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Ukraine, Inflation und Therapie
Man kann nicht alles auf einmal schaffen
Was eine Autofahrt in einem Frankfurter Stadtteil alles auslösen kann: Unser Kolumnist Christoph Schröder denkt über multiple Krisen nach – und die Ohnmacht des Individuums.
Kürzlich fuhr ich im Auto mit einem Freund, der im Immobiliengeschäft tätig ist, an einem gerade frei geräumten Grundstück in einem Frankfurter Stadtteil vorbei. Beiläufig sagte der Freund: „Das Grundstück hat man uns gerade für 36 Millionen zum Kauf angeboten.“ Ich guckte ihn an, um zu schauen, ob er einen Scherz macht, aber nein, das war sein voller Ernst.
In solchen Augenblicken (die gibt es hin und wieder) wird mir bewusst, wie wenig Ahnung ich eigentlich tatsächlich habe von den mittleren (und das wäre wohl in diesem Fall das richtige Wort) und ganz großen Geschäften, die um mich herum ablaufen. Ich lese dies und lese das, lese, dass der DAX sich wieder einmal einem neuen Höchststand nähert und frage mich: Warum eigentlich? Ich dachte, diesem Land geht es so schlecht.
„Wir sind gerade aus der Komfortzone raus“
Und wenn ich mich umschaue in meinem Freundeskreis, bei Gastronomen, Immobilienmenschen, Kleinunternehmern mit eigenem Betrieb oder auch bei mir selbst, dann merke ich, dass die Lage insgesamt tatsächlich angespannter, bedrängter ist. Wir sind gerade aus der Komfortzone raus. Und irgendwie ist mir auch klar, dass es Vorgänge gibt, für die ich kein Bewusstsein habe, die aber mein Leben mitbestimmen. Aber ich kann mich auch nicht um alles kümmern.
Ich kann nicht die Wirtschaft ankurbeln, gesund bleiben und auch noch den Krieg einfrieren. Ich kann im Sommer Johannisbeeren einfrieren, die ich in meinem Schrebergarten gepflanzt habe; das wars aber auch schon. Jüngere Leute kommen jetzt hier um die Ecke und sagen: „Könntest Du Deine Sche**-Ironie nicht auch gleich mit einfrieren? Für Ironie ist die Lage zu ernst; außerdem ist Ironie ein Unterdrückungsinstrument der herrschenden Klasse.“
Was schafft in einer prekären Situation Linderung? Therapie.
Aber was schafft denn in einer prekären Situation sonst noch Linderung? Wenn ich mich so auf den Online-Portalen der großen Magazine umschaue, ist die Antwort: Nur noch eine Therapie. Viele junge Frauen, so habe ich gelesen, reden gar nicht mehr mit Männern, die „nicht austherapiert sind“. Ich wünsche gute Besserung. Es wird Frühling. Es wird heller.
In solchen Augenblicken (die gibt es hin und wieder) wird mir bewusst, wie wenig Ahnung ich eigentlich tatsächlich habe von den mittleren (und das wäre wohl in diesem Fall das richtige Wort) und ganz großen Geschäften, die um mich herum ablaufen. Ich lese dies und lese das, lese, dass der DAX sich wieder einmal einem neuen Höchststand nähert und frage mich: Warum eigentlich? Ich dachte, diesem Land geht es so schlecht.
Und wenn ich mich umschaue in meinem Freundeskreis, bei Gastronomen, Immobilienmenschen, Kleinunternehmern mit eigenem Betrieb oder auch bei mir selbst, dann merke ich, dass die Lage insgesamt tatsächlich angespannter, bedrängter ist. Wir sind gerade aus der Komfortzone raus. Und irgendwie ist mir auch klar, dass es Vorgänge gibt, für die ich kein Bewusstsein habe, die aber mein Leben mitbestimmen. Aber ich kann mich auch nicht um alles kümmern.
Ich kann nicht die Wirtschaft ankurbeln, gesund bleiben und auch noch den Krieg einfrieren. Ich kann im Sommer Johannisbeeren einfrieren, die ich in meinem Schrebergarten gepflanzt habe; das wars aber auch schon. Jüngere Leute kommen jetzt hier um die Ecke und sagen: „Könntest Du Deine Sche**-Ironie nicht auch gleich mit einfrieren? Für Ironie ist die Lage zu ernst; außerdem ist Ironie ein Unterdrückungsinstrument der herrschenden Klasse.“
Aber was schafft denn in einer prekären Situation sonst noch Linderung? Wenn ich mich so auf den Online-Portalen der großen Magazine umschaue, ist die Antwort: Nur noch eine Therapie. Viele junge Frauen, so habe ich gelesen, reden gar nicht mehr mit Männern, die „nicht austherapiert sind“. Ich wünsche gute Besserung. Es wird Frühling. Es wird heller.
14. April 2024, 12.00 Uhr
Christoph Schröder
Christoph Schröder
Christoph Schröder studierte in Mainz Germanistik, Komparatistik und Philosophie. Seine Interessensschwerpunkte liegen auf der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur und dem Literaturbetrieb. Er ist Dozent für Literaturkritik an der Goethe-Universität Frankfurt. Mehr von Christoph
Schröder >>
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Text: Jasmin Schülke / Foto: © Klaus Berger
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