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Frankfurt Innenstadt
Wie sieht die Zukunft der Zeil aus?
Die Glanzzeiten der Zeil sind vorbei. Doch wie kann die Zukunft von Frankfurts Flaniermeile aussehen? Eine Bestandsaufnahme, Visionen und ein Ausblick.
Die Zeil, sie ist Frankfurts größte Einkaufsstraße und mit 11,8 Millionen Passanten im ersten Halbjahr 2023 sogar Deutschlands zweitbeliebteste Einkaufsstraße. Zu diesem Ergebnis kommt die Passantenfrequenz-Messung des Unternehmens Hystreet.com. Und tatsächlich, auf der Zeil ist reger Betrieb, egal zu welcher Uhrzeit man kommt. Aber ist Frequenz wirklich alles, muss man sich fragen, denn das Bild, dass die Zeil an diesem schönen Frühlingstag abgibt, ist nicht besonders einladend: Müll, leerstehende Läden, Bauzäune, dazwischen Straßenmusiker, die eher mit Lautstärke als mit Können Eindruck hinterlassen. Die Jugendlichen, die sich abends auf der Zeil treffen, stört das nicht. Sie haben sich mit alkoholischen Getränken eingedeckt, Nachschub gibt es im Supermarkt im Einkaufscenter MyZeil, der bis Mitternacht geöffnet hat. Die Hinterlassenschaften der privaten Zeil-Partys dürfen am nächsten Morgen andere wegräumen.
Die Glanzzeiten der Zeil sind definitiv vorbei. Die Corona-Pandemie und der Online-Handel haben den klassischen Warenhäusern arg zugesetzt. Wie das Statistische Bundesamt im März mitteilte, büßten Kaufhäuser in den vergangenen 20 Jahren über ein Drittel ihres Umsatzes ein. Mit der Folge, dass kaum ein Monat vergeht ohne die Meldung, dass ein alteingesessenes Geschäft seine Türen schließt: Görtz, Esprit, Eckerle und Karstadt sind weg, um nur einige Namen zu nennen, und auch Galeria Kaufhof, von der Signa-Pleite mitgerissen, musste bis vor kurzem bangen. Am Ostermontag eröffnete das Amtsgericht Essen das dritte Insolvenzverfahren. Mittlerweile ist bekannt, dass ein amerikanischer Warenhausbesitzer und ein früherer Kaufhof-Aufsichtsrat den Konzern übernehmen wollen, ihre Pläne sind allerdings noch unklar. 70 der 92 Filialen sollen weitergeführt werden.
Die Glanzzeiten der Zeil sind definitiv vorbei. Sind Schulen und Sporthallen die Zukunft?
Frank Diergardt ist Sprecher des Vereins Neue Zeil, einer Organisation, die die Interessen der 18 Anlieger der Zeil zwischen Hauptwache und Konstablerwache vertritt. Die Vereinsmitglieder sind die Immobilieneigentümer und Einzelhändler. Eines der Ziele des Vereins ist, die Einkaufsstraße in Absprache mit der Stadt so attraktiv wie möglich zu gestalten. „Die Zeil ist stark im Umbruch, alles ist im Vagen. Es ist nicht klar, wie ihre Zukunft in zehn Jahren aussieht“, sagt er und fährt fort: „Ich laufe jeden Tag drei bis vier Mal über die Zeil. Sie wirkt abstoßend, obwohl sie ja viel zu bieten hat.“ Die eingangs zitierten Passantenzahlen bildeten die Situation nicht richtig ab. Die Zeil sei eine wichtige Ost-West-Verbindung in der Stadt, die deshalb von vielen Menschen frequentiert wird. Das bedeute aber nicht, dass sie auch Umsatz machen. Hätten die Läden zufriedenstellende Einnahmen, würden sie auch nicht schließen.
