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Verweile doch Du bist so schön ...

Murnaus „Faust“ mit Livemusik im Lederpalast

Nach der Premiere mit „Nosferatu“ im vergangenen Februar vertonen die Musiker b.deutung und Richard Pappik am 10.1. nun Murnaus Faust im Lederpalast in Offenbach. Mehr als nur eine musikalische Begleitung.
JOURNAL FRANKFURT: Schon direkt nach dem Auftritt am 23.2.2013, der Premiere mit Murnaus „Nosferatu“ in der Reihe „stummfilm & ton“ im Offenbacher Ledermuseum, war klar, es wird nicht bei diesem einen Auftritt von bleiben. Wie haben Sie damals den Abend empfunden und welches spontane Feedback bekommen?


b.deutung: Der Abend, eigentlich der ganze Tag, war sehr aufregend. Wir wussten ja nicht, ob das was wir uns so ausgedacht haben erstens live als Uraufführung wirklich gut wird und zweitens dann auch angenommen würde. Einige Sachen z.B. waren nur im Kopf fertig und wurden an diesem Tag das erste Mal ausprobiert. Natürlich proben wir in Berlin mit einem E-Piano und haben keinen Flügel im Probenraum. Das heißt also, dass zum Beispiel der zweite Akt im „Nosferatu", wo ich viel im Flügel unterwegs bin, also diesen präpariert habe, zwar im Kopf fertig war, aber eben nie wirklich in aller Konsequenz geprobt werden konnte. Das wird es auch beim „Faust“ geben. Das spontane Feedback von Publikum und Veranstaltern (auch die folgende Kritik in der Frankfurter Rundschau) war so herzlich und überzeugend, dass wir noch an diesem Abend entschieden haben, dass es zum „Faust“ kommen wird.

In der Werbung steht ganz klar der Film im Vordergrund. Musikalische Begleitung b.deutung und Richard Pappik steht bescheiden auf dem Flyer. Viele haben es aber bei „Nosferatu“ als weit mehr empfunden als ein Update dessen, was früher die Klavierspieler in den Kinos zu den Stummfilmen gespielt haben. Mal Butter bei die Fische: wie wichtig sind Sie Zwei tatsächlich?

b.deutung: Danke für die Blumen, das ehrt uns. Ja, der Anspruch, den wir haben geht über eine „normale Stummfilmbegleitung“, wo man mehr oder minder hinter dem Film herspielt, in der Tat hinaus. Wir begreifen das eher wie eine Theatermusik, also eine Neuinszenierung, in der nicht immer klar ist, ob wir auf den Film reagieren oder er auf uns. Im besten Falle bilden also Film, Musik und Publikum eine Einheit. Aber ganz ehrlich. Den Film gab es lange vor uns und es wird ihn noch lange nach uns geben. Wir sind zuständig für den Augenblick, für das kurze Hineinholen des Films in die Gegenwart. Dafür, dem Film im Moment der Aufführung einen neuen Impuls zu geben, ihn gemeinsam mit dem Publikum und unseren dramaturgischen Gedanken neu zu erleben und zu empfinden. „Wenn ich zum Augenblicke sage, verweile doch Du bist so schön...“ aus dem Goethe Faust könnte also wirklich in der Tat das Leitmotiv für den Abend sein, oder auch: „Denn alles was entsteht, ist wert, dass es zu Grunde geht...." Denn alles was wir an diesem Abend tun, werden wir live tun. Ohne Netz und doppelten Boden. Keine Samples, keine Loops, außer die, die wir im Moment live entstehen lassen, kein Playback... Mit allen Konsequenzen die das haben kann.

