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Lübcke-Prozess
Mehr Fragen als Antworten
Im Januar hat Stephan Ernst sein Geständnis zurückgezogen und in einer weiteren Version der Tatnacht Markus H. beschuldigt, Walter Lübcke versehentlich erschossen zu haben. Das Video der Vernehmung wurde am Dienstag vor Gericht gezeigt. Es wirft zahlreiche Fragen auf.
Am dritten Prozesstag wurde das Video der Vernehmung gezeigt, in der Stephan Ernst sein erstes Geständnis zurücknimmt und eine neue Version des Tathergangs präsentiert. Die Videoaufnahme dieser Vernehmung vom 8. Januar in einem Kasseler Polizeipräsidium zeigt einen ganz anderen Stephan Ernst als noch in dem Vernehmungsvideo zuvor. Während Ernst bei seinem ersten Geständnis ruhig und nervös nach unten blickend, tief einatmend seine halbe Lebensgeschichte erzählte, wirkt er bei seiner zweiten Vernehmung deutlich weniger emotional. Mit steinerner Miene sitzt Ernst im Januar neben seinem Verteidiger Frank Hannig, vor ihnen sitzen unter anderem ein Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs sowie Oberstaatsanwalt Dieter Killmer.
Die zweite Version liest Stephan Ernst monoton von einem Blatt ab. Er behauptet: „Markus H. hat, wie ich glaube, Herrn Lübcke versehentlich erschossen.“ Wie dies passiert sei, wolle er nun erklären. Die zweite Version beginnt bei der Bürgerversammlung in Lohfelden, bei der Stephan Ernst zum ersten Mal auf Walter Lübcke aufmerksam geworden sein soll. Dann sei der Plan entstanden, Lübcke eine „Abreibung“ verpassen zu wollen. Markus H. und Ernst seien in den Jahren danach mehrmals nach Wolfhagen-Istha zum Haus von Lübcke gefahren.
„So, Lübcke, Zeit zum Auswandern“
Irgendwann sei Markus H. auf die Idee gekommen, Walter Lübcke mit einer Waffe zu bedrohen und ihn zu schlagen. Beide seien sich einig gewesen, dass das Kirmes-Wochenende dafür geeignet sei. Bevor sie mit Ernsts Auto am 1. Juni 2019 zum Haus von Walter Lübcke gefahren seien, hätten sie an dem Auto falsche Nummernschilder montiert. Auf einer Pferdekoppel, etwa hundert Meter entfernt von Lübckes Anwesen, hätten sie dann auf den CDU-Politiker gewartet. Als sie Lübcke auf seiner Terrasse sahen, seien beide aus unterschiedlichen Richtungen auf die Terrasse getreten. „So, Lübcke, Zeit zum Auswandern“ habe Markus H. dann mit der Waffe in der Hand gesagt. Als Lübcke sich aufrichten habe wollen, habe Stephan Ernst ihn an der Schulter zurückgestoßen. Mit der Absicht, Lübcke gegen den Oberkörper zu treten, sei Ernst einen Schritt zurückgegangen. Daraufhin habe Lübcke erneut versucht, sich aufzurichten und geschrien „Verschwinden Sie!“ Dann habe Ernst plötzlich einen Schuss gehört und Walter Lübcke sei zusammengesackt.
Ernst und H. seien daraufhin zum Auto gerannt. „Wir sind am Arsch“, habe Markus H. im Auto gesagt. Auf Ernsts Frage hin, warum er geschossen habe, habe H. geantwortet, der Schuss habe sich aus Versehen gelöst. Das Verhalten macht den Ermittlungsrichter stutzig: „Haben Sie sonst nichts gefragt? Waren Sie nicht aufgebracht?“ Er und H. seien „schon außer sich gewesen“, versicherte Ernst. Nachdem auch sein Verteidiger ihn zu mehr Details auffordert, erklärt Ernst, er habe gesagt: „Ach du Scheiße. Was soll das? Wie konnte das passieren? Das gibt riesen Ärger. Die Polizei wird in so einem Fall ganz anders ermitteln.“ Doch die Worte überzeugen nicht, sie klingen als würde Stephan Ernst einen Text vorlesen. Am Tag darauf habe Ernst seine Waffen, darunter auch die Tatwaffe, gesäubert und später auf dem Grundstück seiner Arbeitsstelle vergraben.
