Partner
Antisemitismus auf der Buchmesse
Das Problem steckt in dem Wort „aber“
Die Gespräche über Antisemitismus in Deutschland dauern an. Das Wort „aber“ hält unser Kolumnist Christoph Schröder in diesem Kontext für unangemessen.
Wenn dieser Text erscheint, wird die 75. Frankfurter Buchmesse vorbei sein. Streit gab es dort schon immer, Diskussionen, Meinungsverschiedenheiten. Aber so aufgewühlt, so aggressiv und zersplittert habe ich noch keine Messe in den vergangenen Jahrzehnten erlebt. Ein Mensch, der im Kontext der Messe in hoher Verantwortung steht, sagte zu mir: „Die Buchmesse ist nun einmal immer ein Spiegel unserer Zeit. Genau so ist die Welt gerade.“ Wahrscheinlich ist es genau so.
Und das bildet sich auch in den sozialen Medien ab, in denen sich Menschen, die ich für klug und reflektiert halte, gegenseitig auf das Schärfste attackieren. Beiträge, in denen die Frankfurter Buchmesse, die sich als Institution solidarisch mit Israel erklärt hat, von einem Schriftsteller gefragt wird, ob sie nicht vielleicht doch einer palästinensischen Schriftstellerin einen Preis verleihen möchte, wenn Israel in den kommenden Tag noch ausreichend Palästinenser töte.
Im deutschen Kulturbetrieb herrscht ein massives Problem
Wenn es insgesamt noch eines Beweises bedurft hätte (hätte es natürlich nicht, denn den hat bereits der Umgang mit der documenta im vergangenen Jahr geliefert, dass im deutschen Kulturbetrieb ein massives Problem herrscht), dann ist er jetzt erbracht. Ich weiß, das Land verändert sich; es gibt neue, andere Perspektiven. Ich sage das nicht ironisch, denn es ist ja so. Aber sie müssen einem ja nicht gefallen. Wie oft habe ich in den vergangenen Tagen bei Gesprächen rund um die Messe den Satz gehört oder in den sozialen Medien gelesen:
„Ja, natürlich war das, was die Hamas gemacht hat schlimm, aber ...“ Das deutsche Problem steckt in diesem einen Wort: aber. In dem unbedingten Willen, in dem geradezu pathologischen Drang, dieses Aber aussprechen zu müssen, anstatt einen Punkt zu setzen. Wir sind, Perspektiven hin oder her, eben nicht jedes beliebige Land. Ich hätte nie gedacht, dass ich diesen Satz einmal schreibe: Noch sind wir hier in Deutschland. In einem Land, in dem das Aber in einem bestimmten Kontext unangemessen ist.
Und das bildet sich auch in den sozialen Medien ab, in denen sich Menschen, die ich für klug und reflektiert halte, gegenseitig auf das Schärfste attackieren. Beiträge, in denen die Frankfurter Buchmesse, die sich als Institution solidarisch mit Israel erklärt hat, von einem Schriftsteller gefragt wird, ob sie nicht vielleicht doch einer palästinensischen Schriftstellerin einen Preis verleihen möchte, wenn Israel in den kommenden Tag noch ausreichend Palästinenser töte.
Wenn es insgesamt noch eines Beweises bedurft hätte (hätte es natürlich nicht, denn den hat bereits der Umgang mit der documenta im vergangenen Jahr geliefert, dass im deutschen Kulturbetrieb ein massives Problem herrscht), dann ist er jetzt erbracht. Ich weiß, das Land verändert sich; es gibt neue, andere Perspektiven. Ich sage das nicht ironisch, denn es ist ja so. Aber sie müssen einem ja nicht gefallen. Wie oft habe ich in den vergangenen Tagen bei Gesprächen rund um die Messe den Satz gehört oder in den sozialen Medien gelesen:
„Ja, natürlich war das, was die Hamas gemacht hat schlimm, aber ...“ Das deutsche Problem steckt in diesem einen Wort: aber. In dem unbedingten Willen, in dem geradezu pathologischen Drang, dieses Aber aussprechen zu müssen, anstatt einen Punkt zu setzen. Wir sind, Perspektiven hin oder her, eben nicht jedes beliebige Land. Ich hätte nie gedacht, dass ich diesen Satz einmal schreibe: Noch sind wir hier in Deutschland. In einem Land, in dem das Aber in einem bestimmten Kontext unangemessen ist.
16. November 2023, 10.00 Uhr
Christoph Schröder
Christoph Schröder
Christoph Schröder studierte in Mainz Germanistik, Komparatistik und Philosophie. Seine Interessensschwerpunkte liegen auf der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur und dem Literaturbetrieb. Er ist Dozent für Literaturkritik an der Goethe-Universität Frankfurt. Mehr von Christoph
Schröder >>
Mehr Nachrichten aus dem Ressort Meinung
Meinung
Fehlgeleitete Protestkultur
In Höchst wurde das Bismarck-Denkmal gestürzt. Anonyme Aktivisten der „Antikolonialen Bewegung“ haben sich dazu bekannt. Und man muss sich fragen: Was soll das?
Text: Jasmin Schülke / Foto: © Klaus Berger
MeinungMeistgelesen
22. November 2024
Journal Tagestipps
Freie Stellen