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Das war 2023
Hessen-Wahl, Antisemitismus, Paulskirche und Boris Palmer – Der Jahresrückblick
Was bewegte die Menschen in Frankfurt 2023? Welche politischen Ereignisse lohnen sich, auch 2024 nicht vergessen zu werden? Das lesen Sie im JOURNAL-Rückblick.
Ende 2022 wurde erstmals in der jüngeren Geschichte Frankfurts ein Oberbürgermeister durch Volksentscheid seines Amtes enthoben. Der Ex-OB Peter Feldmann hatte eine Kapriole zu viel geschlagen und musste seinen Posten räumen. Im Februar trat er aus der SPD aus, seine Interimsnachfolge übernahm die Grüne Nargess Eskandari-Grünberg.
Neuwahlen standen am 5. März an, mit 20 Wahlvorschlägen waren das so viele wie noch nie. In die Stichwahl kamen schließlich Mike Josef (SPD) und Uwe Becker (CDU), aus der der Sozialdemokrat als Sieger hervorging.
Wie politisch Kultur sein kann, beweist die Debatte um das Konzert in der Frankfurter Festhalle des als antisemitisch eingeordneten Roger Waters. Die Stadt hatte entschieden, den Ex-Pink-Floyd-Sänger am 28. Mai nicht in der Festhalle auftreten zu lassen. Was folgte, war eine Debatte, Proteste von Waters und ein Hin und Her vonseiten des Römers, wobei alles schließlich mit Waters' Auftritt endete.
Soll Frankfurt Modellregion für eine kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene werden? Die Pläne der Ampel-Regierung, Besitz und Eigenanbau in sogenannten „Cannabis Clubs“ zuzulassen, stößt auf Kritik. Den einen geht die Regel nicht weit genug, die anderen wollen von Legalisierung sowieso nichts wissen. Ein Ende der Debatte erhofft sich die Stadt für 2024.
Boris Palmer, Susanne Schröter, Demonstrant @Bernd Kammerer
Der Kongress „Migration steuern, Pluralität gestalten“ mit unter anderem Boris Palmer als Redner sorgt für Kritik und Proteste. Und Palmer wird bei der Veranstaltung am 28. April seinem Ruf gerecht. Der Tübinger OB verwendete mehrfach das N*-Wort und verglich sich mit jüdisch verfolgten Menschen im Nationalsozialismus. Als hätte man so etwas nicht geahnt.
Paulskirchenjubiläum und die Debatte um die Burschenschaften
Vor 175 Jahren am 18. Mai trat in der Frankfurter Paulskirche das erste frei gewählte gesamtdeutsche Parlament zusammen. Und das nutzte die Stadt für ein großes Fest, das auch internationale Gäste anzog. Überschattet wurden die Feierlichkeiten rund um das Fest der Demokratie, durch die Tatsache, dass Burschenschaften der bedeutungsschwangere Ort zu eigenen Feierlichkeiten überlassen werden sollte. Die Verbindungen sagten schließlich ab – aber der Imageschaden war da.
Kinderarmut in Frankfurt
In Frankfurt sind 23,2 Prozent der Menschen von Armut betroffen, insbesondere Kinder und Jugendliche. Die Pläne der Ampel-FDP, weniger in eine Kindergrundsicherung zu investieren, stößt bei sozialen Trägern auf Unverständnis. Sie haben den Eindruck, die Defizite der Politik kompensieren zu müssen.
Ende August wurde bekannt, dass in Frankfurt 2,5 Milliarden Euro nötig sind, um die Schulen zu sanieren beziehungsweise dringend nötige Neubauten zu bezahlen. Selbst wenn man nun OB Mike Josef (SPD) an sein Versprechen aus dem Wahlkampf erinnert, eine Milliarde Euro in Schulen und Kitas zu investieren, wird das nicht reichen.
