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Kreativzentrum im Bethmannhof
Massif Central 2.0
Das Massif Central hat den Zuschlag für den Bethmannhof bekommen und rückt damit vom Hinterhof in die erste Reihe der Innenstadt. Entstehen wird hier ein großes Kreativzentrum.
Der historische Bethmannhof, neben dem Römer gelegen, war 250 Jahre lang Sitz der Bethmann-Bank. 1748 gründete die Kaufmanns- und Bankiersfamilie das Bankhaus in Frankfurt am Main. Es entwickelte sich aufgrund seines Geschäfts mit Anleihen schon kurze Zeit nach seiner Gründung zu einem der führenden Bankhäuser Deutschlands. Eine in diesem Zusammenhang gerne zitierte Anekdote: Johann Wolfgang von Goethe hat 1786 den Kredit für seine Italienreise bei der Bethmann-Bank beantragt. Auch an der Finanzierung des Pariser Eiffelturms war das Bankhaus beteiligt. Ein Bruch in der Tradition des familieneigenen Bankhauses ereignete sich erst 1976, als die Bayerische Vereinsbank zunächst 50 Prozent der Bethmann-Bank und 1983 dann auch die restlichen Anteile übernahm.
Ein Ort der Begegnung im Herzen von Frankfurt
Bis 2019 war der Bethmannhof Standort der Bank und stand die darauffolgenden Jahre leer. 2022 überließ die Bethmann Liegenschafts KG, der die Immobilie gehört, diese vorübergehend der Wirtschaftsförderung Frankfurt und dem hessischen Kreativ-Cluster Cluk, die dort das HOCI – House of Creativity and Innovation einrichtete. Das Projekt wurde zu Beginn des Jahres beendet, da es offenbar keine Klarheit darüber gab, wie die Miete für das 8000 Quadratmeter große Gebäude dauerhaft aufgebracht werden soll.
Die Projektbetreiber hatten den Bethmannhof mietfrei für sechs Monate bekommen. Somit beschloss die Liegenschafts-Gesellschaft, die Immobilie den Betreibern des Massif Central (siehe unten: die Macher) als Mieter zu übergeben. Deren Konzept, ein Kreativzentrum zu schaffen, hatte die Entscheider überzeugt. Hans Hanegraaf, CEO der Bethmann Bank, schreibt dazu in einer Pressemitteilung: „Wir freuen wir uns sehr, dass Massif Central den Bethmannhof künftig mit kreativen Ideen füllt und einen neuen Ort der Begegnung im Herzen von Frankfurt schafft. Dies gilt umso mehr, da viele Projekte auf Nachhaltigkeit und damit auf eines der Kernthemen unserer Bank ausgerichtet sind.“
Schachzug für die Macher des Massif Central
Ein Schachzug für die Macher des Massif Central, und das Timing stimmt auch, denn das Massif Central musste aus seinem Quartier, einer alten Druckerei in einem Hinterhof der Eschersheimer Landstraße, sowieso ausziehen und hatte mit Hochdruck nach einer neuen Bleibe gesucht. „Seit einem Jahr wurden wir permanent gefragt, wo der neue Standort sein wird“, sagt Massif-Central-Gründer Florian Jöckel. Gemeinsam mit Sven Seipp habe man sich jede Immobilie, die leer stand, angeschaut, so auch den Bethmannhof. Am 26. Dezember schrieben sie den Vorschlag für ein Nutzungskonzept, den Zuschlag erhielten sie Anfang 2023. Der Mietvertrag läuft fünf Jahre mit Option auf Verlängerung.
