Newsletter
|
ePaper
|
Apps
|
Abo
|
Shop
|
Jobs
No Sex in the City
Startseite Alle KolumnenNo Sex in the City
Kolumne von Ana Marija Milkovic
 

Kolumne von Ana Marija Milkovic

Die Islamisierung in der Architektur

Foto: Harald Schröder
Foto: Harald Schröder
Was macht die Moderne aus? Diese Frage stellte sich unsere Kolumnistin, als sie über das Velodrom in Berlin nachsann – ein Gebäude, das zeigt, wie sehr man diese Architekturströmung in Schutz nehmen muss.
1997 wurde das Velodrom eröffnet, eine Radsporthalle mit angegliedertem Schwimmbad am Prenzlauer Berg im Bezirk Pankow. Ich kenne kein anderes Bauwerk in Berlin, vielleicht sogar in Deutschland der vergangenen 20 Jahre, das ich annähernd so gut finde.

Der Architekt heißt Dominique Perrault, stammt aus Paris und hat dort in den 90ern die neue Nationalbibliothek entworfen und gebaut. Ich war 1998 in Paris und tief beeindruckt von der Bibliotheksanlage. Das Konzept der Bibliothek stellt vier zueinander stehende gläserne Winkel gleich aufgeschlagenen Büchern dar, die einen Wald an den Ecken fassen. Der Wald ist natürlich gewachsen, der Landschaft entnommen und in das Innere der Bibliotheksanlage 1:1 verpflanzt. Perrault wollte keinen neu entworfene Grünanlage, sondern seiner geometrisch strengen Architektur eine natürlich gewachsene, organische entgegensetzen.

Es gibt zwei überragende Landschaftskonzepte der vergangenen Jahrhunderte. Der französische Barockgarten ist ein strenges und geometrisches Konzept, mit dem der Architekt die Natur formal seinem Proportionssinn unterwirft. Das organische gewachsene, der Natur folgende Konzept wird englischer Garten genannt.

Diesem Entwurf bediente sich nicht nur die Stadt München, auch Perrault tat das konzeptionell. Die Lesesäle in Paris sind um den Park angeordnet und bilden Sockel sowie Plateau des Gebäudes über das der Komplex erschlossen wird. Die umlaufende Treppenanlage senkt sich auf das Straßenniveau herab. Auf dem Deck stehend erhält man dafür eine Aussicht auf den tiefergelegten inneren Wald. Von weitem wiederum erahnt man die Anlage als Plateau aus Beton, das die gläsernen Buchtürme trägt. Am Ort angelangt findet man sich stattdessen auf einem hölzernen Deck wieder, in das sich Türme und Wald einlassen. Es gäbe noch viel zu den Qualitäten im Konzept und der Ausführung zu erzählen. Ich fasse mich kurz: Es ist schön!

In Berlin ließ Perrault die Radsporthalle und das Schwimmbad in die Landschaft ein und plante auch diese Parklandschaft als Plateau, das er mit Apfelbäumen bepflanzte. Durch einen Park voller Äpfel und über Freitreppen gelangt der Besucher zum tiefer liegenden Gebäude. Dort empfängt ihn eine Dachkonstruktion mit einer Spannweite von 115 Metern. In Berlin steht heute, inmitten von Apfelbäumen verdeckt, die größte freitragende Stahlkonstruktion Europas.

Was nun aber ist modern? Ich helfe mir mit einem Zitat von Michel Pepiatt aus, der Francis Bacon zu seiner Arbeit interviewte: Modern bedeutet, anerkannte Wahrheiten umzustürzen.

Die Bibliothèque nationale de France ist mit der größten je in Europa gebauten Buchtransportanlage ausgestattet. Sportstätten sind vorrangig Gebäude, die sich bereits von weitem als solche auch werbewirksam abzeichnen. Dagegen unterwirft sich in Berlin das Velodrom der Natur, das in seiner Entstehung eben auch aus jener Zeit stammt, in der eine selbst ernannte Elite um den Berliner Bausenator Stimmann eine Diskussion über Blöcke, Materialität und Traufhöhen wiederkehrend anstieß und die Moderne in den darauffolgenden Jahren in Deutschland ausbrannte.

