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Deutsches Filminstitut und Filmmuseum
75 Jahre Filmkultur in Frankfurt
Das Deutsche Filminstitut und Filmmuseum am Schaumainkai in Frankfurt feiert im Juni ein Doppeljubiläum. In Sachen Spannungsbögen gleicht seine Geschichte manchmal einem Hollywood-Drehbuch.
„Desiderat des Filminstituts: Frankfurt als Filmstadt neben München + Berlin [...] Ort der Filmkultur, der Filmvermittlung, der Filmforschung“, notierte Hilmar Hoffmann im Oktober 1999 handschriftlich für eine Pressekonferenz. Anlass für den damaligen Frankfurter Kulturdezernenten und begeisterten Filmanhänger waren seine Ideen über einen Zusammenschluss des Deutschen Filminstitutes mit dem Deutschen Filmmuseum. Was damals Wunsch war, konnte im neuen Jahrtausend umgesetzt werden: Aus beiden Institutionen erwuchs das heutige Deutsche Filminstitut & Filmmuseum (DFF), welches dieses Jahr ein Doppeljubiläum feiert: Der Vorgänger – das Deutsche Institut für Filmkunde (DIF) – wird 75 Jahre alt, und das Filmmuseum besteht seit 40 Jahren.
DFF Frankfurt: Filminstitut, Museum und Kino – drei Geschichten in einer
Die Geschichte hinter dem DFF umfasst eigentlich drei Geschichten, denn neben Filminstitut und Museum gehört auch das Kino im DFF dazu, das auf das 1971 eröffnete Kommunale Kino zurückgeht. Das DIF wiederum, 1949 in Wiesbaden gegründet, ist die älteste filmhistorische Institution in Deutschland. Während andere Abteilungen des DFF in Frankfurt verteilt sind, befindet sich das Filmarchiv nach wie vor in der Landeshauptstadt. Aus ursprünglich circa 1000 Filmkopien sind inzwischen rund 31 000 geworden und umfassen dabei alles von Amateur- über Dokumentar- bis zu Werbefilmen. Schwerpunkt der Institutsarbeit ist seit jeher der wissenschaftliche Nutzen, und der macht auch vor der eigenen Geschichte nicht halt: Zurzeit befasst sich ein hauseigenes Forschungsprojekt mit dem DIF-Gründer Hanns Wilhelm Lavies, dessen filmwissenschaftliche Arbeit im Kontext der NS-Zeit kritisch untersucht wird.
Historisches Gerichtsurteil: „Koki“ erbringt kulturelle Leistung, die kommerzielle Anbieter nicht erreichen könnten
Eine turbulente Geschichte weist das DFF-Kino auf. Gegründet wurde das Kommunale Kino im damaligen Theater am Turm – maßgeblich vorangetrieben von niemand
Geringerem als Hilmar Hoffmann. Es war das erste Lichtspielhaus deutschlandweit, das diesen Namen trug und direkt der Kulturbehörde unterstand, um dem Gedanken
eines nicht-kommerziellen, filmkulturellen Anspruches zu genügen. Das „Koki“, wie es schon bald nach Etablierung in der Mainmetropole genannt wurde, rief noch vor
Öffnung Kritiker auf den Plan: Fünf kommerzielle Kinobetreiber klagten wegen Wettbewerbsverzerrung. Die Klage wurde jedoch abgewiesen und ging als „Frankfurter Urteil“ in die Geschichte ein: Das Gericht bescheinigte dem „Koki“ eine kulturelle Leistung, die die kommerziellen Anbieter nicht erreichen könnten.
Nach einem längeren Zwischenspiel ab Oktober 1972 im Historischen Museum fand es schließlich seine dauerhafte Heimat im Juni 1984 im Deutschen Filmmuseum, wo es sich bis heute befindet. „Andere Filme und Filme anders zeigen“, so brachte Walter Schobert, Gründungsdirektor des Deutschen Filmmuseums, das Konzept des Kommunalen Kinos in der FAZ 1976 auf den Begriff – und das gilt wohl weiterhin. Pro Jahr werden laut DFF rund 900 Filme präsentiert. Zahlreiche Filmemacher kommen dafür nach Frankfurt und besprechen ihre und fremde Werke. Bisher dabei waren etwa deutschsprachige Regisseure wie Dominik Graf und Michael Haneke, aber auch internationale Filmemacherinnen wie Agnès Varda.