In unmittelbarer Nachbarschaft vom Römer und schräg gegenüber der Paulskirche
Das repräsentative Gebäude liegt in unmittelbarer Nachbarschaft vom Römer und befindet sich schräg gegenüber der Paulskirche – eine geschichtsträchtige Lage, die den Stolz und das Selbstbewusstsein der Frankfurter Bankiersfamilie ausdrückt. Das elegante Gebäude in U-Form weist viele neobarocke Elemente auf. Im Zweiten Weltkrieg wurden die Dächer zerstört und durch einfache Dachkonstruktionen ersetzt, wie das bei vielen Gebäuden in der Innenstadt der Fall war. Elemente aus Sandstein zieren die Portale, im Innenhof befindet sich ein Brunnen. Der Bethmannhof steht zum Teil unter Denkmalschutz. >
Florian Jöckel, der Frontmann
Der Musik- und Sportmanager hat kurz vor dem zweiten Lockdown gemeinsam mit Sven Seipp das Massif Central im Hinterhof der Eschersheimer Landstraße aus der Taufe gehoben. Schon von Anfang an war klar, dass das Projekt zeitlich befristet ist – von Sommer 2021 bis Ende 2022. Doch nicht klar war, was daraus entstehen wird: Ein Ort, den es in Frankfurt bis dato so nicht gab, eine Arbeitsgemeinschaft, Debattenort und ein Treffpunkt für alle. Hier hat der Fahrradkurier neben dem Anwalt und der Lokalpolitikerin sein Feierabendbier getrunken, Joachim Unseld lud im vergangenen Jahr sogar zum ersten Mal zur Buchmesse nicht in seine Villa, sondern ins Massif Central. Ein Verdienst von Florian Jöckel. Er ist die treibende Kraft im „MC“, jemand, der Menschen aus den unterschiedlichsten Richtungen zusammenbringt.
Umtriebig, kreativ, rastlos – er sieht sich übrigens selbst nicht als Macher. „Als Schnittstelle der Gesellschaft, die nicht als Szene-Gastronomie aufgebaut ist“, bezeichnet er das Massif Central, benannt nach dem Gebirgszug im südlichen Frankreich. Dieser ist oft Schauplatz der Tour de France, steht aber auch zentral im Land, von weither sichtbar. Jöckel ist als Gründer des Veloclubs guilty76 nicht nur fahrradaffin, sondern auch frankophil und fährt mit ein paar Leuten für eine Etappe über Nacht an die Rennstrecke, um mit Straßenbemalungen den Rennradprofi John Degenkolb anzufeuern. Das Massif Central Frankfurt steht für einen Ort, der in der Mitte der Stadtgesellschaft verankert ist. „Bei uns ist für jeden Platz, einen solchen Platz habe ich mir immer gewünscht, geplant haben wir das nicht.“
Dass das Massif Central immer größer wurde, hat er sich selbst nicht ausmalen können: Als Standort der Fashion Week, Schauplatz einer Gaming-Messe, Treffpunkt der Akteure der Eurobike, etc. Dass Jöckel ein kluger Taktierer ist, bewies er in den Verhandlungen zum Bethmannhof. Um vom eigentlichen Schauplatz abzulenken, ließ er durchsickern, das Massif Central habe eine neue Bleibe im Ostend gefunden. Nervenstark ist er sowieso. Am neuen Standort sollen die Massif-Key-Themen einem Realitätscheck unterzogen werden, sagt er. „Wir wollen eine Blaupause dafür vorlegen, wie in Zukunft leerstehende Immobilien in unseren Innenstädten genutzt werden können – und zwar ohne Subventionierungen von Stadt, Land oder den Besitzern der Immobilien. Das basiert alles auf einer seriös kalkulierten Geschäftsgrundlage. Es hat keinen Sinn, Luftschlösser zu bauen. Die Verantwortung für den neuen Ort ist groß, hier muss man liefern.“
Joachim Richter, die Geheimwaffe
Der Zimmerermeister lebt im Allgäu. Zum Massif Central kam er über guilty76racing, den Velo-Club, den Florian Jöckel 2012 gegründet hat. „Florian rief mich während des Lockdowns an und fragte, ob ich Lust hätte, die Holzarbeiten im Massif Central zu machen.“ Nachdem die Nutzungsdauer in der Eschersheimer Landstraße abgelaufen war und der Umzug in den Bethmannhof beschlossene Sache, fragten Jöckel und Seipp, ob Joachim Richter nicht Lust habe, als dritter Gesellschafter miteinzusteigen.
„Das ist für mich etwas komplett Neues. Ich werde hin und wieder auch Zimmererarbeiten machen, aber nicht mehr Vollzeit.“ Wie beschreibt er seine Rolle? „Zum einen mache ich wieder die Holzarbeiten, löse technische Probleme und koordiniere die Handwerker, zum anderen beteilige ich mich an der Gestaltung und entwickle das Raumkonzept mit.“ Da seine Frau im Allgäu lebt, werde er nicht nach Frankfurt ziehen. „Ich sehe mich als Mann im Hintergrund, als Geheimwaffe, im öffentlichen Bild werde ich eher nicht erscheinen.“ Das Massif Central soll weiterhin Menschen, Kunst, Kultur und Sport zusammenbringen. Auch wenn die Entwicklung in eine exklusivere Richtung geht: „Wir bleiben die Gleichen und der Rock ‚n‘ Roll wird immer seinen Platz haben.“
Sven Seipp, der Stratege
Der Unternehmer ist Projektentwickler für Immobilien und bringt das nötige Know-how für große Projekte mit. Seine Laufbahn hat er bei der Stadt Frankfurt begonnen, bevor er sich selbstständig gemacht hat und nach München gegangen ist. Am Ammersee hat er mit einem Partner ein Restaurant mit Eisdiele, Bar und Biergarten eröffnet.