Die Hessen-Wahl am 8. Oktober politisiert das Land und die Stadt. So fordern auch in Frankfurt Schülerinnen, Eltern und Lehrer Chancengleichheit und wirksames politisches Handeln gegen den Lehrermangel. Jedes Kind brauche eine gute Bildung, wofür die Politik „endlich die Weichen stellen“ müsse. „Der neue Oberbürgermeister Mike Josef hatte im Wahlkampf eine Milliarde Euro für die Frankfurter Schulen versprochen. Es ist Zeit dieses Wahlversprechen einzulösen und die massiven Probleme in der Frankfurter Bildungslandschaft endlich anzugehen.“
Zwei, die sich verstehen: Boris Rhein und Nancy Faeser @picture alliance/dpa | Christoph Soeder
Nicht nur in Hessen, auch in Frankfurt triumphierte die CDU mit 30,1 Prozent der Stimmen. Den zweiten Platz machten die Grünen mit 23,7 Prozent, die SPD landete mit 15,1 Prozent auf dem dritten Platz. Die AfD erreichte mit 10,3 Prozent den Landesdurchschnitt nicht, dennoch: Hessenweit kam die CDU auf 34,6, die AfD auf 18,4 Prozent und wurde zweitstärkste Kraft. Schlappen fuhren SPD (15,1) und Grüne (14,8) ein, die FDP schaffte es mit 5 Prozent knapp in den Landtag, die Linke flog raus (3,1).
„Nie wieder ist jetzt! Gemeinsam gegen Judenhass in Frankfurt und weltweit“ ist das Motto, unter dem die Menschen in Frankfurt auf die Straße gehen, um sich mit Israel zu solidarisieren. Derweil formulieren immer mehr Jüdinnen und Juden ihre Angst und ihren Eindruck, dass die Stimmung in der Gesellschaft kippt und Antisemitismus greifbarer wird. „Wir stehen bedingungslos hinter Israel und verurteilen den jüngsten Terrorangriff der Hamas auf das Schärfste. Dieser Angriff hat unsere Gedanken und Solidarität zu den Betroffenen und Opfern dieses barbarischen Terrors gelenkt“, schrieb Alon Meyer von Makkabi Frankfurt im JOURNAL.
Und Mirjam Wenzel konstatierte, dass die „verbale wie physischer Gewalt gegen Jüdinnen und Juden in Deutschland“ seit dem 7. Oktober sprunghaft angewachsen ist.
Die Schabbat-Tafel vor dem Römer im Oktober, auch Zeichen jüdischen Widerstandes © Bernd Kammerer
Am 7. Dezember 2022 wurde „Prinz Reuß“, 72 Jahre, wohnhaft in Frankfurt und Immobilienunternehmer, in seiner Wohnung im Westend festgenommen. Im Zuge einer bundesweiten Razzia hatte die Generalbundesanwaltschaft ihn als Spitze einer rechtsextremen Gruppierung ausgemacht, die einen bewaffneten Überfall auf die Verfassungsorgane geplant haben soll. Nun wird er vor das Oberlandesgericht Frankfurt gestellt.
Aktivisten und Migrantinnen beklagen seit langem den Antragsstau in der Ausländerbehörde in Frankfurt, der existentielle Folgen haben kann. Langen Wartezeiten auf einen Termin sind das Hauptproblem, weshalb viele Menschen ihre Jobs verlieren: „Wir sind nicht kriminell und wollen arbeiten“, heißt es auf ihrem Protest vor der städtischen Institution.
CDU und SPD haben in Wiesbaden den Koalitionsvertrag für ihr künftiges hessisches Regierungsbündnis unterschrieben. Demnach werden die CDU acht, die Sozialdemokraten drei Ministerposten erhalten. Eckpunkte des Vertrags sind: unter anderem mehr Lehrer bei Erhalt des mehrgliedrigen Schulsystems, mehr Polizistinnen, mehr Geld für Kitas und schnellere Abschiebungen. Weiter will Schwarz-Rot das Gendern in Hessen beispielsweise an Schulen und Universitäten verbieten. Schulpolitisch soll es in hessischen Grundschulen musikalisch werden. Schwarz-Rot will die Blockflöte unter die Grundschülerinnen bringen: „Wir werden ein Blockflötenprojekt mit Schulanfängerinnen und Schulanfängern starten, bei dem die Grundschülerinnen und Grundschüler eine Blockflöte und die Lehrkräfte passendes Unterrichtsmaterial erhalten.“
In diesem Sinne: Einen guten Start ins Neue Jahr!
27. Dezember 2023, 06.15 Uhr
Katja Thorwarth
Katja Thorwarth
Die gebürtige Frankfurterin studierte an der Goethe-Uni Soziologie, Politik und Sozialpsychologie. Ihre journalistischen Schwerpunkte sind Politik, politisches Feuilleton und Meinung. Seit März 2023 Leitung online beim JOURNAL FRANKFURT. Mehr von Katja
Thorwarth >>
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