„Die Zeil ist zu einem Treffpunkt vieler gesellschaftlicher Gruppen geworden, die aber nicht alle einkaufen“, fasst Diergardt zusammen. Daraus resultierten Probleme, die aber vom zuständigen Ordnungsdezernat nicht angegangen würden. „Frau Rinn überlässt die Zeil sich selbst, das war unter ihrem Vorgänger Markus Frank völlig anders.“ Polizeistreifen sehe man auf der Zeil selten, das werde auch von den Anliegern kritisiert. Für Ordnungsdezernentin Annette Rinn (FDP) ist die Zeil in den Abend- und Nachtstunden „bereits seit vielen Jahren“ ein beliebter Treffpunkt, was für sie an den Diskotheken und Clubs im näheren Umfeld liege. „Damit einhergehend spielt auch der Konsum von Alkohol eine große Rolle. Dieser ist aber im öffentlichen Raum grundsätzlich nicht verboten. Es finden zu unterschiedlichen Zeiten Bestreifungen durch Stadt- und Landespolizei statt, die allerdings aufgrund der weiteren Einsatz-Schwerpunkte nicht dauerhaft erfolgen können.“
Warum sieht die Zeil stellenweise so verdreckt aus? Darauf antwortet ein Sprecher der Frankfurter Entsorgungs- und Service GmbH (FES): „Die Verschmutzungen und die Abfallmenge hängen schon immer stark von der Saison und Witterung ab. Allerdings waren während Corona noch mehr Abfälle zu entsorgen. Wir stellen auch fest, dass nicht alle ihre Abfälle in die Papierkörbe werfen. Das nimmt leider zu.“ Zu den konkreten Mengen machte die FES keine Angaben. Gereinigt werde die Zeil von Montag bis Samstag jeweils früh ab kurz nach sechs und spät bis kurz vor 22 Uhr, am Sonntag nur früh. In der Zwischenzeit erfolgten weitere Leerungen der Papierkörbe.
© Bernd Kammerer
„Die Zeil vermittelt Tristesse, weil man spürt, dass das System dieser Art Einkaufsstraße nicht mehr funktioniert. Der Zeil fehlt zur Shopping-Mall nur noch das Dach, und die Probleme der Malls kennen wir“, sagt Christoph Mäckler, Architekt und Stadtplaner, und merkt an, die Zeil sei schon immer ein unstädtisches Projekt gewesen. Doch ob Müll, Strukturwandel oder Tristesse – feststeht: So wie die Zeil aktuell genutzt wird, wird sie nicht länger funktionieren. „Wir müssen vorankommen und wir wollen vorankommen“, heißt es auch vonseiten des Wirtschaftsdezernats rund um Stephanie Wüst (Das Interview finden Sie hier). Das Dezernat arbeite in diesem Rahmen bereits eng mit dem Stadtmarketing zusammen, sei jedoch nicht ausführende Kraft. „Wir nehmen gerne die Verantwortung auf uns, Dinge voranzutreiben und Projekte und Zustände immer wieder anzusprechen.“ Events, kurzfristige Maßnahmen seien geplant; es gehe darum, „auch mal was zu wagen, Mut an den Tag zu legen“, so Wüst und ergänzt: „Viele Projekte haben Einfluss darauf, wie es der Zeil geht. Ob Weihnachtsbeleuchtung, der Zustand der B-Ebenen oder der umliegenden Straßen. Und da machen wir viel.“
Mäckler: die Zeil für den Verkehr öffnen; Vorbild Kaiserstraße
Visionen, wie die Zukunft der Zeil aussehen könnte, gibt es bereits viele. Mäckler etwa schlägt vor, zwei Spuren in der Mitte für den Verkehr zu öffnen, um aus der Zeil wieder eine normale Stadtstraße zu machen. Die Bäume sollten herausgenommen und an die Stellen, wo sich die Kioske befinden, eingepflanzt werden. Zudem sollten breite Gehsteige mit einem Fahrradstreifen geschaffen werden. Als Vorbild schwebt Mäckler die Kaiserstraße vor: Hier gibt es Wohnungen, es wird gearbeitet und Läden können sich ansiedeln. Dies wäre auch für die Sicherheit förderlich: „Fußgängerzonen sind überall dort ein Problem, wo nicht gewohnt wird.“ In der Freßgass‘ zum Beispiel sei die Situation eine andere, da dort Wohnraum bestehe. Gut funktioniere seiner Ansicht nach der Wochenmarkt an der Konstablerwache. Allerdings ist der Platz zu groß und werde nicht optimal genutzt. „Warum also hier keine kleinen Häuser, wie am Viktualienmarkt in München, bauen mit Ladengeschäften im Erdgeschoss und Wohnungen im ersten Stock?“
Alles, was Leben, auch dauerhafter, in die Straße bringt, ist ein Gewinn – darüber sind sich alle Beteiligten einig. Ob durch Hotels, Wohnungen oder kulturelle Stätten, die für eine andere Belebung sorgen würden – auch in den späten Abendstunden. Mehr Kultur, aber auch mehr Bildung sieht Torsten Becker, Stadtplaner und Vorsitzender des Städtebaubeirats der Stadt Frankfurt, als eine Lösung; denn, so sagt er, auch das schaffe Frequenz. „Über das Thema Bildung in der Innenstadt muss ganz anders nachgedacht werden. Sie muss zurück in die Innenstadt, in Form der Hochschulen, in Form der Bibliotheken. In anderen Metropolen wird das viel zentraler gedacht. Warum können wir hier nicht auch einen Vernetzungspunkt schaffen?“
Die Krise als Chance?