Angst gegen die Moderne zu schüren, ist ein probates Mittel aus den 30er-Jahren. Nicht von ungefähr setzen die Protagonisten der Block-,Traufhöhen- und Natursteinfraktion in Ihrer Ästhetik auch dort auf. Von den 90ern an nahm die Gruppe um Stimmann Einfluss über Berlins Landesgrenzen hinaus. Architektur sollte zukünftig mit traditionellen, weniger modernen Mitteln entworfen werden. Das brachte - ganz ohne Not - demokratische Errungenschaften wie den offenen Wettbewerb, sukzessive zum Erliegen. Die Ergebnisse der Wettbewerbe wurden zunehmend in der Auswahl der Architekten, des Materials und der Konstruktion vorweg bestimmt, um die moderne Welt restriktiv den eigenen Vorstellungen zu unterwerfen. Wir sind in der Architektur nicht so weit vom Islamismus entfernt.

Es ist an der Zeit, diese Wahrheiten umzustürzen.
7. Mai 2015
Ana Marija Milkovic
 
 
Fotogalerie:
{#TEMPLATE_news_einzel_kolumne_GALERIE_WHILE#}
 

Leser-Kommentare

Kommentieren
 
Der Leser am 21.5.2015, 18:24 Uhr:
Hallo Herr Filkas,
Sie haben natürlich Recht - so wie Gott sei Dank nur wenige Deutsche Steine auf die EZB und Polizisten werfen oder Asylantenheime in Brand stecken, sind auch nur wenige Muslime voller Hass und Gewalt gegen alles "andere". Trotzdem treten immer leider genau die Extremisten von rechts bis links bis Islam besonders hervor, polarisieren den Rest und verhindern einen rationalen und objektiven Diskurs.
Was ich am Beispiel Bagdad sagen wollte: heute gibt es in islamisch geprägten Ländern wenig Freiheit, wie wir sie in der westlichen Welt erleben dürfen. Ob das nun gut oder schlecht ist, ob die dort lebenden Menschen das wollen oder nicht, sei mal dahin gestellt. Erstaunlich ist jedoch, dass in vielen Ländern mehr oder weniger Friede herrschte und das Leben im Allgemeinen blühte - bis der Westen kam und meinte, Ländern wie Syrien oder dem Irak "Freiheit" und "Demokratie" zu bringen. Von da an ging's bergab. Das rächt sich nun.
 
Ronald M. Filkas am 21.5.2015, 13:30 Uhr:
Danke für die Unterstützung, werter Leser, doch sie krankt leider daran, dass der (heutige) Islam wieder einmal über einen Kamm geschert wird, nämlich über den, der ihm prinzipiell Hass und Vernichtung unterstellt.
 
Der Leser am 10.5.2015, 12:51 Uhr:
Ich stellte mir die gleiche Frage, Herr Filkas, bis mir auffiel, dass die Überschrift primär dem Zweck dient, Leser auf den etwas langatmig geschriebenen Artikel zu locken und um genau solche Fragen zu provozieren.

Nach dreimaligem Lesen hier nun meine ebenso langatmige Interpretation: Mir scheint, Frau Milkovic möchte mit der Überschrift in Kombination mit dem letzten Absatz sagen, dass die Islamisierung Europas/Deutschland gut ist, weil es "modern" ist (bzw. weil es halt einfach eine Tatsache ist). Und das, was erprobt ist und sich als erfolgreich erwiesen hat, eben altbacken und Fortschritts-verhindernd ist.

Und wie schon "damals" Angst gegen alles Moderne (=Gute) geschürt wurde, wird auch heute wieder Angst gegen die Islamisierung Europas/Deutschlands geschürt (obwohl es dann wohl aus Frau Milkovic' Sicht auch nur Gutes bringt). Was daran so grundsätzlich gut ist, ist mir schleierhaft.

Denn der Vergleich von Frau Milkovic nimmt an, dass der "moderne Islam" (der Einfachheit halber schmeiß' ich hier einfach alle Strömungen in einen Topf) progressiv ist und "uns" voran bringt, so wie moderne Bautechnik die Architektur voranbringt. Nur leider entspricht der gegenwärtige Islam ("gegenwärtig" ist wertfreier), nicht dem Islam, der tatsächlich große Denker, Wissenschaftler, Mediziner und vielfältige moderne Errungenschaften brachte - vor Urzeiten irgendwann zwischen 800 und 1200 nach Christus.

