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Zehn Jahre "Neue Wut"

Filmemacher Martin Keßler zieht Bilanz

Ein Jahrzehnt lang hat Filmemacher Martin Keßler soziale Proteste mit der Kamera begleitet: Gegen die Hartz IV-Reform und Studiengebühren, aber auch Blockupy und Pegida. Am Dienstag zieht er im Naxos-Kino Bilanz.
Sieht man sich die Nachrichten an, könnte man meinen, die Menschen werden immer wütender: Im Jahr 2004 gingen sie gegen die Hartz-IV-Reformen auf die Straße, 2006 protestierten Studenten gegen Studiengebühren, es gab Demos gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm 2007, vier Jahre später campierte Occupy vor der EZB, um gegen die Ursachen der Finanzkrise ein Zeichen zu setzen, darauf folgte Blockupy - mit allen Nebenwirkungen. Nicht von ungefähr ist seit Jahren die Rede von "Wutbürgern", die Politik in die eigenen Hände nehmen wollen.

Der Frankfurter Filmemacher Martin Keßler hat all diese Proteste mit der Kamera begleitet und Dokumentarfilme daraus gemacht. Über Jahre hinweg erkannte er ein Phänomen, das er die "Neue Wut" nannte - das war nicht nur der Titel seines Films über die Hartz-IV-Proteste, sondern auch der Name seines Langzeitprojekts. Nach zehn Jahren als Chronist zieht er am Dienstagabend in der Naxos-Halle Bilanz, schaut zurück auf die sozialen Proteste, zeigt Filmausschnitte und diskutiert die Hintergründe mit Politikern wie Ulrich Wilken (Linke) und Mike Josef (SPD), Gewerkschaftsvertretern, Globalisierungskritikern sowie Aktivisten.

Woher kommt diese "neue Wut"? Keßler zufolge sind sie Ausdruck davon, dass die Akzeptanz von politischen Parteien schwindet. "Die Menschen fühlen sich nicht mehr angemessen vertreten", sagt er. Dass die Pegida-Aktivisten genauso argumentieren, ist Keßler auch aufgefallen. Es gebe viele Parallelen zwischen Pegida und den Hartz-IV-Protesten - auch die Kundgebungen der Islamisierungsgegner in Dresden und Frankfurt hat er dokumentiert.

Martin Keßler reflektiert und kritisiert in seinen Filmen auch die Rolle der Medien. "Hysterisch und übertrieben" nennt er etwa die Berichterstattung zu den jüngsten Blockupy-Protesten in Frankfurt. Überwiegend sei über die Krawalle am Vormittag berichtet worden - das sei unverhältnismäßig. "Die Berichterstattung wird immer kurzarmiger und die Zusammenhänge geraten unter die Räder", sagt Keßler. Dabei spielten die Medien eine zentrale Rolle, weil sie Debatten anstoßen, aber auch Akteure diskreditieren - wie es etwa zuletzt bei Blockupy-Organisator Ulrich Wilken nach den Ausschreitungen am 18. März geschehen sei.

Doch leider seien in den vergangenen Jahren die Möglichkeiten geringer geworden, Dokumentarfilme zu machen, die über Zusammenhänge aufklären. Man dürfe Protestbewegungen nämlich nicht isoliert betrachten, sagt Keßler und verweist dabei zum Beispiel auf die Proteste in Spanien, die er ebenfalls begleitet hat. Mehrere Filme hat Keßler bereits über den Protest gegen den Bau von Staudämmen im Brasilien gedreht.

Seine Bilanz fasst er so zusammen: "Im Laufe der Jahre konnte man verfolgen, dass die Bündnisse immer breiter und die Akzeptanz zivilgesellschaftlicher Proteste in Deutschland größer geworden ist", sagt Keßler. "Soziale Proteste sind in der Lage, etwas zu bewegen. Die Hartz-IV-Proteste haben die Regierung Schröder zu Fall gebracht und die Studentenproteste in Hessen die Regierung Koch."

>> Zehn Jahre Neue Wut – Eine kritische Bilanz mit Filmemacher Martin Keßler, Naxos-Kino, Waldschmidtstraße 19, 12. Mai, Beginn: 19.30 Uhr. Eintrit 7 Euro, ermäßigt 4 Euro.
 
Fotogalerie:
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12. Mai 2015, 11.00 Uhr
Lukas Gedziorowski
 
 
 
 
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Text: Florian Aupor / Foto: Über den Holbeinsteg zum Museumsufer © Adobe Stock/Branko Srot
 
 
 
 
 
 
 
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