Der Städtebaubeirat (STBBR) hat sich in mehreren Sitzungen und Begehungen mit der Innenstadt aus einandergesetzt. Das Thema: „Post-Corona-Innenstadt“ als Auslöser. Es gelte, die Krise als Chance, als Möglichkeit auf einen Neustart zu begreifen. Denn was Stadtplaner weltweit propagieren, sogenannte 15-Minuten-Städte, in denen alles schnell erreichbar ist, sei in Frankfurt eigentlich für hunderttausende Bürgerinnen und Bürger längst gegeben. „Es muss nur genutzt werden“, so Becker. Dafür dürfe die Zeil auch nicht gesondert betrachtet werden: Die Seitenstraßen, die sogenannten B-Lagen, die Verkehrssituation und die Architektur generell seien mitzudenken. „Menschen müssen auch ohne konkrete Bedürfnisse angelockt werden. Es muss mehr Geld für den öffentlichen Raum ausgegeben werden.“
Dass die Umnutzung von Gebäuden nicht ganz einfach ist, betont auch Oliver Gnad, Geschäftsführer des Bureau für Zeitgeschehen und Mitgründer von Solon. Die in Frankfurt ansässige Organisation realisiert Beteiligungs- und Dialogprozesse, um auf diese Art und Weise Zukunftsbilder zu gestalten. Während öffentliche Flächen, wie etwa die Hauptwache, einfacher zu verändern sind, ist die Umnutzung der Gebäude auf der Zeil äußerst schwierig. Unter anderem, so erklärt Gnad, weil viele der Gebäude in internationalen Immobilienfonds gelistet seien und einzeln aufgekauft werden müssten – zu Quadratmeterpreisen, die mitunter fünfstellig seien. Für Gnad einmal mehr der Grund, konkret Ideen zu schaffen und in den Austausch zu gehen, besonders mit jungen Leuten. „Wir können die Quadratmeter für die nächsten Generationen nur einmal bebauen und wir müssen uns fragen: Wie wollen wir Premiumlagen gesellschaftlich nutzen?“
Es braucht neue Leuchtturmprojekte, um andere Investoren zu mobilisieren.“
Ganz aussichtslos ist die Zukunft nicht, stehen einige Projekte unmittelbar in den Startlöchern: „Work, Live, City, Joy“ heißt das Motto, unter welchem der Immobilienentwickler Hines sich dem ehemaligen Esprit-Haus widmet. Teilten sich zuletzt mehrere Pop-up-Stores sowie die Banksy-Ausstellung die Fläche, soll das sechsgeschossige Haus unter dem Namen „OneTwoOne“ nun „revitalisiert“ werden: Büroflächen in den Etagen 2–5, Einzelhandel darunter, eine Dachterrasse darüber. Im Untergeschoss wiederum sollen Parkplätze mit E-Ladestationen sowie Fahrradstellplätze zur Verfügung gestellt werden. Ein Innenhof mit „flexiblen Entspannungs- und Arbeitsbereichen“ ist ebenfalls angedacht. Die Integration von Büroflächen in das Konzept sei eine Antwort auf die veränderten Anforderungen an moderne Arbeitswelten, die sich vor allem nach der Corona-Krise deutlich gezeigt hätten. „Viele Unternehmen stehen vor der Herausforderung, ihre Mitarbeitenden wieder ins Büro zu lotsen. Wir sind davon überzeugt, dass die Lage des Büros dabei eine Schlüsselrolle spielt“, erklärt Daniel Reichwein, Managing Director und Niederlassungsleiter bei Hines Immobilien. Die Zeil biete nicht nur eine einfache Anreise mit dem ÖPNV, sondern auch attraktive Anreize, wie ein vielfältiges Angebot an Restaurants, Bars und Sportmöglichkeiten. „Auf der Zeil sehen wir in Zukunft eine zunehmende Diversifizierung der Nutzungsmöglichkeiten, bei der neben den Einzelhändlern – die weiterhin eine wichtige Rolle spielen werden – Büronutzung, Wohnpotenziale, Hotelentwicklungen und/oder öffentliche Einrichtungen, stets abhängig von der spezifischen Größe und Lage der einzelnen Projekte.“ Erste Mieter sollen im Frühjahr 2026 einziehen können.