Nach „Nosferatu“ nun der „Faust“, es bleibt bei Murnau (was ist besonders faszinierend an diesem „Filmemacher“?), aber das Sujet ist ein anderes, sprich weniger „Horror“, aber durchaus Stimmungen und Atmosphäre, die musikalisch reizvoll umzusetzen sind. Wie lassen Sie sich von den Bildern inspirieren, welches Instrumentarium nutzen Sie dazu und worum sind Sie Zwei (aufgrund des Backgrounds) besonders prädestiniert für ein solches Projekt?


b.deutung: Murnau ist ein großartiger Vertreter des Expressionismus im Film. Seine Bildsprache war bahnbrechend, die Bauten, die Stimmungen, die Tricktechnik, die Anleihen an die Romantik (der genaue Beobachter wird im „Faust“ eine Szene finden, die wie von Caspar David Friedrich gemalt scheint), die Liebe zum Detail, die moderne Führung der Figuren, also auch der Schauspieler (Emil Jannings, Gösta Ekmann, Camilla Horn und weitere, alle großartig in Szene gesetzt), alles das lässt den „Faust“ (wie auch vorher den „Nosferatu“) nicht alt erscheinen. Es ist verblüffend, wie modern und wie frisch die Filme immer noch wirken. Im Falle des „Faust“ merkt man sicher Zugeständnisse an den Zeitgeschmack und Vorboten von Hollywood, es war ja sein letzter Film in Deutschland. Die Dunkelheit und das Böse, Brüchige, Wahnsinnige, was die ersten ca. 40 Minuten durchzieht, hätte für Richard und mich durchaus die ganzen 107 Minuten so weitergehen können. Allein die Reise des Mephisto mit eben Faust, um ihn davon zu überzeugen, den Pakt einzugehen ist ein bildgewaltiger Trip ins Innere der Seele, sicher sehr inspiriert von „Faust II“, wo man ja auch nicht immer genau weiß, was da wohl im Kopf von Goethe vorging und der heute noch fast uninszenierbar scheint. Allerdings wäre das Publikum wahrscheinlich damals damit über eine lange Strecke überfordert gewesen und so kommt es eben zu einer ziemlich ausgedehnten Liebesgeschichte mit einem hochgradig kitschigen Ende. Ohne zu viel zu verraten kann ich sagen, dass wir zu diesem Ende unsere ganz eigene Sicht darlegen werden. Man kann also gespannt sein :-) Ob wir beide nun besonders prädestiniert sind, weiß ich gar nicht. Also ich denke jeder Musiker, der offen ist, der sich inspirieren lässt, der nicht nur auf einem Gleis fährt und neugierig geblieben ist, muss Spaß an einem solchen Projekt haben. Was uns natürlich entgegen kommt, ist die Erfahrung, die wir in unseren jungen Jahren im Rock n Roll machen und überleben durften. Also ich meine die bewusstseinserweiternden Erfahrungen, die bei uns nicht ausgeblieben sind und die durch die Bilder von Murnau quasi als Flashback zurückkommen und sich in Musik umsetzen.

Wie viel Abenteuer bedeutet ein solches Projekt sogar für so erfahrene Musiker wie sie?


b.deutung: Ein unglaubliches Abenteuer, weil wir es ernst nehmen. Am Anfang ist da dieser Film und die Fußstapfen sind enorm groß. Dann liest man die Werke noch einmal bei denen sich Murnau in seiner Fassung bedient hat, also Volkssage, Faust I und Faust II, Marlowe Faustus, und denkt man das erste Mal über das Scheitern nach, beginnt aber trotzdem eine Dramaturgie zu entwickeln und zu proben. So wird dann probenderweise ein musikalischer Kosmos entwickelt von dem wir glauben, dass er dem Film gerecht wird. Und damit ist aber immer noch nicht gesagt, dass es auch an diesem einem Abend funktioniert. Wir müssen ja auf den Punkt alles innerhalb unseres gesetzten Rahmens abrufen und wissen eben auch nur zu genau, dass live immer alles passieren kann. Also ist es um so notwendiger so intensiv zu proben, dass wir auf alles vorbereitet sind. Trotzdem. Die Anspannung wird erst am 10.1.2014 fallen wenn der letzte Ton gespielt ist und das Saallicht angeht. Vielleicht auch erst etwas später.....


