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Frankfurter Kunstbetrieb
Sonja Yakovleva: hineingeschnitten und deutlich gemacht
Sonja Yakovleva hat sich ein volkstümliches Handwerk zu eigen gemacht. Mit dem, was sie in ihren Scherenschnitten zeigt, zählt sie zu den aufstrebenden Charakteren im Frankfurter Kunstbetrieb.
Man trifft sie in einem Bornheimer Nachbarschaftscafé, in ihrem Atelier oder im Boxclub. Die 1989 in Potsdam geborene und in St. Petersburg aufgewachsene Sonja Yakovleva hat seit dem Ende ihres Abschlusses an der Hochschule für Gestaltung ihre eigene Infrastruktur in Frankfurt gefunden. „Ich dachte immer, dieser Stadt eines Tages überdrüssig zu werden. Dann habe ich zu schätzen gelernt, wie schön es sein kann, Routinen aufgrund von Frankfurts Beschaulichkeit zu pflegen.“
Ihr künstlerisches Schaffen findet zwar hier statt, nimmt wider Erwarten aber eher auf nationaler Ebene Raum ein. So wird Yakovleva von der Galerie Robert Grunenberg in Berlin vertreten, war zuletzt mit der Einzelausstellung „Le Bestiaire d’Amour“ im Kunstraum Potsdam zu sehen und hält demnächst Einzug im Landesmuseum Stuttgart.
Yakovleva, die über das Kollektiv „Kulturvotzen-TV“ bekannt für scharfzüngige Zerrisse von Vernissagen und Messen ist, und auf ihren Social-Media-Kanälen nicht selten selbstkritisch den Kunstapparat hinterfragt, merkt an: „Natürlich steht mein Standort für die jährlichen Rundgänge von Städel und HfG. Aber neben ein paar Off-Spaces sind die Galerien dieser Stadt kein wirklicher Anlaufpunkt für Kunstschaffende wie mich.“
Die in Frankfurt zuletzt stattgefundene Solo-ausstellung Yakovlevas im Jahr 2022 fand deshalb in keinem klassischen White Cube, also keinem konsequent weiß gestalteten Raum, statt. Sie nutzte eine Kult- als Kunststätte und glich die darin üblicherweise ausgetragene Körperlichkeit der der Kunst an.
Wandfüllend: Yakovlevas Scherenschnitt in Ibras Boxing Club © Ivan Murzin
Mit Farbkontrasten bebildert die Künstlerin den neoliberalen Körperkult rund um das Thema „My body my temple“
Das zu diesem Zeitpunkt noch auf der Friedberger Landstraße, heute in Bockenheim gelegene Boxstudio „Ibra Boxing Gym“ zeigte über mehrere Monate und auf der gesamten Trainingsfläche verteilte Exponate. Zu sehen waren in Kleinstarbeit entstandene, teils großformatig ausgeführte Scherenschnitte von Trainingseinheiten, athletischen Körpern und pornografischen Szenen.
Mit feinen Silhouetten und Farbkontrasten bebilderte die Künstlerin dabei den neoliberalen Körperkult rund um das Thema „My body my temple“ und die Sakralisierung wie auch die Selbstermächtigung. Mehr noch, sie kreierte eine Ausstellung, in welcher die Rezeption dessen zwangsläufig irritierend schaulustige Konturen annahm und es den Anschein erweckte, Tabubrüche und sexualisierte Frauenkörper, statt autonomer Kunst zu sehen.
Gesellschaftskritik und Feminismus im Spannungsverhältnis von Sport, Sex, Sexualisierung und Selbstermächtigung
Über den Kunstgriff, das Althergebrachte und Wohlbekannte weniger zu verneinen, als es mimetisch herauszustellen und zu verfremden, machte sie es den Rezipienten einfach und zugleich schwer: Mit der Wahl eines leicht zugänglichen, häuslich konnotierten Mediums, bewährten Motiven und durch die seit jeher von Männern für Männer geschliffene Linse der unterhaltsam-pornografischen Körperlichkeit, Stichwort „Male Gaze“, transportierte Yakovelva ihre gesellschaftskritische und feministische Haltung. Diese im mehrdeutigen Spannungsverhältnis von Sport und Sex, Sexualisierung und Selbstermächtigung zu erkennen und auszuhalten, lag dann aktiv bei den Betrachtern.