Herzstück des DFF: Im Filmmuseum wird die Entwicklung von der Camera Obscura bis zum Green-Screen-Verfahren dokumentiert
Das Herzstück für die meisten Cinephilen ist wahrscheinlich dennoch das Filmmuseum, welches 1984 eröffnet wurde. Abermals war es Hilmar Hoffmann, der für Frankfurt ein eigenes Filmmuseum wollte, nachdem das Kommunale Kino Erfolg gefeiert und die Stadt ein großes Filmarchiv des Filmsammlers Paul Sauerlaender erworben hatte. Über die Jahre kamen unzählige neue Ausstellungsstücke dazu. Die auf zwei Etagen eingerichtete Dauerausstellung zeichnet präzise die Entwicklung von einfachsten Bildmedien wie der Camera Obscura bis hin zu Green-Screen-Verfahren des modernen Filmes nach. Das am längsten ausgestellte Objekt – seit dem Gründungsjahr – ist übrigens der Cinématographe Lumière; jenes Gerät, mit dem die Brüder Lumière die erste Filmvorführung im Jahre 1895 ermöglichten. Und das bei den Besuchern beliebteste? „Darum streiten sich das Alien-Stuntmankostüm und der Darth-Vader-Helm – beides findet sich sicherlich am häufigsten in Social-Media-Posts von Besucher:innen“, erklärt DFF-Sprecherin Frauke Haß.
Sonderausstellungen im DFF: Vom Film Noir über Videospiele bis hin zur Farbe Rot
In den Sonderausstellungen hat das Museum bisher viele verschiedene Aspekte der deutschen wie internationalen Filmgeschichte gestreift. Einmal wurde der Film Noir in seine Grundlagen zerlegt, ein anderes Mal das Wechselspiel zwischen Film und Videospiel analysiert. Hartnäckig in Erinnerung bleiben wird sicherlich die 2017 gezeigte Ausstellung über die Farbe Rot als ästhetisches und erzählerisches Filmmittel – bei der Gelegenheit sollte sich der interessierte Leser noch mal (oder zum ersten Mal?) „Marnie“ von Alfred Hitchcock ansehen.
Anders als im Thriller vom Meister des Suspense musste sich das „Koki“, das bei der Museumseröffnung ebendort eingezogen war, letztlich keine Sorgen um Zahlen in der erwähnten Farbe machen: Während die Stadtregierung in den Jahren 1993/94 noch über eine Schließung aus wirtschaftlichen Gründen nachdachte, übernahm nach Protesten aus aller Welt das Museum das Kino, in dem bereits zentrale Bereiche des DIF von Wiesbaden nach Frankfurt eingezogen waren.
Es sollte jedoch noch bis zum Jahre 2006 dauern, bis nach jahrelangen Verhandlungen das Filmmuseum in das DIF integriert wurde. Im Jubiläumsjahr 2019 folgte schließlich die Umbenennung in DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum, um die Integration symbolisch abzuschließen. Vielerlei Ressourcen konnten dank des Zusammenschlusses unter ein Dach gebracht und Projekte besser durchgeführt werden, merkt das DFF an. Das zeigt sich in der ständigen Entwicklung der Institution, die eine wichtige Rolle in den Bereichen Filmdigitalisierung und Filmbildung spielt und auch die digitalen Räume immer weiter nutzt.