Nicht nur der Inhalt des vierstündigen Vernehmungsvideos unterscheidet sich in vielen Punkten erheblich von dem ersten Geständnis, auch die Art, wie Stephan Ernst die zweite Version erzählt, ist vollkommen anders. Während Ernst in dem ersten Vernehmungsvideo teilweise weint und ausführlich schildert, wie es zu der Tat gekommen ist, zeigt er in dem zweiten Video keinerlei Emotionen, schildert kaum Details und antwortet auf Fragen des Ermittlungsrichters oder des Staatsanwaltes meist nur knapp.
Viele Fragen bleiben offen
Am Ende bleiben mehr Fragen als Antworten. Das spüren auch Ernst und sein Verteidiger, der seinen Mandanten immer wieder dazu auffordert, „aus sich rauszukommen“, um den Richter und den Staatsanwalt ebenso glaubhaft zu überzeugen wie er ihn zuvor überzeugt habe. Denn die Version des Geschehens wirft viele Fragen auf: Wie kann sich bei einem erfahrenen Schützen wie Markus H. versehentlich ein Schuss lösen? Warum haben Ernst und H. überhaupt eine geladene Waffe für eine „Abreibung“ mitgenommen? Warum hat Stephan Ernst die Tatwaffe nicht entsorgt? Warum haben sich Ernst und H. die Mühe gemacht, falsche Nummernschilder anzubringen, aber bei der geplanten „Abreibung“ keine Maske getragen? Und die entscheidende Frage: Warum hat Stephan Ernst in seiner ersten Version einen Mord gestanden und nicht auch in dieser Version von einem Versehen gesprochen? Keine der Antworten, die Stephan Ernst – manchmal geradezu verzweifelt – versucht zu geben, können überzeugen. „Ich glaube Ihnen das so nicht“, sagt der Ermittlungsrichter am Ende des Videos. Ob es ihm die Richter im Verhandlungssaal glauben, wird sich zeigen.
Vielleicht werden sich Ende Juli/Anfang August einige Fragen klären können. Dann werde Stephan Ernst eine umfangreiche, schriftliche Stellungnahme abgeben, kündigte sein Verteidiger Frank Hannig an.
Die zweite Version liest Stephan Ernst monoton von einem Blatt ab. Er behauptet: „Markus H. hat, wie ich glaube, Herrn Lübcke versehentlich erschossen.“ Wie dies passiert sei, wolle er nun erklären. Die zweite Version beginnt bei der Bürgerversammlung in Lohfelden, bei der Stephan Ernst zum ersten Mal auf Walter Lübcke aufmerksam geworden sein soll. Dann sei der Plan entstanden, Lübcke eine „Abreibung“ verpassen zu wollen. Markus H. und Ernst seien in den Jahren danach mehrmals nach Wolfhagen-Istha zum Haus von Lübcke gefahren.
„So, Lübcke, Zeit zum Auswandern“
Irgendwann sei Markus H. auf die Idee gekommen, Walter Lübcke mit einer Waffe zu bedrohen und ihn zu schlagen. Beide seien sich einig gewesen, dass das Kirmes-Wochenende dafür geeignet sei. Bevor sie mit Ernsts Auto am 1. Juni 2019 zum Haus von Walter Lübcke gefahren seien, hätten sie an dem Auto falsche Nummernschilder montiert. Auf einer Pferdekoppel, etwa hundert Meter entfernt von Lübckes Anwesen, hätten sie dann auf den CDU-Politiker gewartet. Als sie Lübcke auf seiner Terrasse sahen, seien beide aus unterschiedlichen Richtungen auf die Terrasse getreten. „So, Lübcke, Zeit zum Auswandern“ habe Markus H. dann mit der Waffe in der Hand gesagt. Als Lübcke sich aufrichten habe wollen, habe Stephan Ernst ihn an der Schulter zurückgestoßen. Mit der Absicht, Lübcke gegen den Oberkörper zu treten, sei Ernst einen Schritt zurückgegangen. Daraufhin habe Lübcke erneut versucht, sich aufzurichten und geschrien „Verschwinden Sie!“ Dann habe Ernst plötzlich einen Schuss gehört und Walter Lübcke sei zusammengesackt.