Midstad Frankfurt: eine Grundschule auf der Zeil?
Eine sogenannte Multi-Use-Immobilie soll auch das Peek & Cloppenburg-Gebäude hinter der Hausnummer 71–75 werden. Künftig sollen hier Einkaufen, Freizeit und Gastronomie, aber auch Arbeiten, gewerbliche Apartments sowie die Realisierung einer zweizügigen Grundschule integriert und in Einklang gebracht werden. Als Herzstück ist eine Multifunktionshalle auf der dritten Etage vorgesehen, wie es vonseiten Peek & Cloppenburgs heißt. „Wir merken, dass eine Mono-Nutzung nicht mehr funktioniert und die Bürger mehr, ja andere Angebote wollen.“ Die Hauptstoßzeiten seien aktuell Freitagnachmittag und Samstag. Eine Schule und eine Sporthalle könnten für ein anderes Ambiente sorgen und die Zeil zu anderen Tageszeiten beleben. Ein Architekturwettbewerb ist ausgelobt, die Entwürfe für Midstad Frankfurt, wie das Projekt heißt, sollen Mitte Juni bewertet werden.
Auch die Stiftung „Altes Neuland Frankfurt“ hat ein Konzept für die Umgestaltung der Hauptwache entworfen. Dabei setzen sie auf eine Kombination aus Rekonstruktion, Begrünung und nachhaltiger Technik. „Wenn Leute die Treppen aus der B-Ebene hinaufkommen, sollen sie direkt zum Verweilen eingeladen werden“, erklärte seinerzeit Landschaftsarchitekt Yannick Feige, der an dem Konzept mitgearbeitet hat.
© Benjamin Schuster
Info
Noch mehr Infos über Zeil? Gästeführer Christian Setzepfandt bietet einen Einblick in Frankfurts spannendste Straßen –
„Exzentrische Orte, Mythen und Wahrheiten über die Zeil“. Infos und Termine unter www.frankfurter-stadtevents.de/zeil
Die Glanzzeiten der Zeil sind definitiv vorbei. Die Corona-Pandemie und der Online-Handel haben den klassischen Warenhäusern arg zugesetzt. Wie das Statistische Bundesamt im März mitteilte, büßten Kaufhäuser in den vergangenen 20 Jahren über ein Drittel ihres Umsatzes ein. Mit der Folge, dass kaum ein Monat vergeht ohne die Meldung, dass ein alteingesessenes Geschäft seine Türen schließt: Görtz, Esprit, Eckerle und Karstadt sind weg, um nur einige Namen zu nennen, und auch Galeria Kaufhof, von der Signa-Pleite mitgerissen, musste bis vor kurzem bangen. Am Ostermontag eröffnete das Amtsgericht Essen das dritte Insolvenzverfahren. Mittlerweile ist bekannt, dass ein amerikanischer Warenhausbesitzer und ein früherer Kaufhof-Aufsichtsrat den Konzern übernehmen wollen, ihre Pläne sind allerdings noch unklar. 70 der 92 Filialen sollen weitergeführt werden.
