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Nachruf

Der Gastgeber ist abgetreten

Am Mittwoch starb Sam Kamran bei einem Brand in seiner Wohnung. Mit ihm verliert die Stadt einen ihrer mutigsten Gastronomen. Ein Nachruf.
Sam Kamran ist tot. „Promi-Wirt“ schreiben nun einige und auch wenn Kamran sicher zu den prominentesten Wirten dieser Stadt gezählt hat, wird ihm dieses Klischee nicht gerecht. Unvergessen, wie er der Frankfurter Rundschau einst erzählte: „Hauptberuflich bin ich Raver. Gastronom bin ich bloß, um das zu finanzieren.“ Ein Glück für Frankfurt, denn Kamran war ein meisterhafter Gastgeber: Er verstand es, Welten zusammen zu bringen und aus einer Stadt voller Individualisten so etwas wie eine Gemeinschaft zu formen – meistens mit seinen Ideen, manchmal auch in Abgrenzung zu seinen Ideen.

Kamran hatte stets den Mut, einen eigenen Weg zu gehen. Er war kein Zauderer, lieber einer, der seinen Instinkten folgte. Zuletzt sorgte seine leidenschaftliche Hinwendung zum Vegetarismus für große Aufregung. Diese Fähigkeit, eine neue Einsicht von einem auf den andern Tag ohne Rücksicht auf Verluste durchzuziehen, bildete den Takt seines Lebens. Mit 17, kurz vor dem Abi an der europäischen Schule in Brüssel, schmiss er die Schule. Er kam nach Frankfurt, um an der Börse reich zu werden. Für seine erste Gastronomie, Jumalis Bar in Sachsenhausen, musste er sich trotzdem 20 000 von seiner damaligen Freundin leihen. Dort, an der Theke, entdeckte er seine Leidenschaft fürs Gastgeben.

Aus einem Laden wurden drei, dann das Café Hauptwache und als der Burger-Boom am Horizont erschien, stampfte Kamran mit Fletchers Better Burger direkt eine Kette aus dem Boden. Zwischendurch betrieb er so viele Konzepte parallel, wir scherzten bei FRANKFURT GEHT AUS, es brauche eine eigene Topliste „Top 5 Sam Kamran.“  Er hatte ein gutes Händchen für Trends. Was haben die Frankfurter:innen bei Montana anfangs gestaunt über die fluffig weiche Pizza Napoletana, schnell wurde sie zum Bahnhofsviertel-Klassiker und die Nachahmer ließen nicht lange auf sich warten. Kamran verstand es, die Mode-Wellen zu reiten, wusste aber auch, wann er wieder abspringen musste. Im Spätsommer 2017 sah es kurz so aus, als könnten Hot Dogs und Milchshakes das nächste große Ding werden. Doggystyle nannte Kamran sein dazu passendes Konzept. Wir hatten unseren Test seines neuen Ladens im JOURNAL FRANKFURT noch nicht veröffentlichen können, da war Doggystyle schon wieder Geschichte und wurde durch ein Fletchers ersetzt – Burger waren doch noch „better“ (fand unser Tester damals auch). Aber die Idee, dass eine Fletchers Filiale mehr als ein Burgerladen sein kann, blieb, und als die Poké Bowls nach Frankfurt kamen, hatte seine Misch Poké direkt ein Vertriebsnetz in der Stadt - Samuel Becketts „Try again, fail again, fail better“ als Lebensphilosophie.

Natürlich provozierte diese Sprunghaftigkeit auch regelmäßig Streit. Als die Pandemie begann, beschloss Kamran, Pizzas im Straßenverkauf für einen symbolischen Euro an Polizisten und Rettungskräfte zu verschenken, während viele Kolleg:innen schließen mussten. Aus einer Auseinandersetzung mit einer Vermieterin auf der Berger Straße machte er eine Youtube-Show. Mit schnellen Handyvideos hatte er in seinen letzten Tagen ein Ventil gefunden, dass seiner impulsiven Natur vielleicht zu sehr entgegen kam. „Hast du schon das Video von Sam Kamran gesehen?“ war ein Satz, mit dem man zuletzt immer gut ein Gespräch beginnen konnte.

Frankfurt hat weniger Einwohner:innen als Köln, aber alle Wolkenkratzer der Republik (bis auf einen). Es sind die Größenwahnsinnigen, die mit wilden Visionen und verrückten Ideen diese Stadt so einzigartig machen. Einer von Diesen ist nun abgetreten und die ganze Stadt schrumpft ein wenig in Trauer. Er wird fehlen. 
 
Fotogalerie:
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25. Januar 2021, 13.00 Uhr
Jan Paul Stich
 
 
 
 
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