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Vor Gericht
Rechtsprechung ist auch Geduldssache
Was passiert beim Jugendgericht, wenn künftig alle Delikte rund ums Kiffen wegfallen? Wenn weniger Schulklassen im Publikum sitzen? Unser Autor beobachtet.
Grundsätzliche Anmerkung: Es ist großartig, dass auch Schülerinnen und Schüler schon im jungen Alter an die Gepflogenheiten des Rechtssystems herangeführt werden. Und auch, dass ihnen vor Augen geführt wird, wie es einmal mit ihnen enden könnte, falls sie sich daneben benehmen. Unglücklicherweise fallen zukünftig all die Kifferdelikte vor dem Jugendgericht weg; das war immer ganz spaßig und auch aus dem Leben der jungen Menschen gegriffen.
Andererseits ist es durchaus ein wenig beschwerlich, wenn eine ganze Schulklasse den Zuschauerraum eines Gerichtssaals entert, begleitet von den mahnenden, nutzlosen „Pschhhht“-Lauten ihrer Lehrer. In diesem Fall ist es so: Die Schulklasse breitet sich geräusch- und geruchvoll aus; die Vertreterin der Amtsanwaltschaft ist da, doch der Angeklagtenplatz ist noch leer. Der Berichterstatter ahnt: Der kommt heute auch nicht mehr und verlässt den Saal.
Der vermeintliche technische Fortschritt hat im Straßenverkehr auch seine Tücken
Nebenan ist es leer, weil eher unspektakulär, wenn auch sehr zeitgemäß. Frau P., 64 Jahre alt, wird beschuldigt, beim Ausparken ein anderes Auto gerammt und einen Sachschaden von rund 1000 Euro verursacht zu haben. Frau P. hat sich auf ihre Parksensoren verlassen. Die hätten laut gepiept, aber nicht im Dauerton; „da muss also noch Platz gewesen sein“, sagt sie. Eine Zeugin jedoch hat den Anstoß nicht nur gesehen, sondern auch gehört, und dabei soll es sich um kein eben leises Geräusch gehandelt haben. Das hat Frau P. wiederum nicht wahrgenommen, weil es in ihrem Auto ja so laut gepiept hat.
Soll noch einer behaupten, der vermeintliche technische Fortschritt habe nicht auch seine Tücken. Frau P. soll eine Geldstrafe von 1500 Euro bezahlen und außerdem ihren Führerschein für zwei Monate abgeben. Das will sie nicht, doch ihr erfahrener Anwalt rät ihr in einer Verhandlungspause zur Rücknahme des Einspruchs. Frau P. zuckt resigniert mit den Achseln und lenkt ein. Das ging schnell. Im Gerichtsflur steht die Schulklasse etwas ratlos herum. Sie lernt gerade: Rechtsprechung ist auch Geduldssache.
Andererseits ist es durchaus ein wenig beschwerlich, wenn eine ganze Schulklasse den Zuschauerraum eines Gerichtssaals entert, begleitet von den mahnenden, nutzlosen „Pschhhht“-Lauten ihrer Lehrer. In diesem Fall ist es so: Die Schulklasse breitet sich geräusch- und geruchvoll aus; die Vertreterin der Amtsanwaltschaft ist da, doch der Angeklagtenplatz ist noch leer. Der Berichterstatter ahnt: Der kommt heute auch nicht mehr und verlässt den Saal.
Nebenan ist es leer, weil eher unspektakulär, wenn auch sehr zeitgemäß. Frau P., 64 Jahre alt, wird beschuldigt, beim Ausparken ein anderes Auto gerammt und einen Sachschaden von rund 1000 Euro verursacht zu haben. Frau P. hat sich auf ihre Parksensoren verlassen. Die hätten laut gepiept, aber nicht im Dauerton; „da muss also noch Platz gewesen sein“, sagt sie. Eine Zeugin jedoch hat den Anstoß nicht nur gesehen, sondern auch gehört, und dabei soll es sich um kein eben leises Geräusch gehandelt haben. Das hat Frau P. wiederum nicht wahrgenommen, weil es in ihrem Auto ja so laut gepiept hat.
Soll noch einer behaupten, der vermeintliche technische Fortschritt habe nicht auch seine Tücken. Frau P. soll eine Geldstrafe von 1500 Euro bezahlen und außerdem ihren Führerschein für zwei Monate abgeben. Das will sie nicht, doch ihr erfahrener Anwalt rät ihr in einer Verhandlungspause zur Rücknahme des Einspruchs. Frau P. zuckt resigniert mit den Achseln und lenkt ein. Das ging schnell. Im Gerichtsflur steht die Schulklasse etwas ratlos herum. Sie lernt gerade: Rechtsprechung ist auch Geduldssache.
24. Mai 2024, 11.36 Uhr
Christoph Schröder
Christoph Schröder
Christoph Schröder studierte in Mainz Germanistik, Komparatistik und Philosophie. Seine Interessensschwerpunkte liegen auf der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur und dem Literaturbetrieb. Er ist Dozent für Literaturkritik an der Goethe-Universität Frankfurt. Mehr von Christoph
Schröder >>
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