13 Type Cast Thrill, 2021, installation view © Roman-Sten Tönissoo
Mit „Soaplands“ ist Yakovlevas eigene Monografie erschienen
„Ibra Boxing Gym“ steht beispielhaft für eine künstlerische Qualität, die ethisch-moralische Missstände mittels kunsthistorischer und popkultureller Referenzen benennt, aber nicht zwingend auch zur Debatte stellt. Greifbar wird dies nun mit Yakovlevas erster Monografie, welche sie durch die Unterstützung des Graphikdesign Studios Correspondence designt und mitherausgegeben hat: Die im März im Verlag DCV erscheinende Publikation „Soaplands“ fasst die vergangenen fünf Jahre ihres Schaffens eindrücklich
zusammen.
Neben den Abbildungen klassischer Scherenschnitte in schwarz-weiß, umfasst die Gesamtschau ebenso großformatige Exponate wie auch bunt bemalte Schnitte, die wiederum einen Ausblick auf zukünftige Projekte der Künstlerin geben. Einordnende Autorentexte und ein sich durch den gesamten Titel ziehendes Gedankenprotokoll unterfüttern dies.
Nicht zuletzt wird dann deutlich, was es mit den unter dem Arbeitstitel „Soaplands“ zu verstehenden Badehäusern auf sich hat, die in der japanischen Sexindustrie als teuerste und älteste Bordelle gelten. Was seit jeher auf die Bedürfnisse des Freiers ausgelegt war, erfährt langsam einen Wandel: In vereinzelten Etablissements werden nun auch Frauen sexuelle Dienstleistungen angeboten – wo wir wieder bei Yakovlevas Zuschnitt von Selbstermächtigung und Aushöhlung patriarchaler Strukturen wären.
Frankfurter Kunstverein: „Wer hat Macht? Körper im Streik“
Mit der Veröffentlichung der Monografie ist die Künstlerin dann auch wieder in Frankfurt präsent. Diese wird unter anderem im Frankfurter Kunstverein vorgestellt – dort wird sie darüber hinaus Teil der Doppelausstellung „Wer hat Macht? Körper im Streik“ sein, die sich als sinnlich erfahrbarer Erlebnisraum radikaler Themen präsentieren wird. Spätestens hier wird dann erkennbar, wie Sonja Yakovleva gesellschaftliche Grauzonen und blinde Flecke kontrastreich herausstellt und ästhetisch erfahrbar macht.
Info
Soaplands, Verlag DCV, 256 Seiten, 164 Abbildungen, 50 €
„Wer hat Macht? Körper im Streik“, Ffm, Frankfurter Kunstverein, 3. Mai – 4. August 2024, www.fkv.de/ausstellung/sonja-yakovleva/
Ihr künstlerisches Schaffen findet zwar hier statt, nimmt wider Erwarten aber eher auf nationaler Ebene Raum ein. So wird Yakovleva von der Galerie Robert Grunenberg in Berlin vertreten, war zuletzt mit der Einzelausstellung „Le Bestiaire d’Amour“ im Kunstraum Potsdam zu sehen und hält demnächst Einzug im Landesmuseum Stuttgart.
Yakovleva, die über das Kollektiv „Kulturvotzen-TV“ bekannt für scharfzüngige Zerrisse von Vernissagen und Messen ist, und auf ihren Social-Media-Kanälen nicht selten selbstkritisch den Kunstapparat hinterfragt, merkt an: „Natürlich steht mein Standort für die jährlichen Rundgänge von Städel und HfG. Aber neben ein paar Off-Spaces sind die Galerien dieser Stadt kein wirklicher Anlaufpunkt für Kunstschaffende wie mich.“
Die in Frankfurt zuletzt stattgefundene Solo-ausstellung Yakovlevas im Jahr 2022 fand deshalb in keinem klassischen White Cube, also keinem konsequent weiß gestalteten Raum, statt. Sie nutzte eine Kult- als Kunststätte und glich die darin üblicherweise ausgetragene Körperlichkeit der der Kunst an.
Wandfüllend: Yakovlevas Scherenschnitt in Ibras Boxing Club © Ivan Murzin
Das zu diesem Zeitpunkt noch auf der Friedberger Landstraße, heute in Bockenheim gelegene Boxstudio „Ibra Boxing Gym“ zeigte über mehrere Monate und auf der gesamten Trainingsfläche verteilte Exponate. Zu sehen waren in Kleinstarbeit entstandene, teils großformatig ausgeführte Scherenschnitte von Trainingseinheiten, athletischen Körpern und pornografischen Szenen.
