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Der deutsche Pavillon auf der Architekturbiennale
Vom Brooklyn Frankfurts
Wie kann Architektur zur Integration beitragen? Ein Team des Deutschen Architekturmuseums will auf der Architekturbiennale in Venedig diese Frage beantworten – auch mit Blick nach Offenbach. Die Macher im Gespräch.
In Offenbach sind rund 150 Nationen vertreten, der Anteil derer ohne deutsche Staatsbürgerschaft liegt bei 37 Prozent – prozentual ist es die Stadt mit dem höchsten Ausländeranteil, erst danach kommt Frankfurt. Und dennoch bewältigt eine relativ schlanke städtische Verwaltung die Integration einer so großen Vielfalt. Wie geht das? Peter Cachola Schmal (Bild l.), Direktor des Deutschen Architekturmuseums widmet genau aus diesem Grund Offenbach einen besonderen Teil seiner Ausstellung „Making Heimat. Germany, Arrival Country“ im deutschen Pavillon auf der 15. Biennale in Venedig.
„Offenbach ist wie wir alle wissen, die arme Schwester von Frankfurt“, sagt Schmal. „Doch die Lage ist gut.“ Rund fünf Kilometer und wenige S-Bahn-Stationen zur Mitte Frankfurts braucht man. Arbeitsplätze gebe es in Frankfurt reichlich. Aus Offenbach könne man mit der Bahn direkt zum Flughafen fahren. Doch: „Die Mietpreise gehen an der Stadtgrenze zu Offenbach in den Keller“, so Schmal. Laut Statistik seien sie 30 Prozent billiger als in Frankfurt – konkret sehe das oft noch besser aus. Besonders weil die Mieten in Offenbach nur moderat steigen würden. „Auch Möglichkeiten für Business gibt es genug“, so Schmal. Das alles seien wichtige Faktoren für eine „Arrival City“ – also eine Ankunftsstadt.
In enger Zusammenarbeit mit Doug Saunders (Bild m.), dem Autor von „Arrival City: Die neue Völkerwanderung“ erarbeitete Schmal acht Thesen. Saunders definiert die Arrival City als Stadt innerhalb der Stadt. In seinem Buch schildert er Beobachtungen seiner Besuche in Slums und Favelas auf der ganzen Welt. Diese Viertel sind und bleiben arm, doch zeichnen sie sich durch eine hohe Fluktuation aus. Für viele seien sie eine Durchgangssituation in ein besseres Leben, denn sie bieten günstige Mieten, Zugang zu Arbeitsplätzen und ein ethnisches Netzwerk. Schmal und sein Team wenden das Modell der Arrival City auf Beispiele in Deutschland an, darunter eben Offenbach.
Im Offenbacher Nordend sei die Fluktuation angeblich bei 40 Prozent. „Das bedeutet, die Bevölkerung hier tauscht sich innerhalb von zweieinhalb Jahren aus“, so Schmal. Das sei ein untrügliches Indiz für eine Arrival City. Auch die Karriere des berühmte0n Offenbacher Musikers, des Rappers Haftbefehl, habe zu einem persönlichen Upgrading geführt. Einst habe er im Offenbacher Block gewohnt. „Nun wohnt er in Darmstadt-Weiterstadt, brav im bürgerlichen Umfeld.“ Der Grund warum die Mieten in Offenbach so günstig seien, könnte in der Folklore liegen. „Es gab eine jahrhundertelange Feindschaft zwischen den beiden Städten. So war es lange Zeit für Frankfurter inakzeptabel in Offenbach zu wohnen“, sagt Schmal. Doch langsam werde die Folklore durch die Realität überwunden.