Wir müssen vielleicht gar nicht so weit zurückgehen: Sogar noch der Islam der 50er und 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts erlaubte modernes, offenes und verhältnismäßig liberales Leben (Frauen durften studieren) in damals kulturellen Hochburgen wie Bagdad. Dieser Islam war wirklich noch modern und ebnete den Weg für so großartige Künstlerinnen wie zum Beispiel Zaha Hadid (hier schlage ich für Frau Milkovic mal den Bogen von der Islamisierung zur Architektur, den sie im Text nicht hinbekommen hat - you're welcome).

Aber das ist nicht der Islam, der gegenwärtig Angst, Leid und Unheil über die Welt bringt von New York über London, Madrid, Nigeria, Syrien bis hin ins hessische Oberursel.

Das war der Islam der vergangenen Tage, der gut und erprobt war, der islamisch geprägten Ländern Jahrhunderte der Blüte und Entwicklung ermöglichte. Man kann nur hoffen, dass eine neue, intellektuell-moderne Generation in Städten wie Istanbul die Entwicklungen der vergangenen 50 Jahre revidiert und aus dem Glauben wieder Kraft, Kreativität und positive Energie schöpft und nicht Hass und Vernichtung gegen das "Andere".
 
Ana Marija Milkovic am 7.5.2015, 19:13 Uhr:
noch einmal lesen.
 
Ronald M. Filkas am 7.5.2015, 14:12 Uhr:
Aha, aber was macht die Islamisierung der Architektur nun aus, zumal der Artikel ja auch so heißt? Thema verfehlt, würde ich sagen, oder habe ich da etwas nicht mitbekommen?
 
Mehr Nachrichten aus dem Ressort No Sex in the City
Ana Marija Milkovics Kolumne
Wild at heart
Unsere Kolumnistin Ana Marija Milkovic schreibt über Cindy Crawfords Lebensratgeber und darüber, was diese mit der Messe Design Annual zu tun haben, auf der sie Julian Smiths Handynummer bekam – sich aber nie bei ihm meldete.
Text: Ana Marija Milkovic / Foto: Harald Schröder
 
 
Ana Marija Milkovics Kolumne
What else?
Unsere Kolumnistin Ana Marija Milkovic trinkt gerne Kapselkaffee von Nespresso. Dabei, glaubt sie, wähnt sie sich in guter Gesellschaft. Doch der Gedanke an das Müllaufkommen und die Privatisierung von Wasser mindern ihren Genuss.
Text: Ana Marija Milkovic / Foto: Harald Schröder
 
 
Ana Marija Milkovics Kolumne
Von Testa zu Omer Klein Trio
Unsere Kolumnistin Ana Marija Milkovic kauft gerne CDs im Laden – weil sie so oft auf neue Künstler aufmerksam wird. Warum ihr ihre neuen Entdeckungen Gianmaria Testa und das Omer Klein Trio besonders gut gefallen, beschreibt sie in ihrer Kolumne.
Text: Ana Marija Milkovic / Foto: Harald Schröder
 
 
Ana Marija Milkovics Kolumne
Ein Nachruf
Am gestrigen Dienstag ist der Modeschöpfer Karl Lagerfeld gestorben. Unsere Kolumnistin Ana Marija Milkovic betrauert seinen Tod - und erinnert daran, dass Lagerfeld nicht nur wegen seiner Mode bekannt war, sondern auch wegen politischer Statements.
Text: Ana Marija Milkovic / Foto: Harald Schröder
 
 
ANA MARIJA MILKOVICS KOLUMNE
Makis Milki Way
Unsere Kolumnistin Ana Marija Milkovic hat große Ziel für 2019: Auf ihrem neu gestarteten Instagram-Profil möchte sie innerhalb eines Jahres eine Million Follower erreichen. Wie sie das schaffen möchte, schreibt sie in ihrer Kolumne.
Text: Ana Marija Milkovic / Foto: © Harald Schröder
 
 
 
 
Ältere Beiträge