DFF-Jubiläumswochenende: Der Eintritt ist frei
Das im Mai gestartete Projekt „Constellation 2.0“, bei dem mit einem Sammlungs-Tool Museumsobjekte gescannt und anschließend an interaktiven Stationen mit anderen verknüpft werden können, „wurde direkt sehr gut aufgenommen“, sagt Haß. Ähnlich optimistisch ist auch Direktorin Ellen Harrington, was die Besucherzahlen angeht. „Natürlich hat uns die Pandemie zu schaffen gemacht. Doch angesichts der Tatsache, dass wir 2023 mit 180 000 Besucher:innen fast wieder auf dem Niveau vor der Pandemie mit rund 200 000 Gästen pro Jahr angekommen sind, sind wir hoffnungsfroh für die Zukunft.“ Am Jubiläumswochenende vom 7. bis 9. Juni kann jeder Interessierte einfach dabei helfen, dieses Ziel zu erreichen: Neben einem speziellen Programm ist der Museumseintritt an den Tagen nämlich frei.
Info
DFF-Jubiläumswochenende vom 7. bis 9. Juni, weitere Infos unter dff.film
Die Geschichte hinter dem DFF umfasst eigentlich drei Geschichten, denn neben Filminstitut und Museum gehört auch das Kino im DFF dazu, das auf das 1971 eröffnete Kommunale Kino zurückgeht. Das DIF wiederum, 1949 in Wiesbaden gegründet, ist die älteste filmhistorische Institution in Deutschland. Während andere Abteilungen des DFF in Frankfurt verteilt sind, befindet sich das Filmarchiv nach wie vor in der Landeshauptstadt. Aus ursprünglich circa 1000 Filmkopien sind inzwischen rund 31 000 geworden und umfassen dabei alles von Amateur- über Dokumentar- bis zu Werbefilmen. Schwerpunkt der Institutsarbeit ist seit jeher der wissenschaftliche Nutzen, und der macht auch vor der eigenen Geschichte nicht halt: Zurzeit befasst sich ein hauseigenes Forschungsprojekt mit dem DIF-Gründer Hanns Wilhelm Lavies, dessen filmwissenschaftliche Arbeit im Kontext der NS-Zeit kritisch untersucht wird.
Eine turbulente Geschichte weist das DFF-Kino auf. Gegründet wurde das Kommunale Kino im damaligen Theater am Turm – maßgeblich vorangetrieben von niemand
Geringerem als Hilmar Hoffmann. Es war das erste Lichtspielhaus deutschlandweit, das diesen Namen trug und direkt der Kulturbehörde unterstand, um dem Gedanken
eines nicht-kommerziellen, filmkulturellen Anspruches zu genügen. Das „Koki“, wie es schon bald nach Etablierung in der Mainmetropole genannt wurde, rief noch vor
Öffnung Kritiker auf den Plan: Fünf kommerzielle Kinobetreiber klagten wegen Wettbewerbsverzerrung. Die Klage wurde jedoch abgewiesen und ging als „Frankfurter Urteil“ in die Geschichte ein: Das Gericht bescheinigte dem „Koki“ eine kulturelle Leistung, die die kommerziellen Anbieter nicht erreichen könnten.
Nach einem längeren Zwischenspiel ab Oktober 1972 im Historischen Museum fand es schließlich seine dauerhafte Heimat im Juni 1984 im Deutschen Filmmuseum, wo es sich bis heute befindet. „Andere Filme und Filme anders zeigen“, so brachte Walter Schobert, Gründungsdirektor des Deutschen Filmmuseums, das Konzept des Kommunalen Kinos in der FAZ 1976 auf den Begriff – und das gilt wohl weiterhin. Pro Jahr werden laut DFF rund 900 Filme präsentiert. Zahlreiche Filmemacher kommen dafür nach Frankfurt und besprechen ihre und fremde Werke. Bisher dabei waren etwa deutschsprachige Regisseure wie Dominik Graf und Michael Haneke, aber auch internationale Filmemacherinnen wie Agnès Varda.