„Die Vielfalt der Nationen macht den Standort für viele Menschen gerade attraktiv“, so Anna Scheuermann, Projektkoordinatorin der Ausstellung. „Alles dort ist bunt gemischt, eine große Vielfalt ist vorhanden auf kleinem Raum, sodass man sich nicht aus den Augen verliert.“ Für Neuankömmlinge wichtig. „Offenbach ist das Brooklyn von Frankfurt“, sagt Schmal und lacht. „Wir wissen wovon wir reden. Ich selbst kenne Offenbach gut, ich habe schließlich in der Innenstadt Nord gewohnt.“
Aber auch Frankfurter Stadtteile würden solche Merkmale aufweisen. Das Gallus und das Bahnhofsviertel seien Arrival Cities in sich selbst. „Wobei sich das Bahnhofsviertel gerade durch Upgrading verändert“, so Schmal. Neue Wohnungen seien nicht mehr bezahlbar, dann funktioniere Ankunft nicht mehr. „Die Geschäfte auf der Münchner werden sich demnächst sehr ändern.“ Eine Münchner Straße wie vor fünf Jahren, könnte man demnächst im Gallus finden. „Was nicht schlecht ist. Es ist nur anders“, sagt Schmal. Das sei das, was jeder wolle.
„Wir hatten zunächst die Themen Arrival City, Einwanderung und Integration gesetzt“, so Schmal. Doch dann sei das Thema Flüchtlinge immer größer geworden und zu dem Zeitpunkt als das Team um Schmal schließlich von der Jury für die Gestaltung des Pavillons gewählt wurden, hatte sich das Team dazu entschlossen auch das Thema der Flüchtlingsunterkünfte beantworten zu müssen. „So im Sinne von: Was macht ihr denn in Deutschland mit all diesen Menschen, die gerade kommen?“, so Schmal. Mit einem Call for Projects wollte das DAM-Team wissen, was die Architektenschaft wirklich macht. Seit Oktober 2015 sammelt das Museum Bauten für Flüchtlinge und Migranten.
Die Online-Datenbank wird ständig aktualisiert und erweitert. Die Projekte würden die Realität in Deutschland widerspiegeln. Es werde wohl der konkreteste und realitätsnaher Beitrag auf der Biennale sein, vermutet Doug Saunders. „Eine Menge der Ausstellungen sind sehr wolkigen, abstrakten Ideen gewidmet“, so Saunders. Ideen die allein in den Köpfen der Architekten existieren würden und wenig mit der physischen Realität zu tun hätten. Die Datenbank zeigt lediglich Projekte, die realisiert wurden oder sich in Realisierung befinden. „Wir prüfen das auch nach. Wenn Arbeiten doch nicht beauftragt werden, dann bleiben sie, wenn sie sehr spannend sind, als Studie stehen“, so Schmal. So wie zum Beispiel jener Entwurf, der eine Unterbringung auf einem Parkplatz vorsieht.
Die Datenbank dient zum Vergleich gängiger Lösungen und soll für die lokalen und regionalen Entscheidungsträger eine Grundlage bieten. Gegliedert werden sie nach Größe, Kosten und Bewohnern pro Quadratmetern, Material und Konstruktion. Dabei müsse natürlich zwischen Erstunterkunft und langfristiger Unterkunft unterschieden werden. Dennoch habe es Gemeinden gegeben, die auch bei Erstunterkünften Wert darauf gelegt hätten, dass es trotzdem einen Spielplatz nebenan gibt. Besonders habe sich München hervorgetan. Das Verfahren dort sei ein ganz anderes als in Frankfurt. Man schnüre im Vorfeld ein Paket, das mit Hochbauamt, Architekten und Sozialreferat abgestimmt sei. Kosten würden im Vorfeld abgeschätzt werden, ein Wettbewerb mit Trägern und Herstellern werde eröffnet. Das Paket gehe dann in den Stadtrat und werde öffentlich diskutiert, schwärmt Schmal. „Das ist transparent!“ Alle Abteilungen der Stadt würden zusammenarbeiten.
