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Coronavirus

Wenn der Sicherheitsabstand zum Privileg wird

In einem offenen Brief beklagen Beschäftigte der Integrativen Drogenhilfe die Zustände in und vor den Konsumräumen. Es fehle an Schutzkleidung und Maßnahmen zur Einhaltung der Sicherheitsabstände. Die Antworten der Verantwortlichen zeigen: Eine schnelle Lösung gibt es nicht.
Verschiedenste Schutzmaßnahmen sollen die Ausbreitung des Coronavirus verlangsamen und die Bevölkerung vor einer Ansteckung schützen. Doch die Möglichkeit, immer und überall einen Abstand von 1,5 Metern zu Mitmenschen einzuhalten und den Kontakt zu anderen Menschen auf ein Minimum zu reduzieren, ist für manche Menschen ein Privileg. In Frankfurt wird dies momentan verstärkt in der Drogenszene deutlich: In einem offenen Brief beklagen Beschäftigte der der Integrativen Drogenhilfe e.V. (IDH) die Zustände in und vor den Konsumräumen im Bahnhofsviertel.

„Wenn die Ausbreitung des Coronavirus verzögert werden soll, müssen diese Zustände sofort abgestellt werden“, heißt es dem Brief. So sollen sich vor dem Konsumraum in der Niddastraße regelmäßig 20 bis 50 Personen aufhalten; die Maßnahmen der Polizei, die den Abstand der wartenden Menschen vor den Konsumräumen gewährleisten soll, seien nicht ausreichend. „Die von der Polizei aufgestellten Absperrgitter tragen in keiner Weise dazu bei, dass der empfohlene Abstand untereinander eingehalten wird“, heißt es weiter in dem Schreiben. „Diese Problematik im Zusammenhang mit der Zugangsregelung ist der Polizei bekannt und wir stehen in engem Austausch mit dem Drogenreferat der Stadt Frankfurt und der Drogenhilfe“, äußert sich ein Sprecher der Polizei auf Anfrage.

Der offene Brief beschreibt zudem, die Beamtinnen und Beamten fordern die vor den Konsumräumen versammelten Menschen zwar über Lautsprecher auf, die Abstände einzuhalten, jedoch ohne Erfolg. Der Polizeisprecher bestätigt das Vorgehen, sagt aber auch, dass die Wartenden die Anweisungen der Polizei befolgen und die Zusammenkünfte nach Ansprache auflösen beziehungsweise darauf achten, den Mindestabstand einzuhalten. „Aufgrund der besonderen Lebenssituation der Betroffenen muss die Polizei das aber immer wieder und häufiger ansprechen, als das bei anderen Gruppen der Fall ist.“

Doch auch in den Konsumräumen selbst sei der Zustand laut den Verfasserinnen und Verfassern des Briefes nicht besser: Dort könne ebenfalls der Sicherheitsabstand häufig nicht gewährleistet werden, es fehlten Plexiglasschutzvorrichtungen wie in Tankstellen und Supermärkten. Wenn ein*e Drogengebraucher*in aufgrund einer Überdosierung beatmet werden muss, gebe es für die Beschäftigten keine Schutzkleidung. Auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sei es unmöglich, untereinander den empfohlenen Abstand einzuhalten. „Dass es den Beschäftigten auch in „normalen“ Zeiten aus hygienischen Gründen verboten ist, am Arbeitsplatz ein Butterbrot zu essen, erscheint in der aktuellen Situation widersinnig und zynisch: Butterbrot nein - Arbeiten ohne Infektionsschutz kein Problem.“ Wegen der Infektionsgefahr habe man das Angebot der Konsumplätze reduziert, diese Verknappung mache sich jedoch auf der Straße bemerkbar.

Eine zeitnahe Lösung in diesen Punkten wird es laut der Geschäftsführerin der Integrativen Drogenhilfe, Gabi Becker, nicht geben können. „Schutzkleidung und ähnliches sind knapp und müssen vorrangig an Institutionen wie Krankenhäuser oder Pflegedienste verteilt werden“, erklärt Becker. Sie verstehe die Ängste und Nöte ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Situation sei für alle Beteiligten eine absolute Ausnahme- und Krisensituation. Man versuche deshalb, so Becker, eine „gute Balance zwischen Mitarbeiterschutz und Fürsorge für die Menschen, mit denen wir arbeiten, hinzubekommen.“

Belastung für die Psyche

Wie belastend die Situation für die Psyche ist, machen die Beschäftigten der Drogenhilfe ebenfalls in dem Brief deutlich: „Mit anzusehen wie die, die noch nie auf der Sonnenseite des Lebens standen, sich selbst überlassen werden und deshalb – bei weiterer Tatenlosigkeit der politisch Verantwortlichen – auf der Straße sterben werden, bringt viele von uns an den Rand der psychischen Belastbarkeit – zumal wir uns durch unsere Arbeit tagtäglich einem extrem hohen Infektionsrisiko aussetzen.“

„Ich bin mir der ungeheuren Belastungen und Herausforderungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Drogenhilfeeinrichtungen sehr bewusst“, sagt Gesundheitsdezernent Stefan Majer (Bündnis 90/Die Grünen). Alle Beteiligten arbeiteten mit Hochdruck daran, die bestehenden Angebote aufrecht zu erhalten und für die derzeitige Krisensituation notwendige alternative Angebote zu realisieren. Für den Schutz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, so Majer, seien Schutzmasken aus städtischen Beständen zur Verfügung gestellt worden. „Auch wenn dies nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist, bemühen wir uns, möglichst schnelle, flexible und pragmatische Hilfen zu finden und die Probleme systematisch und abgestimmt anzugehen.“
 
Fotogalerie:
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1. April 2020, 12.40 Uhr
Elena Zompi
 
 
 
 
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