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Extremismusprävention
Gegensätze annehmen
In Frankfurt widmen sich mehrere Projekte dem Erhalt demokratischer Werte und der Prävention von Rechtsextremismus, Antisemitismus und Islamisierung bei Jugendlichen und Kindern. Die Ansätze sind sehr unterschiedlich.
„Wir müssen immer wieder darüber nachdenken, was sind Toleranz und Meinungsfreiheit“, sagt Maja Wolff. Die Frankfurter Schauspielerin ist Vorsitzende des Vereins Art-Q, der aktuell das Theaterstück „Extrem Anders“ in Schulen aufführt. Gemeinsam mit dem Sozialpädagogen Timo Becker hat sie vor fünf Jahren die Kunstfigur Malte Anders erstmals auf die Bühne geholt. Bisher klärte Malte über Homosexualität und Homophobie auf, in Extrem Anders wendet sich die Figur nun auch auf humorvolle Weise und in jugendgerechter Sprache den Themen Extremismus und Mobbing zu. Das einstündige Stück versucht dabei in einem Rundumschlag viele relevante Teilaspekte unter einen Hut zu bringen: Vom Herunterbrechen der Demokratie auf die gleichen Rechte für Alle, über das Outing als Homosexueller, Rassismus in unterschiedlichen Zeiten und Teilen der Erde, bis hin zum Selbstmordversuch einer Schülerin nach mehreren Mobbing-Attacken. „Das Thema hat es uns sehr schwer gemacht. Dazu auch noch Gags zu schreiben, war eine unglaubliche Herausforderung“, erklärt Becker, der Malte Anders spielt. Das Projekt wird seit vergangenem Jahr von der Stadt Frankfurt vom Dezernat für Integration und Bildung und von der Stiftung Citoyen gefördert. Während der Vorstellung werden die Jugendlichen eingebunden und können anschließend anonym Fragen stellen. „Damit übernehmen wir eine Rolle, die Lehrerinnen und Lehrer nicht leisten können. Die Jugendlichen können Fragen stellen, die sie sich sonst nicht trauen würden zu stellen“, sagt Wolff.
Mit Geschichte gegen Extremismus
Die Bildungsstätte Anne Frank wird von einem gemeinnützigen Verein getragen. Sie veranstaltet Workshops und Kurse für Erwachsene, Jugendliche und Lehrkräfte. Die Jugendlichen lernen dabei antisemitische, rassistische und sexistische Aussagen überhaupt erst einmal zu erkennen, die häufig in codierter Form auftauchen. „In unseren Seminaren geht es nicht nur darum, zu sagen, wie schlimm die Welt ist, sondern auch immer darüber zu sprechen, was gibt es für Gegenstrategien.“ erklärt die pädagogische Leiterin der Bildungsstätte Saba-Nur Cheema. Einen wichtigen Teil stellt neben den Workshops und Seminaren das interaktive Lernlabor „Anne Frank. Morgen mehr“ dar. Täglich kommen Schulklassen vorbei, die in den Räumlichkeiten multimedial über das Leben von Anne Frank, Einwanderung, Mobbing und Rassismus im Allgemeinen lernen. Ein Körperscanner zeigt den Besucherinnen und Besuchern wie Vorurteile nur anhand ihres Aussehens gebildet werden, eine Weltkarte stellt Einwanderung im Laufe der Jahrhunderte dar, eine Brille enttarnt beim Aufsetzen Alltagsrassismus. Meron Mendel, Leiter der Bildungsstätte, erklärt den Ansatz der Ausstellung so: „Niemand in unserer Gesellschaft ist vorurteilsfrei. Es geht uns in unserer Arbeit nicht darum, Vorurteile zu eliminieren, sondern sie zu hinterfragen und bewusst zu machen.“
Das Präventionsprogramm „Anti Anti“ des Jüdischen Museums richtet sich an Jugendliche aus Berufsschulen. Das Projekt wurde 2017 von der Erziehungswissenschaftlerin Dr. Türkan Kanbiçak ins Leben gerufen und verfolgt einen personenorientierten Ansatz, der die Schülerinnen und Schüler in der eigenen Lebensrealität bestärken und gleichzeitig das Verständnis für Andere fördern soll. In sechs Workshops, die über ein Halbjahr stattfinden, können Schülerinnen und Schüler, die häufig einen Migrationshintergrund besitzen oder selbst Migration erlebt haben, eigene Diskriminierungserfahrungen aufarbeiten und durch Selbstreflexion Vorurteile gegenüber Anderen auflösen. „Die Jugendlichen bekommen bei uns den Raum über ihre eigenen Erfahrungen zu sprechen.“, erklärt Projektkoordinatorin Eugenie Frank. Häufig werde in den Familien nicht über die eigene Migrationsgeschichte gesprochen. Im Projekt sollen die Jugendlichen einen Stammbaum zusammenstellen, der sie ein Stück näher an die eigene Identität bringt.