Wie ergab sich diese wirklich fruchtbare Zusammenarbeit mit dem Ledermuseum in Offenbach und haben Sie inzwischen Pläne, diese beiden Programme auch anderswo aufzuführen bzw. haben Sie das zwischenzeitlich sogar schon getan?



b.deutung: Die Zusammenarbeit geht zurück auf Dr. Ralph Philipp Ziegler, den künstlerischen Leiter der Neuen Philharmonie Frankfurt, der aber eben auch im Amt für Kulturmanagement Offenbach tätig ist. Mit der Philharmonie darf ich seit über zehn Jahren in meiner Funktion als Cellist immer mal wieder arbeiten, bei Konzerten, oder auch Tourneen. Zum Beispiel haben wir mit Peter Gabriel oder auch Deep Purple Touren gespielt. Das ist weit mehr als Kollegialität, da sind Freundschaften entstanden, sowohl unter den Musikern, als eben auch mit der Leitung. Und da bleibt es nicht aus, dass man zusammensitzt und über Projekte redet. Auf einer dieser Touren sprach Dr. Ziegler also über die Idee eine Stummfilmreihe zu etablieren und eröffnete mir die Chance dazu beizutragen. Ich wollte von Anfang an Richard dabei haben, weil wir gut miteinander können, uns mögen und schätzen als Menschen und Musiker, was die Grundvoraussetzung ist und weil ich das Instrumentarium welches wir zusammen bedienen können als hocheffizient empfinde. Wir sind zwar nur zwei, wenn man aber bedenkt, dass Richard unabhängig von seiner Trommelei und Percussion welches sein Hauptjob ist, eine wahnsinnig gute und umfangreiche Gesangsstimme zur Verfügung hat die, wir nun auch im „Faust“ bewundern dürfen und noch Mundharmonika und Ukulele spielt, ich neben dem Cello eben noch den Flügel und ein paar Überraschungen bediene, das ganze dann mit zwei Loopstations abgerundet wird, dann ist schon klar wohin die Reise geht und man kann es eben zu zweit hinbekommen, dass Musik wirklich den Raum füllt und dem Film gerecht wird! Nebenbei sind wir stolz, dass wir 2013 die Stummfilmreihe im Ledermuseum eröffnen durften und 2014 quasi schon wieder eröffnen, weil das Kino im Ledermuseum ab 2014 „Lederpalast im Ledermuseum“ heißt. Mögen uns noch viele Filme dort ermöglicht werden. Dank an das Amt für Kulturmanagement Offenbach, das Ledermuseum und die Hessische Filmförderung, ohne die dieser Abend nicht möglich wäre.


Was unsere Pläne angeht, ja, wir würden sehr gern beide Filme öfter aufführen und hoffen deshalb, dass die „Murnau Stiftung“, die die Rechte am Filmmaterial hat, unserer Einladung nach Offenbach folgt, damit sie sehen und hören was wir da tun und dass wir dem Film nicht wehtun. Es gab einige Anfragen zu „Nosferatu“ und es wird hoffentlich welche zum „Faust“ geben, aber die Finanzierung eines solchen Abends gestaltet sich schwierig für örtliche Veranstalter, deshalb suchen wir bewusst das Gespräch mit der Stiftung um gemeinsam eine Lösung zu finden. Offenbach ist da eine große Ausnahme bisher, weil sich eben, wie in unserer Danksagung zu sehen, so viele Beteiligte die Kosten teilen. Also Rechte, Raum, Technik, Werbung, Übernachtung, Gage...Da kommt was zusammen. Bleibt nur zu sagen, wir wünschen uns wie schon beim „Nosferatu“ ein ausverkauftes Haus und allen Beteiligten, aktiven wie passiven, einen tollen Abend. Das Außergewöhnliche an unserem letzten Besuch war die Mischung des Publikums durch alle Alters- und Szenegruppen. Die Gespräche, die danach bei einem Glas Wein über das zusammen erlebte stattfanden waren wunderbar und gaben uns den Impuls das unbedingt weiter zu betreiben. Und so soll es auch am 10.1. sein!


Stummfilm und Ton: „Faust – Eine deutsche Volkssage“
Musikalische Begleitung: b.deutung & Richard Pappik
Freitag 10.1.14, 20 Uhr
Lederpalast – Kino im Museum
Deutsches Ledermuseum, Offenbach
 
Fotogalerie:
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1. Dezember 2013, 00.03 Uhr
Interview: Detlef Kinsler
 
 
 
 
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