Partner
Frankfurt Bergen-Enkheim
Dinçer Güçyeter wird neuer Stadtschreiber
Der 51. Stadtschreiber von Bergen-Enkheim wird Dinçer Güçyeter. Der Romancier und Lyriker überzeugte die Jury mit einer Besonderheit.
Dinçer Güçyeter wird der 51. Stadtschreiber von Bergen-Enkheim. Die Jury des renommierten und mit 20 000 Euro dotierten Literaturpreises begründet die Auszeichnung folgendermaßen: „Dinçer Güçyeter ist ein Grenzgänger im besten Sinne: Zwischen zwei Sprachen, zwei Kulturen, zwei Literaturgattungen wandert er mühelos hin und her und beobachtet mal mit kindlichem Staunen, mal mit nachdenklicher Melancholie, dann wieder mit Galgenhumor oder mit theatralischem Zorn das Geschehen und die Menschen um sich herum. Er schreibt sich dabei frei.“
Orientiert man sich an den Literaturpreisen der vergangenen Jahre, könnte man zu dem Schluss kommen, Güçyeter sei derzeit in allen Disziplinen der bedeutendste Autor deutscher Sprache: 2022 erhielt er für seinen Gedichtband „Mein Prinz, ich bin das Ghetto“ den Peter-Huchel-Preis, eine der wichtigsten Lyrik-Auszeichnungen überhaupt. Ein Jahr später wurde Güçyeters Debütroman „Unser Deutschlandmärchen“ mit dem Preis der Leipziger Buchmesse bedacht. Es folgten der Else-Lasker-Schüler-Lyrikpreis und nun eben der Stadtschreiberpreis von Bergen.
Kritik an neuem Frankfurter Stadtschreiber
Wer Dinçer Güçyeter derzeit einen Preis verleiht, schwimmt zumindest einmal nicht gegen den Strom. Unlängst begleitete Güçyeter den Bundespräsidenten auf dessen Türkei-Reise. Kritik von Schriftstellerkolleginnen und -kollegen wie beispielsweise die der kurdisch-jesidischen Autorin Ronya Othmann an Güçyeters Teilnahme an einem Essen mit dem türkischen Staatschef Erdogan konterte Güçyeter mit dem Hinweis, er sei Gast des Bundespräsidenten und nicht des türkischen Staatschefs gewesen.
Güçyeter wurde 1979 in Nettetal am Niederrhein als Sohn eines Kneipiers und einer Angestellten geboren. Von 1996 bis 2000 absolvierte er eine Ausbildung als Werkzeugmechaniker. Zwischenzeitlich war er als Gastronom tätig. Im Jahr 2012 gründete Güçyeter den Elif Verlag mit dem Programmschwerpunkt Lyrik. Seinen Verlag finanzierte Güçyeter bis 2023 als Gabelstaplerfahrer in Teilzeit. Sein Buch „Unser Deutschlandmärchen“ erzählt in einer mehrstimmigen Anlage vom Ankommen seiner Eltern im Deutschland des Jahres 1965, vom Verlust von Heimat, von einem Gastarbeiterdasein, von der Geburt des Sohnes und dessen Versuchen, sich in Deutschland ein glückliches Leben aufzubauen.
Jury überzeugte Güçyeters Image als Nicht-Akademiker
Als Stadtschreiber von Bergen steht Güçyeter nun in einer Reihe mit Autorinnen und Autoren wie Helga M. Novak, Ralf Rothmann, Herta Müller, Peter Kurzeck und Emine Sevgi Özdamar. Die Entscheidung der Jury, so die Auskunft der Kulturgesellschaft Bergen-Enkheim, sei bereits am 22. März einmütig gefallen. Dinçer Güçyeter hat stets dezidiert sein Image als Nicht-Akademiker mit großem Herzen gepflegt und sich damit eine große Fangemeinde erobert.
Seit dem 7. Oktober 2023, vor allem aber in den letzten Monaten, hat Dinçer Güçyeter mit seinem Verhalten in den sozialen Medien immer wieder den Unmut von Kolleginnen und Kollegen auf sich gezogen. Kritik an seinen hochgefühligen Postings, die ihm den Vorwurf einbrachten, im israelisch-palästinensischen Konflikt einseitig Stellung zugunsten der Palästinenser zu beziehen, löschte Güçyeter oft binnen Sekunden. Er habe nicht den Wunsch, so schreibt er, „in den dreckigen Wäschen der Politik rumzuwühlen.“
Das „unschuldigste Gefühl des Menschseins“, nämlich das Mitfühlen, verteidigt der Dichter Güçyeter gegen die kalte deutsche Solidarität mit Israel. Das ist, versteht sich, sein gutes Recht. Der Literaturpreis des Stadtschreibers wird am 30. August im Festzelt auf dem Marktplatz von Bergen verliehen. Dann übergibt die derzeitige Stadtschreiberin Nino Haratischwili den Schlüssel für das Stadtschreiberhaus an der Oberpforte. Wer die traditionelle Festrede halten wird, ist noch nicht bekannt.