Mit dieser Erfahrung im Gepäck ist er 2006 nach Frankfurt zurückgekommen und hat dort die Entwicklung der Immobilien-Projekte Maintor und Marienturm geleitet. Die Gastronomie ließ ihn allerdings nicht los. „Durch meine Familie liegt mir das am Herzen. Allerdings wollte ich nie Gastronom, sondern Gastgeber sein“, sagt Seipp. In Frankfurt traf er Simon Horn, der im Museum für Moderne Kunst die Gastronomie betrieb. Es folgten gemeinsame Projekte, wie etwa das „Danzig am Platz“.
Mit Florian Jöckel hatte er vor vielen Jahren die Idee, ein Radcafé im Nordend aufzumachen. Daraus wurde allerdings nichts. Dann bekamen die beiden die Druckerei in der Eschersheimer Landstraße angeboten. „Ein idealer Laden, um dort einen Fahrradladen mit Trinkgelegenheit zu eröffnen.“ Von Anfang an wollten sie keinen Szeneladen aufmachen, wo jeder erstmal gemustert wird, welche Klamotten er anhat. „Wir wollten einen Platz schaffen, an dem alle willkommen sind, egal, welches Rad sie fahren.“
Zwei Tage nach der Besichtigung standen der Name des Orts und das Logo fest. „Durch meine Erfahrung in der Entwicklerszene brachte man uns viel Vertrauen entgegen. Das ist auch einer der Gründe, warum das Massif Central in den Bethmannhof ziehen konnte.“ Seipp kennt sich aus mit Brandschutz und den anderen komplexen Problemen, die eine Immobilie mit sich bringt. Seine Rolle: „Ich bilde den Rahmen, das Ausmalen übernehmen die andern.“
Das neue Massif Central soll sich zu einem Kreativzentrum mit Gastronomie und großem Eventbereich entwickeln. Das Erdgeschoss ist öffentlich zugänglich, hier ist auch das Café mit angeschlossenem Bistro untergebracht. Die Säulen der weitläufigen Halle, die noch vor ein paar Wochen den unterkühlt-eleganten Marmor-Bank-Charme ausstrahlten, wurden von den beiden israelischen Street-Art-Künstlern Pesh und Gelada und der Massif-Family mit grafischen Elementen in poppigen Farben bemalt, das Duo gestaltete bereits die Stirnwand der Druckerei in der Eschersheimer Landstraße.
An den Wänden wurden Fotos aus dem Archiv von Helmut Fricke angebracht. Michaela Kessler hat das visuelle Konzept für das neue Massif Central entwickelt: „Uns war es wichtig, das alte und neue Massif im optischen Erscheinungsbild zu kombinieren“, erklärt die Grafik-Designerin, die mit ihrem Büro vom Bahnhofsviertel in den Bethmannhof ziehen wird.
Mieter und Programm sind von den Betreibern kuratiert
Das Logo bleibt erhalten, ergänzt durch Details aus dem Wappen der Bethmann Bank. Das Design soll eine Verschmelzung von alter und neuer Nutzung symbolisieren. Auch der Kicker hat schon seinen Platz gefunden, neu sind vier Flipper-Automaten im Flur, und die Cafétheke wurde in Betrieb genommen. Sowohl die Mieter als auch das Programm sind von den Betreibern kuratiert. 50 Prozent der Büros seien mittlerweile vermietet.
Wichtig sei, so Jöckel, dass eine bunte, internationale Gemeinschaft entstehe und die Gewerke sich untereinander befruchten. Die E-Mobilität soll zum Bespiel eine große Rolle spielen, eine Kooperation mit einem Fahrradhersteller steht an. Die Buchgasse wird zum Fahrradparkplatz, der Antrag ist bereits durch den Ortsbeirat bestätigt und der Magistrat wurde mit der Umsetzung beauftragt.
