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Roma in Frankfurt
Aufräumen mit Vorurteilen
Eine Podiumsdiskussion am Donnerstag widmete sich der Lebensituation der Roma in Frankfurt. Man wollte mit Klischees aufräumen und Perspektiven für den Umgang mit der ethnischen Minderheit schaffen.
Für sie gibt es viele Namen: Hierzulande spricht man politisch korrekt von Sinti und Roma. Durch die Behörden geistern Wortungetüme wie „mobile ethnische Minderheiten“ oder gar „Rotationseuropäer“. Neuerdings soll sogar von „Frauen in bunten Röcken“ die Rede sein. Die meisten Menschen dürften sie allerdings unter dem verpönten Namen kennen: „Zigeuner“.
Mit diesem Begriff gehen viele Vorurteile einher, die sich in der öffentlichen Wahrnehmung zu bestätigen scheinen, wenn man durch die Innenstadt läuft: Dort prägen immer mehr Obdachlose, Bettler oder gar Diebe und Betrüger das Bild – wahrscheinlich aus Osteuropa, höchstwahrscheinlich „Zigeuner“, aber wer weiß das schon genau.
Weil das Thema Roma durch die Armutszuwanderung aus Osteuropa in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen hat, hat Integrationsdezernentin Nargess Eskandari-Grünberg (Grüne) am Donnerstagabend zu einer Podiumsdiskussion im Historischen Museum eingelanden. Ihr zufolge war es das erste Mal, dass die Stadt sich auf diese Weise mit der Lebenssituation der Roma befasste. „Das Thema gehört in die Mitte der Gesellschaft“, sagte sie. Bei der Diskussion wolle man „auf die Realität hinter den Klischees schauen“.
Eines dieser Vorurteile ist, dass Roma Nomaden, „fahrendes Volk“, seien, schon die krampfhaften Amtsausdrücke implizieren dies. Doch dieses Klischee entkräftete der Journalist Norbert Mappes-Niediek. Nur etwa zehn Prozent der Roma seien nicht sesshaft. In Rumänien zum Beispiel lebten die meisten der 1,8 bis 2,5 Millionen Roma auf dem Land, die wenigsten in Städten – dort aber in Slums. Und es seien eher die Stadtbewohner, die ihre Heimat verlassen. Wie in anderen Balkan-Ländern leben sie am Rand der Gesellschaft, haben keine Arbeit, weil sie keine bekommen. Es fehlt eine Lobby für die Minderheit.
Mappes-Niediek sprach von einer „fragmentierten Gesellschaft“. Das Hauptmissverständnis bestehe darin, dass bestimmte Lebensweisen mit sozialen und ethnischen Eigenschaften verbunden werden. Doch es trifft nach seiner Darstellung nicht zu, dass diese Menschen „es nicht anders wollen“. Weil die meisten zugewanderten Roma in Slums gelebt hätten, gehöre es zur Lebensstrategie, nicht zu planen. Eine sogenannte Roma-Kultur gebe es bei Slumbewohnern nicht. Die Traditionalisten unter den Roma hingegen seien in der Regel nicht arm und sesshaft.
Die Lösung für das Problem sei aber nicht mehr Bildung. „Der Zusammenhang zwischen Bildung und gutem Leben ist zerrissen“, sagte Mappes-Niediek in Bezug auf Südosteuropa. Er appellierte an die EU, mit einem Sozialfonds Grundstandards zu schaffen, wie etwa Wohnbedürfnisse zu erfüllen. „Das sollte in der EU selbstverständlich sein“, so der Journalist.
Ein positives Beispiel für ein gelungenes Roma-Projekt stellte am Donnerstagabend Daniel Ibrahimovic, Leiter der Bildungsstätte des Jugendhilfeträgers Aspe, vor. In Berlin wurde ein Wohnprojekt geschaffen, in dem auch etwa 300 rumänische Roma vorkommen. Ibrahimovic, selbst ein Rom, sprach von den Vorurteilen, mit denen er konfrontiert wurde: „Roma sind keine andere Spezies, sondern nur Menschen“, sagte er. In dieser Hinsicht müsse man die Nicht-Roma noch aufklären. Das Vorurteil, Roma seien integrationsunwillig, stimme nicht.
Die Integrationsbemühungen für Roma in Frankfurt stellten Joachim Brenner, Geschäftsleiter des Fördervereins Roma, und Sabine Ernst, Leiterin der Kita Schaworalle vor. In der Einrichtung, die zum Förderverein gehört, werden über 100 Kinder betreut. Dazu gehört auch eine Familienberatung. Am Dienstag erhielt der Verein den Integrationspreis der Stadt Frankfurt.
Angesprochen auf die Bettelei in der Innenstadt rechtfertigte Brenner die Praxis, mit Kindern zu betteln, nicht als Kalkül: „Das kommt aus Elend und Armut heraus“, sagte er. Diese komme auch daher, dass vielen Betroffenen die sozialen Leistungen versagt werden würden. Brenner äußerte den Wunsch an die Stadt, sich von Vorbehalten zu befreien und eine Sicherheit und Akzeptanz für die Roma aufzubauen.