In Rollenspielen lernen sie, sich in die Lage anderer zu versetzen, in der kritischen Auseinandersetzung mit Nachrichten ihren Medienkonsum zu hinterfragen. Ein weiterer Aspekt ist die Konfrontation mit dem Heimatbegriff: Die Jugendlichen stellen in einem Video den Stadtteil vor, in dem sie aufgewachsen sind. „Wie sollen sich Menschen integrieren, die immer wieder das Gefühl bekommen, ein Teil von ihnen dürfe nicht hier sein?“, fragt Kanbiçak. Ein Teil des Workshops sei zudem das Emotionale und Haptische. Die Jugendlichen probieren koscheres Essen, besuchen eine Synagoge und veranstalten ihre Abschlussfeier im Museum. Dem Antisemitismus wird so auf sehr greifbare Weise die Grundlage entzogen. „Geehrt im Jüdischen Museum, das hat Nachhaltigkeit. So lernen sie auch das Aushalten von Widersprüchen. Das ist ein ganz wichtiges Element von Demokratiefähigkeit.“, so die Projektleiterin.
Projekte vor dem Aus
Aktuell wird „Anti Anti“ vom hessischen Kompetenzzentrum für Extremismusprävention gefördert, das Landesprogramm von „Demokratie leben!“ Dabei handelt es sich um ein seit 2015 bundesweit laufendes Programm des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zur Demokratieförderung und Extremismusprävention. Vergangenes Jahr bewarben sich rund 1000 Projekte und Initiativen auf die Fördermittel von 115,5 Millionen Euro. Nur einige davon enthielten die Unterstützung für ein Jahr. Eine dauerhafte Förderung ist bei „Demokratie leben!“ nicht vorgesehen, was das Vorausplanen für Projekte erschwert. Um das zu ändern, forciert beispielsweise Familienministerin Franziska Giffey ein Demokratieförderungsgesetz.
„Anti Anti“ enthält momentan auch Unterstützung vom Wohnungsunternehmen Vonovia, was es davor bewahrt, bei Streichung der staatlichen Förderung eingestellt zu werden. Anders sieht es beim Theaterworkshop „Wahrheiten & Narrheiten“ für Zweit- bis Siebtklässler aus. Der einwöchige Workshop verbindet traditionell türkisches Schattenspiel mit jüdischen Erzählungen, bei dem Kinder gemeinsam eine Geschichte konzipieren und Figuren basteln. Aktuell hänge das Projekt für das kommende Jahr in der Warteschleife, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wüssten nicht, ob sie ihre Jobs behielten, so Kanbiçak. „Ich halte nichts von Gießkannenförderung. Wenn die Politik das mit der Extremismusprävention wirklich ernst meint, muss das Demokratieförderungsgesetz her.“
Mit Geschichte gegen Extremismus
Die Bildungsstätte Anne Frank wird von einem gemeinnützigen Verein getragen. Sie veranstaltet Workshops und Kurse für Erwachsene, Jugendliche und Lehrkräfte. Die Jugendlichen lernen dabei antisemitische, rassistische und sexistische Aussagen überhaupt erst einmal zu erkennen, die häufig in codierter Form auftauchen. „In unseren Seminaren geht es nicht nur darum, zu sagen, wie schlimm die Welt ist, sondern auch immer darüber zu sprechen, was gibt es für Gegenstrategien.“ erklärt die pädagogische Leiterin der Bildungsstätte Saba-Nur Cheema. Einen wichtigen Teil stellt neben den Workshops und Seminaren das interaktive Lernlabor „Anne Frank. Morgen mehr“ dar. Täglich kommen Schulklassen vorbei, die in den Räumlichkeiten multimedial über das Leben von Anne Frank, Einwanderung, Mobbing und Rassismus im Allgemeinen lernen. Ein Körperscanner zeigt den Besucherinnen und Besuchern wie Vorurteile nur anhand ihres Aussehens gebildet werden, eine Weltkarte stellt Einwanderung im Laufe der Jahrhunderte dar, eine Brille enttarnt beim Aufsetzen Alltagsrassismus. Meron Mendel, Leiter der Bildungsstätte, erklärt den Ansatz der Ausstellung so: „Niemand in unserer Gesellschaft ist vorurteilsfrei. Es geht uns in unserer Arbeit nicht darum, Vorurteile zu eliminieren, sondern sie zu hinterfragen und bewusst zu machen.“
