Menschen zu treffen, die mich gefördert haben. Ich hatte allerdings nicht das Glück, an der Städelschule, wo ich studierte, gefördert zu werden.

Wo wird die „Hommage an Lucian Freud“ zu sehen sein?
Nächstes Jahr werde ich 85 und es gibt zwei Ausstellungen, eine davon in der Galerie Hanna Bekker vom Rath. Da werde ich den Kopf der Queen zeigen.

Charakteristisch für Ihr Frühwerk war die glatte Oberfläche. Seit einigen Jahren erscheinen die Oberflächen Ihrer Bronzeskulpturen rau. Warum?
Ich hatte das Gefühl, dass ich eine Manieristin werde. Dann bin ich vor zwölf Jahren in die Bildhauerwerkstätten nach Berlin gefahren und habe zwei Monate lang dort mit Gips gearbeitet. Ich stellte zwei Monate nur Schrott her und habe mir gesagt: Ich muss mich jetzt mal anstrengen, damit ich auch etwas mitbringe. Es entstand das Modell für die „Unbesiegbare“, innerhalb von fünf Tagen. 2020 habe ich dann die große „Unbesiegbare“ entworfen, die 2022 an der Goethe-Universität aufgestellt wurde.

Alles fängt im Kopf an

Sie arbeiten seit über 60 Jahren als Künstlerin. Was treibt Sie an?
(überlegt) Was kann man dazu sagen? Mein Erfolg wahrscheinlich. Wenn Sie an so einer Arbeit wie dem Kopf der Queen sind und die Arbeit gelingt, entsteht ein Flow, ein Glücksgefühl. Das will man immer wieder haben. Dazwischen muss man kämpfen.

Kämpfen, wenn die Arbeit nicht so vorangeht, wie Sie es sich vorstellen?
Ja, ich gehe nach Hause und bin am zweifeln. Ich bin noch nicht im Flow. Dann beobachte ich meine Arbeiten und spüre, wo etwas nicht stimmt – und nehme das Beil und verändere sie rundum.

Das Los kreativer Menschen…
Es entsteht ja alles zunächst im Kopf. Sie müssen die Idee herausbringen. Wenn diese Idee materiell umgesetzt ist, dann ist das der größte Glücksmoment. Die „Schöne“ zum Beispiel (deutet auf ein Regal) ist innerhalb von drei Tagen entstanden. Ich habe gezeichnet, monatelang, mit einem Modell. Dann fing ich an zu modellieren, die Figur war da schon in meinem Kopf gespeichert und fertig.

Es steht noch einiges an

Als Bildhauerin arbeiten Sie sehr stark körperlich.
Ich konnte die Arbeit bis jetzt machen, aber ich halte nicht mehr ganztags durch. Lange Zeit habe ich meine Gipssäcke alleine die Treppe hochgeschleppt.

Was wird noch kommen?
Es müsste noch eine Museumsausstellung kommen. Außerdem werden noch ein paar kleinere Arbeiten entstehen, wie zum Beispiel die Bildhauerhand und Zeichnungen. Wenn ich die Kraft habe, könnte ich mir die Hand auch an der Wand vorstellen, circa zwei Meter groß. Irgendwann wird dann Schluss sein, aber da möchte ich noch nicht dran denken …
___________________________________________________________________
Zur Person: Wanda Pratschke wurde 1939 in Berlin geboren und besuchte die dortige Meisterschule für das Kunsthandwerk. Ihre Arbeiten waren auf zahlreichen Einzelausstellungen zu sehen. Die Künstlerin lebt in Frankfurt am Main. www.wanda-pratschke.de

>> Dieser Text erschien zuerst in der Juni-Ausgabe des JOURNAL FRANKFURT (6/23).
 
Fotogalerie:
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17. Juni 2023, 12.15 Uhr
Jasmin Schülke
 
Jasmin Schülke
Studium der Publizistik und Kunstgeschichte an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Seit Oktober 2021 Chefredakteurin beim Journal Frankfurt. – Mehr von Jasmin Schülke >>
 
 
 
 
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