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Klimawandel

Witze über Verspätungen der Bahn will ich nicht mehr lesen

Nach der Erfindung des Wortes „Flugscham“ fliegen die Menschen einfach heimlich weiter. Derweil macht sich der „Zugstolz“ breit. Für unseren Kolumnisten Christoph Schröder ein schönes Wort, das jedoch ein utopischer Begriff bleibt.
Kurz vor dem Sommer des Jahres 2019, als die Welt Corona nur als Bier kannte, erschien in der Zeit ein Artikel mit dem Titel „Der dumme Weltbürger“. Er erzählte von Menschen, denen das Problem des Klimawandels und dessen Gefahren durchaus bewusst sind, die aber nun, nach der Erfindung des Wortes „Flugscham“, einfach heimlich fliegen.

Als Alternative zu Flugscham, gibt es nun auch „Zugstolz“

Was man nicht ausspricht, ist auch nicht geschehen. Als Alternative zur Flugscham empfahl der Autor die Einführung des Wortes „Zugstolz“. Das leuchtet mir absolut ein, aber wenden wir unseren Blick doch dann einmal der Bahn zu: Die sozialen Medien gehen mir oft auf den Senkel, aber für den Umgang mit der Bahn gilt das ganz besonders. Ich möchte bitte nirgendwo mehr Witze oder Beschwerden über Verspätungen lesen, egal von wem. Auch nicht vom von mir sehr geschätzten amerikanischen Starautor T. C. Boyle, der unlängst in Deutschland auf Lesereise mit der Bahn unterwegs war und sich auf Twitter über Verspätungen, Baustellen und geschlossene Zugrestaurants lustig machte.

„Zugstolz“ ist ein schönes Wort, das aber in absehbarer Zeit ein utopischer Begriff bleiben wird, weil die Bahn die die Einführung des revolutionären Deutschlandtaktes jüngst mal eben von 2030 auf 2070 geschoben hat. Jetzt ist Urlaubszeit. Was bleibt also? Um es deutlich zu sagen: Ich verachte mittlerweile Leute, die im Internet auf die dümmste Weise den menschengemachten Klimawandel bestreiten.

Die Telegramm-Gruppe verlassen, Rollläden hochziehen und vor die Tür gehen

Man müsste nur mal seine Telegram-Gruppe (gibt es das überhaupt noch?) verlasen, die Rollläden hochziehen und vor die Tür gehen, um sich belehren zu lassen. Oder im Internet die richtigen, wissenschaftlich fundierten Seiten lesen. Wie oft fliegen Sie? Ich bin zehn Jahre lang gar nicht geflogen, nicht aus Scham, sondern aus nackter Angst. Wenn Sie diesen Text hier lesen, werde ich, vorrausgesetzt, es geschieht kein Unglück, auf einer 91 Quadratkilometer großen Insel mitten im Atlantik sitzen, irgendwo zwischen Europa und den USA. Wie ich dorthin komme, verrate ich Ihnen nicht. Ein Weltbürger bin ich trotzdem nicht. Aber dumm.
 
Fotogalerie:
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6. August 2023, 14.39 Uhr
Christoph Schröder
 
Christoph Schröder
Christoph Schröder studierte in Mainz Germanistik, Komparatistik und Philosophie. Seine Interessensschwerpunkte liegen auf der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur und dem Literaturbetrieb. Er ist Dozent für Literaturkritik an der Goethe-Universität Frankfurt. – Mehr von Christoph Schröder >>
 
 
 
 
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