„Das sehe ich in Frankfurt nicht“, so Schmal. Ein Projekt in Bonames, gegen das viele Bürger kämpfen, findet er toll. Schmal glaubt, die Bürger hätten nichts dagegen gehabt, wenn sie gut informiert gewesen wären. „In München schaffen sie’s 500 Einheiten zu bauen, ohne dass Protest entsteht. Man kann nicht behaupten, dass dort die Grundstücksflächen einfacher zu finden und billiger zu bezahlen seien. „Wir waren sehr beeindruckt. Der Stab war in der Stadtplanung angesiedelt. Da haben wir noch viel zu lernen.“
>> Biennale: 28.5.–27.11.16, www.makingheimat.de, 2017 kommt
die Ausstellung nach Frankfurt.
„Offenbach ist wie wir alle wissen, die arme Schwester von Frankfurt“, sagt Schmal. „Doch die Lage ist gut.“ Rund fünf Kilometer und wenige S-Bahn-Stationen zur Mitte Frankfurts braucht man. Arbeitsplätze gebe es in Frankfurt reichlich. Aus Offenbach könne man mit der Bahn direkt zum Flughafen fahren. Doch: „Die Mietpreise gehen an der Stadtgrenze zu Offenbach in den Keller“, so Schmal. Laut Statistik seien sie 30 Prozent billiger als in Frankfurt – konkret sehe das oft noch besser aus. Besonders weil die Mieten in Offenbach nur moderat steigen würden. „Auch Möglichkeiten für Business gibt es genug“, so Schmal. Das alles seien wichtige Faktoren für eine „Arrival City“ – also eine Ankunftsstadt.
In enger Zusammenarbeit mit Doug Saunders (Bild m.), dem Autor von „Arrival City: Die neue Völkerwanderung“ erarbeitete Schmal acht Thesen. Saunders definiert die Arrival City als Stadt innerhalb der Stadt. In seinem Buch schildert er Beobachtungen seiner Besuche in Slums und Favelas auf der ganzen Welt. Diese Viertel sind und bleiben arm, doch zeichnen sie sich durch eine hohe Fluktuation aus. Für viele seien sie eine Durchgangssituation in ein besseres Leben, denn sie bieten günstige Mieten, Zugang zu Arbeitsplätzen und ein ethnisches Netzwerk. Schmal und sein Team wenden das Modell der Arrival City auf Beispiele in Deutschland an, darunter eben Offenbach.
Im Offenbacher Nordend sei die Fluktuation angeblich bei 40 Prozent. „Das bedeutet, die Bevölkerung hier tauscht sich innerhalb von zweieinhalb Jahren aus“, so Schmal. Das sei ein untrügliches Indiz für eine Arrival City. Auch die Karriere des berühmte0n Offenbacher Musikers, des Rappers Haftbefehl, habe zu einem persönlichen Upgrading geführt. Einst habe er im Offenbacher Block gewohnt. „Nun wohnt er in Darmstadt-Weiterstadt, brav im bürgerlichen Umfeld.“ Der Grund warum die Mieten in Offenbach so günstig seien, könnte in der Folklore liegen. „Es gab eine jahrhundertelange Feindschaft zwischen den beiden Städten. So war es lange Zeit für Frankfurter inakzeptabel in Offenbach zu wohnen“, sagt Schmal. Doch langsam werde die Folklore durch die Realität überwunden.
„Die Vielfalt der Nationen macht den Standort für viele Menschen gerade attraktiv“, so Anna Scheuermann, Projektkoordinatorin der Ausstellung. „Alles dort ist bunt gemischt, eine große Vielfalt ist vorhanden auf kleinem Raum, sodass man sich nicht aus den Augen verliert.“ Für Neuankömmlinge wichtig. „Offenbach ist das Brooklyn von Frankfurt“, sagt Schmal und lacht. „Wir wissen wovon wir reden. Ich selbst kenne Offenbach gut, ich habe schließlich in der Innenstadt Nord gewohnt.“
Aber auch Frankfurter Stadtteile würden solche Merkmale aufweisen. Das Gallus und das Bahnhofsviertel seien Arrival Cities in sich selbst. „Wobei sich das Bahnhofsviertel gerade durch Upgrading verändert“, so Schmal. Neue Wohnungen seien nicht mehr bezahlbar, dann funktioniere Ankunft nicht mehr. „Die Geschäfte auf der Münchner werden sich demnächst sehr ändern.“ Eine Münchner Straße wie vor fünf Jahren, könnte man demnächst im Gallus finden. „Was nicht schlecht ist. Es ist nur anders“, sagt Schmal. Das sei das, was jeder wolle.