Mit feinen Silhouetten und Farbkontrasten bebilderte die Künstlerin dabei den neoliberalen Körperkult rund um das Thema „My body my temple“ und die Sakralisierung wie auch die Selbstermächtigung. Mehr noch, sie kreierte eine Ausstellung, in welcher die Rezeption dessen zwangsläufig irritierend schaulustige Konturen annahm und es den Anschein erweckte, Tabubrüche und sexualisierte Frauenkörper, statt autonomer Kunst zu sehen.
Über den Kunstgriff, das Althergebrachte und Wohlbekannte weniger zu verneinen, als es mimetisch herauszustellen und zu verfremden, machte sie es den Rezipienten einfach und zugleich schwer: Mit der Wahl eines leicht zugänglichen, häuslich konnotierten Mediums, bewährten Motiven und durch die seit jeher von Männern für Männer geschliffene Linse der unterhaltsam-pornografischen Körperlichkeit, Stichwort „Male Gaze“, transportierte Yakovelva ihre gesellschaftskritische und feministische Haltung. Diese im mehrdeutigen Spannungsverhältnis von Sport und Sex, Sexualisierung und Selbstermächtigung zu erkennen und auszuhalten, lag dann aktiv bei den Betrachtern.
13 Type Cast Thrill, 2021, installation view © Roman-Sten Tönissoo
„Ibra Boxing Gym“ steht beispielhaft für eine künstlerische Qualität, die ethisch-moralische Missstände mittels kunsthistorischer und popkultureller Referenzen benennt, aber nicht zwingend auch zur Debatte stellt. Greifbar wird dies nun mit Yakovlevas erster Monografie, welche sie durch die Unterstützung des Graphikdesign Studios Correspondence designt und mitherausgegeben hat: Die im März im Verlag DCV erscheinende Publikation „Soaplands“ fasst die vergangenen fünf Jahre ihres Schaffens eindrücklich
zusammen.
Neben den Abbildungen klassischer Scherenschnitte in schwarz-weiß, umfasst die Gesamtschau ebenso großformatige Exponate wie auch bunt bemalte Schnitte, die wiederum einen Ausblick auf zukünftige Projekte der Künstlerin geben. Einordnende Autorentexte und ein sich durch den gesamten Titel ziehendes Gedankenprotokoll unterfüttern dies.
Nicht zuletzt wird dann deutlich, was es mit den unter dem Arbeitstitel „Soaplands“ zu verstehenden Badehäusern auf sich hat, die in der japanischen Sexindustrie als teuerste und älteste Bordelle gelten. Was seit jeher auf die Bedürfnisse des Freiers ausgelegt war, erfährt langsam einen Wandel: In vereinzelten Etablissements werden nun auch Frauen sexuelle Dienstleistungen angeboten – wo wir wieder bei Yakovlevas Zuschnitt von Selbstermächtigung und Aushöhlung patriarchaler Strukturen wären.
Mit der Veröffentlichung der Monografie ist die Künstlerin dann auch wieder in Frankfurt präsent. Diese wird unter anderem im Frankfurter Kunstverein vorgestellt – dort wird sie darüber hinaus Teil der Doppelausstellung „Wer hat Macht? Körper im Streik“ sein, die sich als sinnlich erfahrbarer Erlebnisraum radikaler Themen präsentieren wird. Spätestens hier wird dann erkennbar, wie Sonja Yakovleva gesellschaftliche Grauzonen und blinde Flecke kontrastreich herausstellt und ästhetisch erfahrbar macht.
Soaplands, Verlag DCV, 256 Seiten, 164 Abbildungen, 50 €
„Wer hat Macht? Körper im Streik“, Ffm, Frankfurter Kunstverein, 3. Mai – 4. August 2024, www.fkv.de/ausstellung/sonja-yakovleva/
3. April 2024, 08.55 Uhr
Sabrina Günther
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Text: Detlef Kinsler / Foto: Der Schlachthof in Wiesbaden erhielt den Hauptpreis für Nachhaltigkeit © Frank Meißner
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22. November 2024
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