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No Sex in the City
Kolumne von Ana Marija Milkovic
Küsst die Faschisten, wo ihr sie trefft
Man sollte Peter Handke mal wieder zuhören, meint unsere Kolumnistin. Denn wenn Macht anstelle von Gewinnen wächst und Lobbyisten sich am Hofe scharen, wird es Zeit für eine Publikumsbeschimpfung.
Vor einiger Zeit habe ich einen Film gesehen, der sich frei nach Tucholsky "Küsst die Faschisten, wo ihr sie trefft" interpretieren lässt. Dieser Film, "Der Name der Anderen", handelt davon, Faschos zu "ficken". Ziel dieser Maßnahme ist, Faschos zu Besserem kommen zu lassen. Kunst, sagt auch Peter Handke in seinem Interview in der Zeit vom 18. September, kommt nicht, wie lange angenommen, vom Können, sondern vom Lassen.
Man kann nicht Können in der Kunst, wenn man hochstapeln muss. Sich hinzusetzen und zu sagen, ich schreibe jetzt einen Scheißroman, sagt Handke, lässt aus Hochstapelei Realität entstehen. Wir sprechen hier genau genommen von einem Tabubruch. Der Tabubruch besteht darin, dass heute jeder schreiben kann. Weitergesponnen kann auch jeder ein Haus planen, Gegenstände entwerfen oder fotografieren. Einer macht es gut und andere denken, wenn dieser Arsch es kann, dann kann ich das auch, sagt Handke.
Das Schreiben, dem sich Könner mühelos widmen, wird letztlich mühelos von anderen Könnern bepreist. Auch der Deutsche Buchpreis, sagt Handke, ist so ein Preis. Neben Vif und Witz geht dem Protagonisten der Literatur ein innerer guter Dämon ab, der uns Lesern das Universum ahnen lässt.
Über Literatur, Architektur, Gesellschaft, Politik zu debattieren, Zeitungen zu lesen, auf Ideen zu kommen, dafür haben bis auf die Könner Wenige nur noch Zeit. Nun, da unsere 38,5-Stunden-Woche 50 Stunden zählt und Sicherheit sich als Unsicherheit deklariert, Unternehmen von gesichtslosen Technokraten geführt werden, ihre Macht anstelle von Gewinnen wächst, Lobbyisten sich am Hofe scharen, ist die Zeit gekommen das Publikum ob ihres Desinteresses und langmutigen Willfährigkeit zu beschimpfen:
Ihr Totengräber der abendländischen Kultur, Ihr Asozialen, ihr übertünchten Gräber, Ihr Maulhelden, Ihr Hurrapatrioten, ihr Globalisten, Ihr inneren Emigranten, ihr devoten Jasager, Ihr kleinen G8 Wichser, Ihr Marktfetischisten, Ihr tumben Energiesparer, Ihr Umweltvernichter, Ihr williges Prekariat, ihr Mutlosen, Ihr akademischen Könner, Ihr Wutlosen, Ihr Rentenversorger, Ihr geduldigen Hornochsen, Ihr maskierten Eventkarnevalisten, Ihr Staatsgläubigen, Ihr Altenativlosen, Ihr Gottgläubigen, Ihr Gottlosen, Ihr Sprachlosen, Ihr Zeitlosen, Ihr Anästhesierten, Ihr Renditejäger, Ihr Konsumenten, Ihr Speichellecker, Ihr Mühelosen, Ihr Journalisten, Ihr Unfreien, Ihr MBAs, Ihr blutleeren CEOs, ihr Klicks zählenden Herausgeber, Ihr langweiligen Verleger, Ihr stromlinienförmigem Karrieristen, Ihr Hipster, ihr drittklassigen Schauspieler, Ihr miesen Produzenten, Ihr gestaltungsarmen Investoren, Ihr raubtierkaptitalistischen Handlangerer, Ihr wart atemberaubend, Ihr wart die Richtigen, Ihr habt unsere Erwartungen nicht enttäuscht.
Lasst Euch küssen!
(Auszüge aus Peter Handkes Publikumsbeschimpfung, 1966 in Frankfurt uraufgeführt.)