Frank Diergardt ist Sprecher des Vereins Neue Zeil, einer Organisation, die die Interessen der 18 Anlieger der Zeil zwischen Hauptwache und Konstablerwache vertritt. Die Vereinsmitglieder sind die Immobilieneigentümer und Einzelhändler. Eines der Ziele des Vereins ist, die Einkaufsstraße in Absprache mit der Stadt so attraktiv wie möglich zu gestalten. „Die Zeil ist stark im Umbruch, alles ist im Vagen. Es ist nicht klar, wie ihre Zukunft in zehn Jahren aussieht“, sagt er und fährt fort: „Ich laufe jeden Tag drei bis vier Mal über die Zeil. Sie wirkt abstoßend, obwohl sie ja viel zu bieten hat.“ Die eingangs zitierten Passantenzahlen bildeten die Situation nicht richtig ab. Die Zeil sei eine wichtige Ost-West-Verbindung in der Stadt, die deshalb von vielen Menschen frequentiert wird. Das bedeute aber nicht, dass sie auch Umsatz machen. Hätten die Läden zufriedenstellende Einnahmen, würden sie auch nicht schließen.
„Die Zeil ist zu einem Treffpunkt vieler gesellschaftlicher Gruppen geworden, die aber nicht alle einkaufen“, fasst Diergardt zusammen. Daraus resultierten Probleme, die aber vom zuständigen Ordnungsdezernat nicht angegangen würden. „Frau Rinn überlässt die Zeil sich selbst, das war unter ihrem Vorgänger Markus Frank völlig anders.“ Polizeistreifen sehe man auf der Zeil selten, das werde auch von den Anliegern kritisiert. Für Ordnungsdezernentin Annette Rinn (FDP) ist die Zeil in den Abend- und Nachtstunden „bereits seit vielen Jahren“ ein beliebter Treffpunkt, was für sie an den Diskotheken und Clubs im näheren Umfeld liege. „Damit einhergehend spielt auch der Konsum von Alkohol eine große Rolle. Dieser ist aber im öffentlichen Raum grundsätzlich nicht verboten. Es finden zu unterschiedlichen Zeiten Bestreifungen durch Stadt- und Landespolizei statt, die allerdings aufgrund der weiteren Einsatz-Schwerpunkte nicht dauerhaft erfolgen können.“
Warum sieht die Zeil stellenweise so verdreckt aus? Darauf antwortet ein Sprecher der Frankfurter Entsorgungs- und Service GmbH (FES): „Die Verschmutzungen und die Abfallmenge hängen schon immer stark von der Saison und Witterung ab. Allerdings waren während Corona noch mehr Abfälle zu entsorgen. Wir stellen auch fest, dass nicht alle ihre Abfälle in die Papierkörbe werfen. Das nimmt leider zu.“ Zu den konkreten Mengen machte die FES keine Angaben. Gereinigt werde die Zeil von Montag bis Samstag jeweils früh ab kurz nach sechs und spät bis kurz vor 22 Uhr, am Sonntag nur früh. In der Zwischenzeit erfolgten weitere Leerungen der Papierkörbe.
