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Gangs of Frankfurt

Abgerippt – Ein Kunstprojekt

Bobby Borderline, Frankfurter Kulturschaffender, präsentiert ab dem 5. Mai die Schau „Abgerippt“ im Pavillon der ehemaligen Friedrich-Stoltze-Schule und gibt Einblick in die Frankfurter Gangszene.
Oguz Sen alias Bobby Borderline hat nach fast dreijähriger Recherche sein Projekt „Abgerippt“ beendet. Zusammen mit Leonhardi Kulturprojekte konnte er seine Arbeit über die Frankfurter Jugend- und Gangkultur der 80er und 90er Jahre realisieren und stellt diese nun im Pavillon seiner ehemaligen Schule, der Friedrich-Stoltze-Schule, aus. Betritt man den genannten Pavillon ist man umzingelt von Originalfotos aus der damaligen Zeit. Die Aufnahmen zeigen Jungs und Mädchen, die sich in Szene setzen und Stärke zeigen, die sich mit Schlagstöcken präsentieren oder wie auf einem Thron auf einer Mauer stehen. Sie zeigen Jungs und Mädchen, um die der eine oder andere einen weiten Bogen machen würde – und damals gemacht hat. Neben den Bildern zeigt der Künstler auch prestigebehaftete Kleidung, wie vier Bomber-Jacken, die so in den verschiedenen Gangs getragen wurden. Die Jacken sehen sich relativ ähnlich, allerdings sind sie genau gekennzeichnet. Zum Beispiel mit einer türkischen Flagge am rechten Oberarm für die „Turkish Power Boys“. Die Jacken gehörten wie die Gruppen selbst zur Identifikation der Jugendlichen. Ebenso zieren diverse Graffiti aus der Feder beziehungsweise Dose des Künstlers den Ausstellungsraum mit den Bandenlogos. Die Gangs existieren schon lange nicht mehr, sie starben Mitte der 90er mehr oder weniger aus. Bis zum 20. Mai leben sie im Pavillon der Friedrich-Stolze-Schule wieder auf.

Für Bobby Borderline ist es ein sehr emotionales Projekt. Er kennt die Menschen auf den Bildern, weiß um ihr Schicksal. Seinen Respekt zollt er seinen Ausstellungsobjekten, indem er sie anonymisiert. Bei seiner Recherche waren nämlich nicht alle sofort begeistert und gewillt in ihren Archiven nach alten Bildern zu suchen. Es war eine schwierige Zeit, auch wenn die Jugendlichen auf den Fotos selbstzufrieden wirken. Zwar haben es welche „geschafft“ und führen heute ein normales Leben, doch viele andere leben entweder nicht mehr, wurden aufgrund ihrer kriminellen Karriere abgeschoben oder verpassten den Einstieg ins regelkonforme Leben. Dass sich die Ausstellung um eine kriminelle Szene dreht, verrät bereits ihr Titel, „Abgerippt“. Man bestahl besser betuchte Kids, die gute Schuhe trugen oder eine hübschere Jacke besaßen und nahm sich so sein Stück vom Kuchen. Diese Beschaffungskriminalität radikalisierte sich mit der Zeit. Man griff sich bald gegenseitig an und teilte die Stadt unter sich auf. Den Respekt und die Akzeptanz, die der Gesellschaft nicht abzugewinnen war, forderte man unter seinesgleichen ein. Durch Gewalt, Diebstahl oder auch Breakdance und Graffiti. Bobby Borderline weist darauf hin, dass auch heute noch ähnliche, abgeschwächte Phänomene existieren. Heute sind die „Problemgruppen“ jedoch an die Randgebiete gedrängt. In den 80ern und 90ern kämpfte man um Bornheim, Bockenheim oder das Nordend. Heute attackieren sich Jugendliche in Sossenheim oder Nied.

Bobby Borderline zeigt das Bild einer Jugendkultur auf, die geprägt war von Migration, Ablehnung und der daraus resultierenden Perspektivlosigkeit und Gewaltbereitschaft. Die Jugendlichen, die sich damals in Gangs zusammenschlossen, waren meist Kinder von „Gastarbeitern“. So stigmatisierte man sie und weil man bekanntlich nicht davon ausging, dass sie bleiben würden, hat man sie nicht angemessen in die Gesellschaft eingeführt. Das Stigma existierte sogar schwarz auf weiß, so stand auf den Pässen der zweiten Generation „worker’s child“. Auch auf dem Pass des Künstlers Bobby Borderline. Über eigene Aktivitäten in einer Gang spricht er nicht, nur dass ihn Filme wie „Colors – Farbe der Gewalt“ oder „Die Warriors“ geprägt haben. Und er erzählt, dass er die Friedrich-Stoltze-Schule nur bis zur achten Klasse besuchte. Auch er kam damals nicht in der Gesellschaft Deutschlands an, obwohl er in Frankfurt geboren wurde. Die Frage, woher er kommt, beantwortet er mit „Ich bin weder deutsch, noch türkisch! Meine Herkunft ist Bornheim, meine Heimat ist Frankfurt.“ Die Frage, warum er sich nicht deutsch fühlt mit einem Verweis auf seine Haare und der Aufforderung „Guck mich doch an!“.

Heute studiert der 34-Jährige an der Hochschule für Gestaltung (HfG) in Offenbach. Sein Talent und seine Kreativität konnten seinen Schulabbruch wettmachen. Er hatte das Glück, vielen Förderern zu begegnen. So zum Beispiel Heiner Blum, der ihn dazu ermutigte, sich an der HfG zu bewerben oder auch Felicia Herrschaft, Andreas Bohn und Philipp von Leonhardi, die sich hinter Leonhardi Kulturprojekte verbergen. Ihnen liegt die Verbindung von Soziologie und Kunst am Herzen. Bei dieser Ausstellung ginge es um eine Erweiterung des Kunstbegriffs, so Philipp von Leonhardi. Die einzelnen Fotos seien keine Kunstwerke. Die Recherche, die Auseinandersetzung mit dem Material und die Zusammenfügung ergeben zusammen das Kunstwerk. Am 5. Mai, ab 19 Uhr, wird die Ausstellung mit einer Vernissage und anschließenden Party eröffnen. Der Pavillon der Friedrich-Stoltze-Schule in der Seilerstraße 36 wird dann bis zum 20. Mai Ort des Geschehens bleiben.
 
Fotogalerie:
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4. Mai 2012, 08.24 Uhr
Yohana Gebrihiwet
 
 
 
 
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