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Eine Schramme ist da, aber war es ein Knirsch oder ein Knall? © AdobeStock/sunakri (Symbolbild)
Vor Gericht
Zeugenaussagen: Knirsch oder Knall?
Vor Gericht können Zeugenaussagen auseinandergehen – besonders, wenn die Beteiligten auch noch aufgeregt sind. Unser Gerichtskolumnist hat ein Beispiel zu einer Autokollision in Frankfurt.
Die Kosten für den Führerschein, so ließ sich kürzlich nachlesen, explodieren deutschlandweit. Ein Grund dafür sei der Umstand, so ließ ein Fahrlehrer verlauten, dass den Führerscheinanwärtern mittlerweile die Grundprinzipien der Verkehrsregeln erst beigebracht werden müssten. Wer auf den immer voller werdenden Straßen in Deutschland unterwegs ist, weiß, was damit gemeint ist.
Herr S. ist Zwanzig Jahre alt, hat seinen Führerschein auch noch nicht lange und steht wegen Fahrerflucht vor der Jugendrichterin. Er soll vor knapp einem Jahr bei einem Fahrspurwechsel auf der Jean-Monnet-Straße in Richtung Frankfurter Innenstadt mit seinem Auto den hinteren Kotflügel eines anderen Autos gestreift haben. Der Schaden belief sich auf rund 1500 Euro. Die Verhandlung verläuft kurios: Der Angeklagte sagt zum Vorwurf gar nichts, was sein gutes Recht ist.
„Der Angeklagte sagt noch immer nichts, aber das muss er nun auch nicht mehr“
Herr H., der Fahrer des beschädigten Fahrzeugs, ist in seiner Aussage vollkommen klar: Er habe, so sagt er, ein deutliches Knirschen gehört, dann sei das Auto des Beklagten rechts an ihm vorbeigefahren. Daraufhin bat Herr H. seine neben ihm sitzende Frau, das Kennzeichen zu notieren, und das war eben das des Angeklagten. Allerdings gab Herr H. bei der Polizei an, der Fahrer sei blond gewesen. Ist Herr S. blond? Auslegungssache. Dann kommt die Ehefrau des Geschädigten und bringt komplette Verwirrung in die Sache. Sie will einen lauten Knall gehört haben. Dann sei das Auto, dessen Kennzeichen sie aufgeschrieben habe, plötzlich links gewesen und nichts rechts. Insgesamt ist sie sehr aufgeregt.
Der Angeklagte sagt noch immer nichts; das muss er nun auch nicht mehr. Den Schaden am Auto von Herrn H. hat die gegnerische Versicherung erstaunlicherweise schon längst beglichen. Es spricht einiges dafür, dass Herr S. tatsächlich das Auto des Zeugen beschädigt hat. Nachweisen ließe es sich aber wahrscheinlich nicht; dafür war die Situation zu unübersichtlich. Mit Zustimmung der Staatsanwältin stellt die Richterin das Verfahren wegen Geringfügigkeit ein.
Herr S. ist Zwanzig Jahre alt, hat seinen Führerschein auch noch nicht lange und steht wegen Fahrerflucht vor der Jugendrichterin. Er soll vor knapp einem Jahr bei einem Fahrspurwechsel auf der Jean-Monnet-Straße in Richtung Frankfurter Innenstadt mit seinem Auto den hinteren Kotflügel eines anderen Autos gestreift haben. Der Schaden belief sich auf rund 1500 Euro. Die Verhandlung verläuft kurios: Der Angeklagte sagt zum Vorwurf gar nichts, was sein gutes Recht ist.
Herr H., der Fahrer des beschädigten Fahrzeugs, ist in seiner Aussage vollkommen klar: Er habe, so sagt er, ein deutliches Knirschen gehört, dann sei das Auto des Beklagten rechts an ihm vorbeigefahren. Daraufhin bat Herr H. seine neben ihm sitzende Frau, das Kennzeichen zu notieren, und das war eben das des Angeklagten. Allerdings gab Herr H. bei der Polizei an, der Fahrer sei blond gewesen. Ist Herr S. blond? Auslegungssache. Dann kommt die Ehefrau des Geschädigten und bringt komplette Verwirrung in die Sache. Sie will einen lauten Knall gehört haben. Dann sei das Auto, dessen Kennzeichen sie aufgeschrieben habe, plötzlich links gewesen und nichts rechts. Insgesamt ist sie sehr aufgeregt.
Der Angeklagte sagt noch immer nichts; das muss er nun auch nicht mehr. Den Schaden am Auto von Herrn H. hat die gegnerische Versicherung erstaunlicherweise schon längst beglichen. Es spricht einiges dafür, dass Herr S. tatsächlich das Auto des Zeugen beschädigt hat. Nachweisen ließe es sich aber wahrscheinlich nicht; dafür war die Situation zu unübersichtlich. Mit Zustimmung der Staatsanwältin stellt die Richterin das Verfahren wegen Geringfügigkeit ein.
25. Juni 2024, 12.25 Uhr
Christoph Schröder
Christoph Schröder
Christoph Schröder studierte in Mainz Germanistik, Komparatistik und Philosophie. Seine Interessensschwerpunkte liegen auf der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur und dem Literaturbetrieb. Er ist Dozent für Literaturkritik an der Goethe-Universität Frankfurt. Mehr von Christoph
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