© Bernd Kammerer
„Die Zeil vermittelt Tristesse, weil man spürt, dass das System dieser Art Einkaufsstraße nicht mehr funktioniert. Der Zeil fehlt zur Shopping-Mall nur noch das Dach, und die Probleme der Malls kennen wir“, sagt Christoph Mäckler, Architekt und Stadtplaner, und merkt an, die Zeil sei schon immer ein unstädtisches Projekt gewesen. Doch ob Müll, Strukturwandel oder Tristesse – feststeht: So wie die Zeil aktuell genutzt wird, wird sie nicht länger funktionieren. „Wir müssen vorankommen und wir wollen vorankommen“, heißt es auch vonseiten des Wirtschaftsdezernats rund um Stephanie Wüst (Das Interview finden Sie hier). Das Dezernat arbeite in diesem Rahmen bereits eng mit dem Stadtmarketing zusammen, sei jedoch nicht ausführende Kraft. „Wir nehmen gerne die Verantwortung auf uns, Dinge voranzutreiben und Projekte und Zustände immer wieder anzusprechen.“ Events, kurzfristige Maßnahmen seien geplant; es gehe darum, „auch mal was zu wagen, Mut an den Tag zu legen“, so Wüst und ergänzt: „Viele Projekte haben Einfluss darauf, wie es der Zeil geht. Ob Weihnachtsbeleuchtung, der Zustand der B-Ebenen oder der umliegenden Straßen. Und da machen wir viel.“
Visionen, wie die Zukunft der Zeil aussehen könnte, gibt es bereits viele. Mäckler etwa schlägt vor, zwei Spuren in der Mitte für den Verkehr zu öffnen, um aus der Zeil wieder eine normale Stadtstraße zu machen. Die Bäume sollten herausgenommen und an die Stellen, wo sich die Kioske befinden, eingepflanzt werden. Zudem sollten breite Gehsteige mit einem Fahrradstreifen geschaffen werden. Als Vorbild schwebt Mäckler die Kaiserstraße vor: Hier gibt es Wohnungen, es wird gearbeitet und Läden können sich ansiedeln. Dies wäre auch für die Sicherheit förderlich: „Fußgängerzonen sind überall dort ein Problem, wo nicht gewohnt wird.“ In der Freßgass‘ zum Beispiel sei die Situation eine andere, da dort Wohnraum bestehe. Gut funktioniere seiner Ansicht nach der Wochenmarkt an der Konstablerwache. Allerdings ist der Platz zu groß und werde nicht optimal genutzt. „Warum also hier keine kleinen Häuser, wie am Viktualienmarkt in München, bauen mit Ladengeschäften im Erdgeschoss und Wohnungen im ersten Stock?“
Alles, was Leben, auch dauerhafter, in die Straße bringt, ist ein Gewinn – darüber sind sich alle Beteiligten einig. Ob durch Hotels, Wohnungen oder kulturelle Stätten, die für eine andere Belebung sorgen würden – auch in den späten Abendstunden. Mehr Kultur, aber auch mehr Bildung sieht Torsten Becker, Stadtplaner und Vorsitzender des Städtebaubeirats der Stadt Frankfurt, als eine Lösung; denn, so sagt er, auch das schaffe Frequenz. „Über das Thema Bildung in der Innenstadt muss ganz anders nachgedacht werden. Sie muss zurück in die Innenstadt, in Form der Hochschulen, in Form der Bibliotheken. In anderen Metropolen wird das viel zentraler gedacht. Warum können wir hier nicht auch einen Vernetzungspunkt schaffen?“
Der Städtebaubeirat (STBBR) hat sich in mehreren Sitzungen und Begehungen mit der Innenstadt aus einandergesetzt. Das Thema: „Post-Corona-Innenstadt“ als Auslöser. Es gelte, die Krise als Chance, als Möglichkeit auf einen Neustart zu begreifen. Denn was Stadtplaner weltweit propagieren, sogenannte 15-Minuten-Städte, in denen alles schnell erreichbar ist, sei in Frankfurt eigentlich für hunderttausende Bürgerinnen und Bürger längst gegeben. „Es muss nur genutzt werden“, so Becker. Dafür dürfe die Zeil auch nicht gesondert betrachtet werden: Die Seitenstraßen, die sogenannten B-Lagen, die Verkehrssituation und die Architektur generell seien mitzudenken. „Menschen müssen auch ohne konkrete Bedürfnisse angelockt werden. Es muss mehr Geld für den öffentlichen Raum ausgegeben werden.“