Das Präventionsprogramm „Anti Anti“ des Jüdischen Museums richtet sich an Jugendliche aus Berufsschulen. Das Projekt wurde 2017 von der Erziehungswissenschaftlerin Dr. Türkan Kanbiçak ins Leben gerufen und verfolgt einen personenorientierten Ansatz, der die Schülerinnen und Schüler in der eigenen Lebensrealität bestärken und gleichzeitig das Verständnis für Andere fördern soll. In sechs Workshops, die über ein Halbjahr stattfinden, können Schülerinnen und Schüler, die häufig einen Migrationshintergrund besitzen oder selbst Migration erlebt haben, eigene Diskriminierungserfahrungen aufarbeiten und durch Selbstreflexion Vorurteile gegenüber Anderen auflösen. „Die Jugendlichen bekommen bei uns den Raum über ihre eigenen Erfahrungen zu sprechen.“, erklärt Projektkoordinatorin Eugenie Frank. Häufig werde in den Familien nicht über die eigene Migrationsgeschichte gesprochen. Im Projekt sollen die Jugendlichen einen Stammbaum zusammenstellen, der sie ein Stück näher an die eigene Identität bringt.
In Rollenspielen lernen sie, sich in die Lage anderer zu versetzen, in der kritischen Auseinandersetzung mit Nachrichten ihren Medienkonsum zu hinterfragen. Ein weiterer Aspekt ist die Konfrontation mit dem Heimatbegriff: Die Jugendlichen stellen in einem Video den Stadtteil vor, in dem sie aufgewachsen sind. „Wie sollen sich Menschen integrieren, die immer wieder das Gefühl bekommen, ein Teil von ihnen dürfe nicht hier sein?“, fragt Kanbiçak. Ein Teil des Workshops sei zudem das Emotionale und Haptische. Die Jugendlichen probieren koscheres Essen, besuchen eine Synagoge und veranstalten ihre Abschlussfeier im Museum. Dem Antisemitismus wird so auf sehr greifbare Weise die Grundlage entzogen. „Geehrt im Jüdischen Museum, das hat Nachhaltigkeit. So lernen sie auch das Aushalten von Widersprüchen. Das ist ein ganz wichtiges Element von Demokratiefähigkeit.“, so die Projektleiterin.
Projekte vor dem Aus
Aktuell wird „Anti Anti“ vom hessischen Kompetenzzentrum für Extremismusprävention gefördert, das Landesprogramm von „Demokratie leben!“ Dabei handelt es sich um ein seit 2015 bundesweit laufendes Programm des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zur Demokratieförderung und Extremismusprävention. Vergangenes Jahr bewarben sich rund 1000 Projekte und Initiativen auf die Fördermittel von 115,5 Millionen Euro. Nur einige davon enthielten die Unterstützung für ein Jahr. Eine dauerhafte Förderung ist bei „Demokratie leben!“ nicht vorgesehen, was das Vorausplanen für Projekte erschwert. Um das zu ändern, forciert beispielsweise Familienministerin Franziska Giffey ein Demokratieförderungsgesetz.
„Anti Anti“ enthält momentan auch Unterstützung vom Wohnungsunternehmen Vonovia, was es davor bewahrt, bei Streichung der staatlichen Förderung eingestellt zu werden. Anders sieht es beim Theaterworkshop „Wahrheiten & Narrheiten“ für Zweit- bis Siebtklässler aus. Der einwöchige Workshop verbindet traditionell türkisches Schattenspiel mit jüdischen Erzählungen, bei dem Kinder gemeinsam eine Geschichte konzipieren und Figuren basteln. Aktuell hänge das Projekt für das kommende Jahr in der Warteschleife, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wüssten nicht, ob sie ihre Jobs behielten, so Kanbiçak. „Ich halte nichts von Gießkannenförderung. Wenn die Politik das mit der Extremismusprävention wirklich ernst meint, muss das Demokratieförderungsgesetz her.“
19. Februar 2020, 09.30 Uhr
Johanna Wendel
Johanna Wendel
Jahrgang 1993, Technikjournalismus-Studium an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, seit Januar 2019 beim Journal Frankfurt. Mehr von Johanna
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