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No Sex in the City
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Kolumne von Ana Marija Milkovic
 

Kolumne von Ana Marija Milkovic

Herzhaft ist die Wurst

Wenn die Wurst herzhaft ist, welche Eigenschaft hat Lokalpatriotismus? Für unsere Kolumnistin die Druckerschwärze der FAZ. Nicht wichtig an welchem Ort dieser Welt man sie genießt.
Ob an der Via Monte Napoleone in Mailand, auf Kreta, am Flughafen oder aber in der Tankstelle der Stresemannallee in Frankfurt: Beim Lesen der Frankfurter Allgemeinen Zeitung empfinde ich Lokalpatriotismus.

Seit dem 28. September 2001 lese ich mit Vorliebe das Feuilleton der FAZ. Neunzehn Tage zuvor stürzten am 9/11 mit den Türmen des World Trade Centers auch sinnbildlich unsere Weltordnung ein. Angriff auf Amerika titelten die Zeitungen. Auch die FAZ. Während die Welt in den darauffolgenden Tagen, Wochen die Aufruhr nicht abzuschütteln vermochte, passierte am 28. September desselben Jahres etwas völlig Unerwartetes. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung veröffentlichte in ihrem Feuilleton einen Artikel der indischen Schriftstellerin und politischen Aktivistin Arundhati Roy. Mit "Wut ist der Schlüssel" spiegelte Arundhati Roy Denkstrukturen der amerikanischen Politik in denen Usama Bin Ladens wieder. Das war eine der Sternstunden der FAZ. Ich begann das Feuilleton der FAZ von nun an politisch wahrzunehmen. Nun ist der zuständige Herausgeber tot.

Wie aktuell der Artikel noch knapp 13 Jahre nach dem Erscheinen ist, fällt beim Lesen der Zeilen über den pakistanischen Geheimdienst ISI auf. Arundhati Roy klärte darüber auf, warum ISI die Taliban in Afghanistan unter Mitwirkung der CIA aufbaute. Das war 1979. Auch Usama Bin Laden begann als Mann der CIA im Kampf gegen den Kommunismus in Afghanistan. Bin Laden eine Waffe der Amerikanischen Regierung, anfänglich zum Erhalt amerikanischen Lebensstandards eingesetzt (wir kennend das), richtete seine Waffen 9/11 gegen seine politischen Förderer. Heute lesen wir über ISIs in Syrien, im Irak und erinnern uns kaum einer linearen zusammenhängend greifenden Geschichte.

Unsere vom Kapitalismus bestimmten Lebensräume sind weitestgehend instabil. Institutionen, wie die FAZ hingegen, bieten vielen ihrer Mitarbeiter über Jahrzehnte eine lineare Entwicklung. Einige von ihnen dürfen ihr Leben als Geschichte begreifen. Manchen Herausgebern ist nicht nur bestimmt, Geschichten zu publizieren, sondern auch, Geschichte zu schreiben. Anstelle einer langfristig, linearen Entwicklung von Geschäftsbeziehungen wird auch der in der FAZ propagierte freie Markt heute aber hauptsächlich durch Transaktionen als durch Beziehungen bestimmt. Nicht wenige behaupten, Weltwirtschaftswachstum wurde möglich, weil die institutionelle Kontrolle über Dienstleistungen, Güter und Arbeitskräfte abnahm. Spiegelbildlich dazu befinden wir uns heute in einer Krise der Verlage, der Immobilien, der Landwirtschaft, gemeinhin der globalen Welt.

Das Gelingen Sozialer Marktwirtschaft setzt die Erkenntnis voraus, dass soziale Beziehungen Zeit für ihre Entwicklung benötigen. Dafür brauchen wir Institutionen, die ein Leben lang wären. Deswegen ist die Geschichte Frank Schirrmachers die Geschichte eines Herausgebers der FAZ und nicht etwa umgekehrt. Wie wichtig es aber ist, die Macht in Anspruch zu nehmen, kritisch Stellung zu beziehen, zeigte sich, wenn der für das Feuilleton zuständige Herausgeber, Frank Schirrmacher, auch politisch publizierte. Unvergessen, wie er unserer Bundeskanzlerin anlässlich ihrer kundgetanen Freude zur Hinrichtung Usama Bin Ladens in seinem Artikel "Tod und Jubel" darauf hinzuweisen vermochte, dass man dem Feind nicht gleich werden darf und Freude darüber empfinden, dass einer getötet wurde.

Das Feuilleton der FAZ habe ich über Jahre mal mit mehr, aber auch mit weniger Leidenschaft gelesen. Mich störte, dass sich im feuilletonistische Duktus Architektur gleichklingend auf Katharina Valente spiegeln ließ. Das lässt wenig Horizont für Überraschendes, Neues, Richtung weisendes. Dabei hatte ich durch Frank Schirrmacher verstanden, dass das Ergebnis einer Debatte nicht gleichbedeutend wichtig ist, wie die Debatte mit den richtigen Fragen und den richtigen Protagonisten zu eröffnen. Kaum jemand kannte, vor dem 28. September 2001 Arundhati Roy. Es sind nicht immer die Superstars, die hilfreiche Debatten entfachen. Tun sie das, sichern sie vorwiegend Märkte, manchmal sogar algorithmische Geschäftsmodelle. Auch das ist wichtig. Der Gott der kleinen Dinge, liegt außerhalb dieser großen globalen Welt. Es beginnt damit, dass Menschen der Raum geboten wird in Häusern Generationen übergreifend zu wachsen.
25. Juni 2014
Ana Marija Milkovic
 
 
Fotogalerie:
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