Das Herzstück für die meisten Cinephilen ist wahrscheinlich dennoch das Filmmuseum, welches 1984 eröffnet wurde. Abermals war es Hilmar Hoffmann, der für Frankfurt ein eigenes Filmmuseum wollte, nachdem das Kommunale Kino Erfolg gefeiert und die Stadt ein großes Filmarchiv des Filmsammlers Paul Sauerlaender erworben hatte. Über die Jahre kamen unzählige neue Ausstellungsstücke dazu. Die auf zwei Etagen eingerichtete Dauerausstellung zeichnet präzise die Entwicklung von einfachsten Bildmedien wie der Camera Obscura bis hin zu Green-Screen-Verfahren des modernen Filmes nach. Das am längsten ausgestellte Objekt – seit dem Gründungsjahr – ist übrigens der Cinématographe Lumière; jenes Gerät, mit dem die Brüder Lumière die erste Filmvorführung im Jahre 1895 ermöglichten. Und das bei den Besuchern beliebteste? „Darum streiten sich das Alien-Stuntmankostüm und der Darth-Vader-Helm – beides findet sich sicherlich am häufigsten in Social-Media-Posts von Besucher:innen“, erklärt DFF-Sprecherin Frauke Haß.
In den Sonderausstellungen hat das Museum bisher viele verschiedene Aspekte der deutschen wie internationalen Filmgeschichte gestreift. Einmal wurde der Film Noir in seine Grundlagen zerlegt, ein anderes Mal das Wechselspiel zwischen Film und Videospiel analysiert. Hartnäckig in Erinnerung bleiben wird sicherlich die 2017 gezeigte Ausstellung über die Farbe Rot als ästhetisches und erzählerisches Filmmittel – bei der Gelegenheit sollte sich der interessierte Leser noch mal (oder zum ersten Mal?) „Marnie“ von Alfred Hitchcock ansehen.
Anders als im Thriller vom Meister des Suspense musste sich das „Koki“, das bei der Museumseröffnung ebendort eingezogen war, letztlich keine Sorgen um Zahlen in der erwähnten Farbe machen: Während die Stadtregierung in den Jahren 1993/94 noch über eine Schließung aus wirtschaftlichen Gründen nachdachte, übernahm nach Protesten aus aller Welt das Museum das Kino, in dem bereits zentrale Bereiche des DIF von Wiesbaden nach Frankfurt eingezogen waren.
Es sollte jedoch noch bis zum Jahre 2006 dauern, bis nach jahrelangen Verhandlungen das Filmmuseum in das DIF integriert wurde. Im Jubiläumsjahr 2019 folgte schließlich die Umbenennung in DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum, um die Integration symbolisch abzuschließen. Vielerlei Ressourcen konnten dank des Zusammenschlusses unter ein Dach gebracht und Projekte besser durchgeführt werden, merkt das DFF an. Das zeigt sich in der ständigen Entwicklung der Institution, die eine wichtige Rolle in den Bereichen Filmdigitalisierung und Filmbildung spielt und auch die digitalen Räume immer weiter nutzt.
Das im Mai gestartete Projekt „Constellation 2.0“, bei dem mit einem Sammlungs-Tool Museumsobjekte gescannt und anschließend an interaktiven Stationen mit anderen verknüpft werden können, „wurde direkt sehr gut aufgenommen“, sagt Haß. Ähnlich optimistisch ist auch Direktorin Ellen Harrington, was die Besucherzahlen angeht. „Natürlich hat uns die Pandemie zu schaffen gemacht. Doch angesichts der Tatsache, dass wir 2023 mit 180 000 Besucher:innen fast wieder auf dem Niveau vor der Pandemie mit rund 200 000 Gästen pro Jahr angekommen sind, sind wir hoffnungsfroh für die Zukunft.“ Am Jubiläumswochenende vom 7. bis 9. Juni kann jeder Interessierte einfach dabei helfen, dieses Ziel zu erreichen: Neben einem speziellen Programm ist der Museumseintritt an den Tagen nämlich frei.
DFF-Jubiläumswochenende vom 7. bis 9. Juni, weitere Infos unter dff.film
6. Juni 2024, 09.17 Uhr
Till Geginat
Till Geginat
Jahrgang 1994, Studium der Theater-, Film- und Medienwissenschaft an der Goethe Universität Frankfurt, seit November 2022 beim JOURNAL FRANKFURT. Mehr von Till
Geginat >>
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22. November 2024
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