Ernst und H. seien daraufhin zum Auto gerannt. „Wir sind am Arsch“, habe Markus H. im Auto gesagt. Auf Ernsts Frage hin, warum er geschossen habe, habe H. geantwortet, der Schuss habe sich aus Versehen gelöst. Das Verhalten macht den Ermittlungsrichter stutzig: „Haben Sie sonst nichts gefragt? Waren Sie nicht aufgebracht?“ Er und H. seien „schon außer sich gewesen“, versicherte Ernst. Nachdem auch sein Verteidiger ihn zu mehr Details auffordert, erklärt Ernst, er habe gesagt: „Ach du Scheiße. Was soll das? Wie konnte das passieren? Das gibt riesen Ärger. Die Polizei wird in so einem Fall ganz anders ermitteln.“ Doch die Worte überzeugen nicht, sie klingen als würde Stephan Ernst einen Text vorlesen. Am Tag darauf habe Ernst seine Waffen, darunter auch die Tatwaffe, gesäubert und später auf dem Grundstück seiner Arbeitsstelle vergraben.
Nicht nur der Inhalt des vierstündigen Vernehmungsvideos unterscheidet sich in vielen Punkten erheblich von dem ersten Geständnis, auch die Art, wie Stephan Ernst die zweite Version erzählt, ist vollkommen anders. Während Ernst in dem ersten Vernehmungsvideo teilweise weint und ausführlich schildert, wie es zu der Tat gekommen ist, zeigt er in dem zweiten Video keinerlei Emotionen, schildert kaum Details und antwortet auf Fragen des Ermittlungsrichters oder des Staatsanwaltes meist nur knapp.
Viele Fragen bleiben offen
Am Ende bleiben mehr Fragen als Antworten. Das spüren auch Ernst und sein Verteidiger, der seinen Mandanten immer wieder dazu auffordert, „aus sich rauszukommen“, um den Richter und den Staatsanwalt ebenso glaubhaft zu überzeugen wie er ihn zuvor überzeugt habe. Denn die Version des Geschehens wirft viele Fragen auf: Wie kann sich bei einem erfahrenen Schützen wie Markus H. versehentlich ein Schuss lösen? Warum haben Ernst und H. überhaupt eine geladene Waffe für eine „Abreibung“ mitgenommen? Warum hat Stephan Ernst die Tatwaffe nicht entsorgt? Warum haben sich Ernst und H. die Mühe gemacht, falsche Nummernschilder anzubringen, aber bei der geplanten „Abreibung“ keine Maske getragen? Und die entscheidende Frage: Warum hat Stephan Ernst in seiner ersten Version einen Mord gestanden und nicht auch in dieser Version von einem Versehen gesprochen? Keine der Antworten, die Stephan Ernst – manchmal geradezu verzweifelt – versucht zu geben, können überzeugen. „Ich glaube Ihnen das so nicht“, sagt der Ermittlungsrichter am Ende des Videos. Ob es ihm die Richter im Verhandlungssaal glauben, wird sich zeigen.
Vielleicht werden sich Ende Juli/Anfang August einige Fragen klären können. Dann werde Stephan Ernst eine umfangreiche, schriftliche Stellungnahme abgeben, kündigte sein Verteidiger Frank Hannig an.
1. Juli 2020, 13.19 Uhr
Elena Zompi
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