Mode ohne Fashion Week
Fast alle Mieter aus dem alten Massif sind mit in den Bethmannhof umgezogen: So etwa Uwe E. Maier mit Amtraq, einer Vertriebsagentur für Mode und Lifestyle-Produkte, der im ersten Stock residiert. Auch das Thema Mode soll im Massif Central wieder aufgriffen werden, jedoch nicht als Fashion Week: Der Bethmannhof wird zweimal pro Jahr Schauplatz für Händler der internationalen Modebranche, das neue Format „Frankfurt Secret“ umfasst Order Shows und Trading Days. Zur Buchmesse soll eine begehbare Bibliothek in Kooperation mit einem Büromöbelhersteller aufgebaut werden, bestückt wird diese mit der kompletten Suhrkamp-Taschenbuchreihe.
Basti Red ist mit dabei
Am neuen Standort dabei ist auch der Podcaster Basti Red. „Für mich ist das ein Umzug in eine größere, aufregendere und buntere Welt. Ich bin hier, weil ich Bock auf die Stadt und die Leute habe.“ Er plant, ein Studio für Podcasts und Videoformate einzurichten. Auch wenn der Hinterhofcharme am neuen Ort fehlt, ist es für ihn am Ende trotzdem das Massif Central: „Die Bank wird nicht mehr als Bank zu erkennen sein“. Ein absoluter Pluspunkt sei für ihn die Lage: mitten im Herzen von Frankfurt, direkt neben dem Römer. „Wahrscheinlich wird das hier das inoffizielle Rathaus werden.“
Sport- und Peoplefotograf Isaak Papadopoulos ist auch Mieter
Auch der Sport- und Peoplefotograf Isaak Papadopoulos hat schon sein Büro bezogen. Es befindet sich im „Massif-Flügel“, wo alle Mieter aus der Eschersheimer Landstraße untergekommen sind. Einige sind gerade dabei, den burgunderroten Teppich rauszureißen, der in allen Büros verlegt ist. Papadopoulos hat sich schon eingerichtet und seinen Mac auf eine alte Werkbank gestellt, er ist mitten in der Arbeit, von seinem Arbeitsplatz aus blickt er auf die Rückseite des Römers. „Das Massif ist für mich etwas, das ich immer gesucht habe und nie in Worte fassen konnte. Ein Ort, der turbulent ist, der dich fordert, an deine Grenzen bringt, an dem du unendlich kreativ sein kannst.“
„Das Massif ist für mich etwas, das ich immer gesucht habe und nie in Worte fassen konnte“
Neue Mieter sind etwa ein Vintage-Uhrenhändler, das Atelier von Ralf Kellenberger, das Musiklabel Freunde von Niemand, Werbeagenturen, ein Yacht-Charter-Betrieb, Fotokünstler, Design Studios, Immobilien-, Sport- und Marketingexperten, Rechtsanwälte, Galerien und Start-ups. Auch das renommierte niederländische Architektenbüro UNStudio wird seinen deutschen Sitz ins Massif Central verlegen.
Für das Gastro-Konzept zeichnet Dimitrios „Dimi“ Antonakakis verantwortlich, der zuvor in vielen Sterne-Restaurants gearbeitet hat. „Fast alles ist regional, fast alles ist saisonal. Wir spezialisieren uns auf Nudeln“, fasst er zusammen. Es wird erstmal eine kleine Karte geben, die dann nach und nach ausgebaut wird.
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Der Live-Talk zur Titelstory:
"Der Bethmannhof - Frankfurts neues Kreativzentrum. Macher, Konzept und Vision"
Mit: Florian Jöckel, Sven Seipp, Joachim Richter (alle Massif Central)
Clarissa Alfrink, Geschäftsführerin Deutschland UNStudio
und vielen weiteren Gästen.
Moderation: Jasmin Schülke (JOURNAL FRANKFURT)
Donnerstag, 20. Juli, Beginn: 19 Uhr im Massif Central, Bethmannstraße 7-9.
Eintritt frei.
17. Juli 2023, 14.15 Uhr
Jasmin Schülke
Jasmin Schülke
Studium der Publizistik und Kunstgeschichte an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Seit Oktober 2021 Chefredakteurin beim Journal Frankfurt. Mehr von Jasmin
Schülke >>
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Text: Sina Claßen / Foto: Im Durchschnitt spendeten Menschen aus Frankfurt 28 Euro © Adobe Stock/Syda Productions
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