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The Pushkin-Channel Relay

„Man muss weiterschwimmen – was anderes bleibt einem nicht übrig“

Vier Frauen starteten am 9. August bei Samphire Hoe, zwei Meilen südlich von Dover, ihre Ärmelkanal-Querung. Ihr Ziel nach 50 Kilometern ist Pointe du Ride in der Nähe von Calais. Das JOURNAL hat mit ihnen gesprochen.
Bei 16 Grad Wassertemperatur und welligem Seegang erreichen Anke Rubien (60), Gabriele Becker-Hassemer (68), Claire Russell (61), Judith McCrory (52) nach 14 Stunden und einer Minute das sichere Ufer. Die Frankfurterin Anke hat sich lange auf diese Staffel vorbereitet und sich zusammen mit ihren Mitschwimmerinnen einen persönlichen Traum erfüllt. Bevor sie ihre Zuhause in Walldorf-Mörfelden aufgibt und nach Hannover zieht, hat sie unsere Fragen beantwortet.

JOURNAL FRANKFURT: Erstmal herzlichen Glückwunsch zu diesem Erfolg. Wie kommt man auf die Idee, schwimmend den Ärmelkanal zu durchqueren?
ANKE RUBIEN: Durch den Ärmelkanal zu schwimmen ist irgendwie der Traum eines jeden Freiwasser-Schwimmers. Ich wollte mir zu meinem 60.Geburtstag was Verrücktes gönnen beziehungsweise mich dieser Herausforderung stellen.

The Pushkin-Channel Relay: Frauen schwimmen durch den Ärmelkanal

Und seit wann war diese verrückte Herausforderung dann Realität?
Im Herbst 2020 kam Claire Russell (61), unsere britische Schwimmerin zu den Pushkin-Winterschwimmern und mit ihr, die Erfahrung. Sie ist bereits schon zweimal durch den Ärmelkanal geschwommen, sowohl alleine als auch in der Staffel. Mit ihrem Zuspruch konnte ich meinem Traum realisieren.

Welche Vorbereitungen habt ihr getroffen, sowohl sportlich also im Training als auch organisatorisch? was braucht man alles dazu und wie läuft das ab?
Zuerst musste ich weitere Staffelmitglieder finden. Dass Claire mir Ihre Unterstüzung und Teilnahme zusicherte, war unheimlich hilfreich. Aus den Reihen der Pushkin-Winterschwimmer hatte auch unsere Mitgründerin Dr. Gabriele Becker-Hassemer (68) den gleichen Wunsch und Judith McCrory (52) wurde zwar überrumpelt, konnte sich aber mit dem Gedanken anfreunden und somit war die 4er Staffel komplett. Mit dieser Entscheidung konnten wir im Training fortfahren. Da wir alle Eisschwimmerinnen sind, war das zunächst keine große Umstellung. Ab 2022 haben wir dann natürlich die Einheiten im kalten Wasser verlängert und sind zwei- bis dreimal die Woche in den Walldorfer See gegangen.

Organisatorisch war Claire eine riesengroße Hilfe. Als britische Eisschwimmerin kennt sie sich aus, denn sie hatte ja bereits 2018 als Soloschwimmerin den Ärmelkanal bezwungen. Sie kannte einen guten Piloten, also einen Kapitän und hat nach einen sogenannten Slot gefragt. Coronabedingt gab es leider eine große Wartezeit, aber August 2023 war für uns perfekt. Der Pilot wurde gebucht, eine Mitgliedschaft in der Channel Swimming & Piloting Federation (CSPF) abgeschlossen und im Juni 2022 waren wir beim Dover Channel Trainings Camp angemeldet. Eine echte Herausforderung und unsere erste gemeinsame Begegnung mit dem kalten, welligen und salzigen Meer.

Gemeinsam durch den Ärmelkanal bei 16 Grad Wassertemperatur


Aber unsere bisherigen Trainings, auch bei unter 16 Grad kaltem Wasser zu schwimmen, wurden von Erfolg gekrönt, denn wir haben alle den sogenannten Qualifyer geschafft, die Qualifizierung als Staffelschwimmer durch den Ärmelkanal zu schwimmen. Das bedeutet bei unter 16 Grad Wassertemperatur 1,5 Std schwimmen, anschließend 1 Std Pause und dann wieder 1,5 Std schwimmen. Diese Bestätigung wird dann mit der ärztlichen Bescheinigung eingereicht und somit ist die Staffel angemeldet und startberechtigt. Der ganze Spaß bis zu diesem Zeitpunkt kostete schon mal 2.700 Euro.