Dass die Umnutzung von Gebäuden nicht ganz einfach ist, betont auch Oliver Gnad, Geschäftsführer des Bureau für Zeitgeschehen und Mitgründer von Solon. Die in Frankfurt ansässige Organisation realisiert Beteiligungs- und Dialogprozesse, um auf diese Art und Weise Zukunftsbilder zu gestalten. Während öffentliche Flächen, wie etwa die Hauptwache, einfacher zu verändern sind, ist die Umnutzung der Gebäude auf der Zeil äußerst schwierig. Unter anderem, so erklärt Gnad, weil viele der Gebäude in internationalen Immobilienfonds gelistet seien und einzeln aufgekauft werden müssten – zu Quadratmeterpreisen, die mitunter fünfstellig seien. Für Gnad einmal mehr der Grund, konkret Ideen zu schaffen und in den Austausch zu gehen, besonders mit jungen Leuten. „Wir können die Quadratmeter für die nächsten Generationen nur einmal bebauen und wir müssen uns fragen: Wie wollen wir Premiumlagen gesellschaftlich nutzen?“
Ganz aussichtslos ist die Zukunft nicht, stehen einige Projekte unmittelbar in den Startlöchern: „Work, Live, City, Joy“ heißt das Motto, unter welchem der Immobilienentwickler Hines sich dem ehemaligen Esprit-Haus widmet. Teilten sich zuletzt mehrere Pop-up-Stores sowie die Banksy-Ausstellung die Fläche, soll das sechsgeschossige Haus unter dem Namen „OneTwoOne“ nun „revitalisiert“ werden: Büroflächen in den Etagen 2–5, Einzelhandel darunter, eine Dachterrasse darüber. Im Untergeschoss wiederum sollen Parkplätze mit E-Ladestationen sowie Fahrradstellplätze zur Verfügung gestellt werden. Ein Innenhof mit „flexiblen Entspannungs- und Arbeitsbereichen“ ist ebenfalls angedacht. Die Integration von Büroflächen in das Konzept sei eine Antwort auf die veränderten Anforderungen an moderne Arbeitswelten, die sich vor allem nach der Corona-Krise deutlich gezeigt hätten. „Viele Unternehmen stehen vor der Herausforderung, ihre Mitarbeitenden wieder ins Büro zu lotsen. Wir sind davon überzeugt, dass die Lage des Büros dabei eine Schlüsselrolle spielt“, erklärt Daniel Reichwein, Managing Director und Niederlassungsleiter bei Hines Immobilien. Die Zeil biete nicht nur eine einfache Anreise mit dem ÖPNV, sondern auch attraktive Anreize, wie ein vielfältiges Angebot an Restaurants, Bars und Sportmöglichkeiten. „Auf der Zeil sehen wir in Zukunft eine zunehmende Diversifizierung der Nutzungsmöglichkeiten, bei der neben den Einzelhändlern – die weiterhin eine wichtige Rolle spielen werden – Büronutzung, Wohnpotenziale, Hotelentwicklungen und/oder öffentliche Einrichtungen, stets abhängig von der spezifischen Größe und Lage der einzelnen Projekte.“ Erste Mieter sollen im Frühjahr 2026 einziehen können.
Eine sogenannte Multi-Use-Immobilie soll auch das Peek & Cloppenburg-Gebäude hinter der Hausnummer 71–75 werden. Künftig sollen hier Einkaufen, Freizeit und Gastronomie, aber auch Arbeiten, gewerbliche Apartments sowie die Realisierung einer zweizügigen Grundschule integriert und in Einklang gebracht werden. Als Herzstück ist eine Multifunktionshalle auf der dritten Etage vorgesehen, wie es vonseiten Peek & Cloppenburgs heißt. „Wir merken, dass eine Mono-Nutzung nicht mehr funktioniert und die Bürger mehr, ja andere Angebote wollen.“ Die Hauptstoßzeiten seien aktuell Freitagnachmittag und Samstag. Eine Schule und eine Sporthalle könnten für ein anderes Ambiente sorgen und die Zeil zu anderen Tageszeiten beleben. Ein Architekturwettbewerb ist ausgelobt, die Entwürfe für Midstad Frankfurt, wie das Projekt heißt, sollen Mitte Juni bewertet werden.
Auch die Stiftung „Altes Neuland Frankfurt“ hat ein Konzept für die Umgestaltung der Hauptwache entworfen. Dabei setzen sie auf eine Kombination aus Rekonstruktion, Begrünung und nachhaltiger Technik. „Wenn Leute die Treppen aus der B-Ebene hinaufkommen, sollen sie direkt zum Verweilen eingeladen werden“, erklärte seinerzeit Landschaftsarchitekt Yannick Feige, der an dem Konzept mitgearbeitet hat.
© Benjamin Schuster
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24. Mai 2024, 14.49 Uhr
Sina Eichhorn/Jasmin Schülke
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22. November 2024
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