Die Stadt Frankfurt ist sich der Herausforderung bewusst. In diesem Monat hat der Magistrat einen dezernatsübergreifenden runden Tisch zum Thema Armutszuwanderung einberufen. Doch dieser, so Eskandari-Grünberg, sei „nur ein Anfang“. Die Dezernentin sagte, man wolle es sich nicht einfach machen und „keine schnellen Lösungen“. „Wir nehmen das Thema sehr ernst“, so die Politikerin. Es seien aber auch die Europäische Union und die Bundesregierung in der Pflicht, die Armut abzubauen und Gleichberechtigung herzustellen. „Wir dürfen nicht zulassen, dass sich die Diskriminierung bis heute fortsetzt. EU-Bürger zweiter Klasse darf es nicht geben.“
Mit diesem Begriff gehen viele Vorurteile einher, die sich in der öffentlichen Wahrnehmung zu bestätigen scheinen, wenn man durch die Innenstadt läuft: Dort prägen immer mehr Obdachlose, Bettler oder gar Diebe und Betrüger das Bild – wahrscheinlich aus Osteuropa, höchstwahrscheinlich „Zigeuner“, aber wer weiß das schon genau.
Weil das Thema Roma durch die Armutszuwanderung aus Osteuropa in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen hat, hat Integrationsdezernentin Nargess Eskandari-Grünberg (Grüne) am Donnerstagabend zu einer Podiumsdiskussion im Historischen Museum eingelanden. Ihr zufolge war es das erste Mal, dass die Stadt sich auf diese Weise mit der Lebenssituation der Roma befasste. „Das Thema gehört in die Mitte der Gesellschaft“, sagte sie. Bei der Diskussion wolle man „auf die Realität hinter den Klischees schauen“.
Eines dieser Vorurteile ist, dass Roma Nomaden, „fahrendes Volk“, seien, schon die krampfhaften Amtsausdrücke implizieren dies. Doch dieses Klischee entkräftete der Journalist Norbert Mappes-Niediek. Nur etwa zehn Prozent der Roma seien nicht sesshaft. In Rumänien zum Beispiel lebten die meisten der 1,8 bis 2,5 Millionen Roma auf dem Land, die wenigsten in Städten – dort aber in Slums. Und es seien eher die Stadtbewohner, die ihre Heimat verlassen. Wie in anderen Balkan-Ländern leben sie am Rand der Gesellschaft, haben keine Arbeit, weil sie keine bekommen. Es fehlt eine Lobby für die Minderheit.
Mappes-Niediek sprach von einer „fragmentierten Gesellschaft“. Das Hauptmissverständnis bestehe darin, dass bestimmte Lebensweisen mit sozialen und ethnischen Eigenschaften verbunden werden. Doch es trifft nach seiner Darstellung nicht zu, dass diese Menschen „es nicht anders wollen“. Weil die meisten zugewanderten Roma in Slums gelebt hätten, gehöre es zur Lebensstrategie, nicht zu planen. Eine sogenannte Roma-Kultur gebe es bei Slumbewohnern nicht. Die Traditionalisten unter den Roma hingegen seien in der Regel nicht arm und sesshaft.
Die Lösung für das Problem sei aber nicht mehr Bildung. „Der Zusammenhang zwischen Bildung und gutem Leben ist zerrissen“, sagte Mappes-Niediek in Bezug auf Südosteuropa. Er appellierte an die EU, mit einem Sozialfonds Grundstandards zu schaffen, wie etwa Wohnbedürfnisse zu erfüllen. „Das sollte in der EU selbstverständlich sein“, so der Journalist.
Ein positives Beispiel für ein gelungenes Roma-Projekt stellte am Donnerstagabend Daniel Ibrahimovic, Leiter der Bildungsstätte des Jugendhilfeträgers Aspe, vor. In Berlin wurde ein Wohnprojekt geschaffen, in dem auch etwa 300 rumänische Roma vorkommen. Ibrahimovic, selbst ein Rom, sprach von den Vorurteilen, mit denen er konfrontiert wurde: „Roma sind keine andere Spezies, sondern nur Menschen“, sagte er. In dieser Hinsicht müsse man die Nicht-Roma noch aufklären. Das Vorurteil, Roma seien integrationsunwillig, stimme nicht.
Die Integrationsbemühungen für Roma in Frankfurt stellten Joachim Brenner, Geschäftsleiter des Fördervereins Roma, und Sabine Ernst, Leiterin der Kita Schaworalle vor. In der Einrichtung, die zum Förderverein gehört, werden über 100 Kinder betreut. Dazu gehört auch eine Familienberatung. Am Dienstag erhielt der Verein den Integrationspreis der Stadt Frankfurt.
Angesprochen auf die Bettelei in der Innenstadt rechtfertigte Brenner die Praxis, mit Kindern zu betteln, nicht als Kalkül: „Das kommt aus Elend und Armut heraus“, sagte er. Diese komme auch daher, dass vielen Betroffenen die sozialen Leistungen versagt werden würden. Brenner äußerte den Wunsch an die Stadt, sich von Vorbehalten zu befreien und eine Sicherheit und Akzeptanz für die Roma aufzubauen.
Die Stadt Frankfurt ist sich der Herausforderung bewusst. In diesem Monat hat der Magistrat einen dezernatsübergreifenden runden Tisch zum Thema Armutszuwanderung einberufen. Doch dieser, so Eskandari-Grünberg, sei „nur ein Anfang“. Die Dezernentin sagte, man wolle es sich nicht einfach machen und „keine schnellen Lösungen“. „Wir nehmen das Thema sehr ernst“, so die Politikerin. Es seien aber auch die Europäische Union und die Bundesregierung in der Pflicht, die Armut abzubauen und Gleichberechtigung herzustellen. „Wir dürfen nicht zulassen, dass sich die Diskriminierung bis heute fortsetzt. EU-Bürger zweiter Klasse darf es nicht geben.“
29. November 2013, 12.41 Uhr
Lukas Gedziorowski
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