Das Ganze hatte auch einen Wohltätigkeitsaspekt. Wie kam es zu dieser Spendenaktion? Was genau war das Ziel, hat sich die Aktion „gelohnt“?
Da Gabi schon seit Jahren ehrenamtlich für German Doctors im Einsatz ist, war es für uns sehr naheliegend unsere Challenge damit zu verbinden. Wichtig war für uns, dass das gespendete Geld einem bestimmten Projekt in einem ausgewählten Ort zu Gute kommt, dem indischen Dorf Jhagram. German Doctors hat sogar Gabi gebeten, jetzt im Herbst dort dann den ersten Einsatz zu betreuen. Am Anfang dachten wir, dass wir maximal 4444€ zusammen bekommen – zum 40.Jubiläum von German Doctors hofften wir eine 4stellige Zahl zu erreichen. Dass nun am Ende fast 31.000€ für unser Projekt „Wir schwimmen für Jhagram“ gespendet wurden, ist unglaublich.





Kurz vor dem Start, was fühlt man? Lampenfieber, Nervosität oder eher Adrenalinschub? Gab es irgendwann mal Zweifel, ob du das schaffst, ob ihr das schafft?
Im Vorfeld hatte ich persönlich schon meine Zweifel. Bedingt durch privaten Stress, also der Hausverkauf und mein bevorstehender Umzug, konnte ich nicht das Trainingspensum erfüllen und wurde echt nervös. Ein kleine Medikamenten-Umstellung und die guten Trainingsmöglichkeiten in Dover haben das aber wieder wett gemacht. So wirklich kurz davor , also Mittwochnacht, war die Freude einfach groß, dass wir überhaupt starten konnten. Die Slots sind jeweils nur sieben Tage lang und wir hatten die ganze Zeit schlechtes Wetter. Somit waren wir einfach nur happy, dass wir starten konnten.

Seekrank bei der schwimmenden Querung des Ärmelkanals

Lief dann alles so wie geplant?
Nein, direkt nachdem ich an Bord des Begleitboots war, wurde ich seekrank und das trotz medizinischem Pflaster gegen Seekrankheit. Mir war sooooo schlecht. Und als Schluss-Schwimmerin in der Staffel war das eine Quälerei. Sowohl Claire, als auch unsere Observerin, die Kontrolleurin der CSPF, versicherten mir, dass es im Wasser besser wird. So war es dann auch und alles lief gut.

Was heißt das im Detail?
Während der Querung ist man voll im Fokus, jede im Team hatte ihre Aufgabe. Immer zwei nicht aufeinander folgenden Schwimmerinnen betreuen sich gegenseitig. Betreuung bedeutet, sich nach dem Schwimmen beim Anziehen helfen und um die Verpflegung kümmern, denn genug zu essen ist das A und O während des Schwimmens. Dass wir am Wettkampf-Tag dann auch noch super schönes sonniges Wetter hatten, war dann schon Motivation genug.





Gab es Zwischenfälle? Irgendwelche besondere Begegnungen im Wasser?
Ich habe zahlreiche Quallen im glasklaren Wasser unter mir gesehen , es sind schon schöne Tiere, aber vor einer Berührung hat man schon Angst. In der Tat ist mir eine Qualle am rechten Arm entlang bis zu den Beinen geschwommen. Es war ein kleiner Ruck, die kurze Überlegung, ob das jetzt schmerzt. Aber man muss ja weiterschwimmen – was anderes bleibt einem nicht übrig. An Bord habe ich dann nachgeschaut, ob sich Bläschen gebildet haben, aber es war dann doch nicht so schlimm.

„Man muss ja weiterschwimmen – was anderes bleibt einem nicht übrig“

Kurz vorm Ziel, Land in Sicht. Wer war die Erste? Wie war das Ankommen?
Das französische Ufer war sehr lange zum Greifen nah, aber Flut und Strömung trieben uns vom eigentlichen Landungspunkt zu weit weg. Claire und auch Gabi (1. und 2. Schwimmerin) haben alles gegeben, um wieder in Richtung Ufer zu kommen. Gabi war im 4. Wechsel kurz davor anzulanden, aber gemäß der Regeln war ganz knapp vor dem Strand die vorgeschriebene Schwimmeinheit vorbei. Es musste also der Wechsel zur nächsten Schwimmerin vollzogen werden und Judith ging dann als letzte Schwimmerin ins Wasser. Gott sei Dank hat dann die Observerin auch uns anderen erlaubt, hinter Judith mit an den Strand zu schwimmen, wir durften sie aber nicht überholen.

Würdet ihr das nochmal machen?
Als Staffel eventuell, ein Solo kommt zumindest für mich nicht in Frage. Ich bin am darauffolgenden Sonntag den Themse Marathon über 13 Kilomenter in 4:50 Std geschwommen – das reicht dann auch. Aber weitere Freiwasser-Veranstaltungen von 10 bis 15 Kilometern könnte ich mir schon weiterhin vorstellen.

Nochmals herzlichen Glückwunsch zu dieser besonderen Leistung und vielen Dank für das Gespräch.
 
Fotogalerie:
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1. September 2023, 16.01 Uhr
Interview: Tom Tizian
 
 
 
 
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