Orientiert man sich an den Literaturpreisen der vergangenen Jahre, könnte man zu dem Schluss kommen, Güçyeter sei derzeit in allen Disziplinen der bedeutendste Autor deutscher Sprache: 2022 erhielt er für seinen Gedichtband „Mein Prinz, ich bin das Ghetto“ den Peter-Huchel-Preis, eine der wichtigsten Lyrik-Auszeichnungen überhaupt. Ein Jahr später wurde Güçyeters Debütroman „Unser Deutschlandmärchen“ mit dem Preis der Leipziger Buchmesse bedacht. Es folgten der Else-Lasker-Schüler-Lyrikpreis und nun eben der Stadtschreiberpreis von Bergen.
Wer Dinçer Güçyeter derzeit einen Preis verleiht, schwimmt zumindest einmal nicht gegen den Strom. Unlängst begleitete Güçyeter den Bundespräsidenten auf dessen Türkei-Reise. Kritik von Schriftstellerkolleginnen und -kollegen wie beispielsweise die der kurdisch-jesidischen Autorin Ronya Othmann an Güçyeters Teilnahme an einem Essen mit dem türkischen Staatschef Erdogan konterte Güçyeter mit dem Hinweis, er sei Gast des Bundespräsidenten und nicht des türkischen Staatschefs gewesen.
Güçyeter wurde 1979 in Nettetal am Niederrhein als Sohn eines Kneipiers und einer Angestellten geboren. Von 1996 bis 2000 absolvierte er eine Ausbildung als Werkzeugmechaniker. Zwischenzeitlich war er als Gastronom tätig. Im Jahr 2012 gründete Güçyeter den Elif Verlag mit dem Programmschwerpunkt Lyrik. Seinen Verlag finanzierte Güçyeter bis 2023 als Gabelstaplerfahrer in Teilzeit. Sein Buch „Unser Deutschlandmärchen“ erzählt in einer mehrstimmigen Anlage vom Ankommen seiner Eltern im Deutschland des Jahres 1965, vom Verlust von Heimat, von einem Gastarbeiterdasein, von der Geburt des Sohnes und dessen Versuchen, sich in Deutschland ein glückliches Leben aufzubauen.
Als Stadtschreiber von Bergen steht Güçyeter nun in einer Reihe mit Autorinnen und Autoren wie Helga M. Novak, Ralf Rothmann, Herta Müller, Peter Kurzeck und Emine Sevgi Özdamar. Die Entscheidung der Jury, so die Auskunft der Kulturgesellschaft Bergen-Enkheim, sei bereits am 22. März einmütig gefallen. Dinçer Güçyeter hat stets dezidiert sein Image als Nicht-Akademiker mit großem Herzen gepflegt und sich damit eine große Fangemeinde erobert.
Seit dem 7. Oktober 2023, vor allem aber in den letzten Monaten, hat Dinçer Güçyeter mit seinem Verhalten in den sozialen Medien immer wieder den Unmut von Kolleginnen und Kollegen auf sich gezogen. Kritik an seinen hochgefühligen Postings, die ihm den Vorwurf einbrachten, im israelisch-palästinensischen Konflikt einseitig Stellung zugunsten der Palästinenser zu beziehen, löschte Güçyeter oft binnen Sekunden. Er habe nicht den Wunsch, so schreibt er, „in den dreckigen Wäschen der Politik rumzuwühlen.“
Das „unschuldigste Gefühl des Menschseins“, nämlich das Mitfühlen, verteidigt der Dichter Güçyeter gegen die kalte deutsche Solidarität mit Israel. Das ist, versteht sich, sein gutes Recht. Der Literaturpreis des Stadtschreibers wird am 30. August im Festzelt auf dem Marktplatz von Bergen verliehen. Dann übergibt die derzeitige Stadtschreiberin Nino Haratischwili den Schlüssel für das Stadtschreiberhaus an der Oberpforte. Wer die traditionelle Festrede halten wird, ist noch nicht bekannt.
12. Juni 2024, 12.13 Uhr
Christoph Schröder
Christoph Schröder
Christoph Schröder studierte in Mainz Germanistik, Komparatistik und Philosophie. Seine Interessensschwerpunkte liegen auf der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur und dem Literaturbetrieb. Er ist Dozent für Literaturkritik an der Goethe-Universität Frankfurt. Mehr von Christoph
Schröder >>
Mehr Nachrichten aus dem Ressort Kultur
Applaus-Awards 2024
Auszeichnungen für Clubs im Rhein-Main-Gebiet
Am gestrigen Abend wurden bei den Applaus-Awards in Rostock 90 Auszeichnungen vergeben. Auch drei Clubs aus dem Rhein-Main-Gebiet wurden von Kulturstaatsministerin Claudia Roth geehrt.
Text: Detlef Kinsler / Foto: Der Schlachthof in Wiesbaden erhielt den Hauptpreis für Nachhaltigkeit © Frank Meißner
KulturMeistgelesen
- Kunstausstellung in EschbornGesammelte Fotografien der Deutschen Börse
- Lilian Thuram in FrankfurtFranzösische Fußballlegende spricht über Rassismus
- Literatur in FrankfurtNeue Lesebühne im Café Mutz
- Filmfestival in WiesbadenExground Filmfest legt Fokus auf Flucht und Migration
- No Other LandEin Skandalfilm, der keiner sein will
21. November 2024
Journal Tagestipps
Freie Stellen