Man kann nicht Können in der Kunst, wenn man hochstapeln muss. Sich hinzusetzen und zu sagen, ich schreibe jetzt einen Scheißroman, sagt Handke, lässt aus Hochstapelei Realität entstehen. Wir sprechen hier genau genommen von einem Tabubruch. Der Tabubruch besteht darin, dass heute jeder schreiben kann. Weitergesponnen kann auch jeder ein Haus planen, Gegenstände entwerfen oder fotografieren. Einer macht es gut und andere denken, wenn dieser Arsch es kann, dann kann ich das auch, sagt Handke.
Das Schreiben, dem sich Könner mühelos widmen, wird letztlich mühelos von anderen Könnern bepreist. Auch der Deutsche Buchpreis, sagt Handke, ist so ein Preis. Neben Vif und Witz geht dem Protagonisten der Literatur ein innerer guter Dämon ab, der uns Lesern das Universum ahnen lässt.
Über Literatur, Architektur, Gesellschaft, Politik zu debattieren, Zeitungen zu lesen, auf Ideen zu kommen, dafür haben bis auf die Könner Wenige nur noch Zeit. Nun, da unsere 38,5-Stunden-Woche 50 Stunden zählt und Sicherheit sich als Unsicherheit deklariert, Unternehmen von gesichtslosen Technokraten geführt werden, ihre Macht anstelle von Gewinnen wächst, Lobbyisten sich am Hofe scharen, ist die Zeit gekommen das Publikum ob ihres Desinteresses und langmutigen Willfährigkeit zu beschimpfen:
Ihr Totengräber der abendländischen Kultur, Ihr Asozialen, ihr übertünchten Gräber, Ihr Maulhelden, Ihr Hurrapatrioten, ihr Globalisten, Ihr inneren Emigranten, ihr devoten Jasager, Ihr kleinen G8 Wichser, Ihr Marktfetischisten, Ihr tumben Energiesparer, Ihr Umweltvernichter, Ihr williges Prekariat, ihr Mutlosen, Ihr akademischen Könner, Ihr Wutlosen, Ihr Rentenversorger, Ihr geduldigen Hornochsen, Ihr maskierten Eventkarnevalisten, Ihr Staatsgläubigen, Ihr Altenativlosen, Ihr Gottgläubigen, Ihr Gottlosen, Ihr Sprachlosen, Ihr Zeitlosen, Ihr Anästhesierten, Ihr Renditejäger, Ihr Konsumenten, Ihr Speichellecker, Ihr Mühelosen, Ihr Journalisten, Ihr Unfreien, Ihr MBAs, Ihr blutleeren CEOs, ihr Klicks zählenden Herausgeber, Ihr langweiligen Verleger, Ihr stromlinienförmigem Karrieristen, Ihr Hipster, ihr drittklassigen Schauspieler, Ihr miesen Produzenten, Ihr gestaltungsarmen Investoren, Ihr raubtierkaptitalistischen Handlangerer, Ihr wart atemberaubend, Ihr wart die Richtigen, Ihr habt unsere Erwartungen nicht enttäuscht.
Lasst Euch küssen!
(Auszüge aus Peter Handkes Publikumsbeschimpfung, 1966 in Frankfurt uraufgeführt.)
1. Oktober 2014
Ana Marija Milkovic
Leser-Kommentare
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Ana Marija Milkovic hat als Architektin klare Ansichten über das Antlitz Frankfurts. Hier schreibt sie regelmäßig darüber.
Der (vielleicht nett gemeinte) Versuch, Handkes Publikumsbeschimpfung hierbei zu Hilfe zu ziehen, läuft leider völlig daneben, weil das Stück, zudem noch völlig tendenziös zitiert, zwar damals etwas ungemein Neues war, aber weder damals noch heute keinerlei Interpretationen im Hinblick auf irgendwelche Revolutionen zulässt!
Ob das der Autorin der Kolumne hiermit gelungen ist, wage ich zu bezweifeln.
Das sollte allerdings niemanden davon abhalten, das Original (mal wieder) zu lesen!