„Wir hatten zunächst die Themen Arrival City, Einwanderung und Integration gesetzt“, so Schmal. Doch dann sei das Thema Flüchtlinge immer größer geworden und zu dem Zeitpunkt als das Team um Schmal schließlich von der Jury für die Gestaltung des Pavillons gewählt wurden, hatte sich das Team dazu entschlossen auch das Thema der Flüchtlingsunterkünfte beantworten zu müssen. „So im Sinne von: Was macht ihr denn in Deutschland mit all diesen Menschen, die gerade kommen?“, so Schmal. Mit einem Call for Projects wollte das DAM-Team wissen, was die Architektenschaft wirklich macht. Seit Oktober 2015 sammelt das Museum Bauten für Flüchtlinge und Migranten.
Die Online-Datenbank wird ständig aktualisiert und erweitert. Die Projekte würden die Realität in Deutschland widerspiegeln. Es werde wohl der konkreteste und realitätsnaher Beitrag auf der Biennale sein, vermutet Doug Saunders. „Eine Menge der Ausstellungen sind sehr wolkigen, abstrakten Ideen gewidmet“, so Saunders. Ideen die allein in den Köpfen der Architekten existieren würden und wenig mit der physischen Realität zu tun hätten. Die Datenbank zeigt lediglich Projekte, die realisiert wurden oder sich in Realisierung befinden. „Wir prüfen das auch nach. Wenn Arbeiten doch nicht beauftragt werden, dann bleiben sie, wenn sie sehr spannend sind, als Studie stehen“, so Schmal. So wie zum Beispiel jener Entwurf, der eine Unterbringung auf einem Parkplatz vorsieht.
Die Datenbank dient zum Vergleich gängiger Lösungen und soll für die lokalen und regionalen Entscheidungsträger eine Grundlage bieten. Gegliedert werden sie nach Größe, Kosten und Bewohnern pro Quadratmetern, Material und Konstruktion. Dabei müsse natürlich zwischen Erstunterkunft und langfristiger Unterkunft unterschieden werden. Dennoch habe es Gemeinden gegeben, die auch bei Erstunterkünften Wert darauf gelegt hätten, dass es trotzdem einen Spielplatz nebenan gibt. Besonders habe sich München hervorgetan. Das Verfahren dort sei ein ganz anderes als in Frankfurt. Man schnüre im Vorfeld ein Paket, das mit Hochbauamt, Architekten und Sozialreferat abgestimmt sei. Kosten würden im Vorfeld abgeschätzt werden, ein Wettbewerb mit Trägern und Herstellern werde eröffnet. Das Paket gehe dann in den Stadtrat und werde öffentlich diskutiert, schwärmt Schmal. „Das ist transparent!“ Alle Abteilungen der Stadt würden zusammenarbeiten.
„Das sehe ich in Frankfurt nicht“, so Schmal. Ein Projekt in Bonames, gegen das viele Bürger kämpfen, findet er toll. Schmal glaubt, die Bürger hätten nichts dagegen gehabt, wenn sie gut informiert gewesen wären. „In München schaffen sie’s 500 Einheiten zu bauen, ohne dass Protest entsteht. Man kann nicht behaupten, dass dort die Grundstücksflächen einfacher zu finden und billiger zu bezahlen seien. „Wir waren sehr beeindruckt. Der Stab war in der Stadtplanung angesiedelt. Da haben wir noch viel zu lernen.“
>> Biennale: 28.5.–27.11.16, www.makingheimat.de, 2017 kommt
die Ausstellung nach Frankfurt.
23. Mai 2016, 11.25 Uhr
Tamara Marszalkowski
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