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Ausstellung zu Marcel Reich-Ranicki
Goethe-Uni zeigt Lebenszeugnisse eines Kritikers
Das Literaturarchiv der Goethe-Uni widmet Marcel Reich-Ranicki eine Ausstellung. Bislang unbekannte Dokumente werden in der Dantestraße gezeigt. Und ein obskurer Lesesessel. Der macht die Schau ein bisschen zu privat.
Wenn alle es toll finden, muss man es selbst dann auch toll finden? Die Ausstellung in der Dantestraße, die am Donnerstagabend eröffnet wurde, hat bei mir zumindest zwiespältige Gefühle hinterlassen.
Empfangen wurden die Besucher von einem Bücheraltar, die gesammelten Schriften, natürlich beeindruckend. Im nächsten Raum dann einerseits Karikaturen und Zeichnungen, auch von den Schriftstellern, mit denen sich der Literaturkritiker zeit seines Lebens auseinandersetzte. Auf der anderen Seite des gestreckten Raumes private Fotos, die aus dem Privatarchiv seines Sohnes Andrew Ranicki stammen. Die fotografischen Zeugnisse reichen von 1945, als Reich-Ranicki nach Kriegsende das völlig zerstörte Warschauer Getto besuchte, über seine Jahre als Konsul in London, Literaturkritiker in Warschau und Mitarbeiter der Zeit in Hamburg bis zu der großen Epoche als FAZ-Kritiker, und auch ein gemeinsames Foto mit dem TV-Menschen Thomas Gottschalk hat einen Platz In einem schmucklosen Hinterzimmer steht ein Fernseher, auf dem eine Biographie gezeigt wird.
In der Ausstellung des Literaturarchivs der Goethe-Universität werden Fotos und Dokumente erstmals öffentlich gezeigt, was in Verbund mit weiteren Institutionen geschieht, an denen Reich-Ranickis Erbe wirkt: Etwa 200 der Familienfotos erscheinen in einer Inszenierung, zu der das Historische Museum den Schreibtisch Reich-Ranickis beisteuert, das Jüdische Museum seine Sammlung von Autorenbildern und die Freundin und Nachbarin Eva Demski das Biedermeierensemble, an dem Teofila und Marcel Reich-Ranicki Weihnachten zu feiern pflegten. Das Literaturarchiv der Goethe-Universität zeigt den Lesesessel aus der Privatwohnung. Und spätestens da wird es doch irgendwie seltsam. "Ach, und da hat der Herr Reich-Ranicki also gerne drin gesessen", frage ich beiläufig und eine vorbeilaufende Eva Demski meint energisch: "Immer. Immer hat er darin gesessen." Vielleicht fällt es den Menschen, die diese Ausstellung zusammengetragen haben, gar nicht mehr auf, dass sie hier die private Seite einen Medienmannes nach vorne kehren, die beruflichen Artefakte, Zeitungsartikel nämlich aus der FAZ, verschwinden wie eine Tapete hinter den Exponaten. Dazu kommt die übliche Überhöhung, die schon zu seinen Lebzeiten einsetzte, vom Literaturpapst war stets die Rede, was ja Unfehlbarkeit bedeuten würde. Kurator Wolfgang Schopf echauffiert sich darüber, dass ausgerechnet die Goethe-Universität dem Mann nicht die Ehrendoktorwürde verliehen habe – und lässt durchblicken, dass Reich-Ranicki über die ausbleibende Ehrung der Hochschule nicht erfreut war. Meine Güte, denkt man sich: Hat es Dir nicht gereicht, Papst zu sein? Und dann wird noch dazu aufgerufen, doch gerne einmal im Lesesessel des Verstorbenen Platz zu nehmen, "nutzen Sie die einmalige Chance". Äh, nein danke.
Begleitprogramm
2. Juni 2015, 19.30 Uhr
Glückwunsch, Marcel
Eva Demski und Petra Roth erinnern sich am 95. Geburtstag von Marcel Reich-Ranicki an den persönlichen Freund und großen Frankfurter
15. Juni 2015, 19.30 Uhr
Joachim Kersten und Jan Philipp Reemtsma lesen aus Marcel Reich-Ranicki und Peter Rühmkorf. Der Briefwechsel
26. Juni 2015, 19.30 Uhr
Marcel Reich-Ranicki
Der Kritiker unter Kollegen
Ein Abend mit: Ina Hartwig, Martin Lüdke und Uwe Wittstock
>> Marcel Reich-Ranicki. Sein Leben in unbekannten Fotos und Dokumenten, kuratiert von Wolfgang Schopf und Uwe Wittstock. 29. Mai bis 30. Juni 2015. Neuere Philologien/Universitätsarchiv der Goethe-Universität, Dantestr. 9. Mo–Fr 15–19 Uhr, Sa–So 11–20 Uhr – nach dem 30.6.: auf Anfrage. Eintritt frei.
Empfangen wurden die Besucher von einem Bücheraltar, die gesammelten Schriften, natürlich beeindruckend. Im nächsten Raum dann einerseits Karikaturen und Zeichnungen, auch von den Schriftstellern, mit denen sich der Literaturkritiker zeit seines Lebens auseinandersetzte. Auf der anderen Seite des gestreckten Raumes private Fotos, die aus dem Privatarchiv seines Sohnes Andrew Ranicki stammen. Die fotografischen Zeugnisse reichen von 1945, als Reich-Ranicki nach Kriegsende das völlig zerstörte Warschauer Getto besuchte, über seine Jahre als Konsul in London, Literaturkritiker in Warschau und Mitarbeiter der Zeit in Hamburg bis zu der großen Epoche als FAZ-Kritiker, und auch ein gemeinsames Foto mit dem TV-Menschen Thomas Gottschalk hat einen Platz In einem schmucklosen Hinterzimmer steht ein Fernseher, auf dem eine Biographie gezeigt wird.
In der Ausstellung des Literaturarchivs der Goethe-Universität werden Fotos und Dokumente erstmals öffentlich gezeigt, was in Verbund mit weiteren Institutionen geschieht, an denen Reich-Ranickis Erbe wirkt: Etwa 200 der Familienfotos erscheinen in einer Inszenierung, zu der das Historische Museum den Schreibtisch Reich-Ranickis beisteuert, das Jüdische Museum seine Sammlung von Autorenbildern und die Freundin und Nachbarin Eva Demski das Biedermeierensemble, an dem Teofila und Marcel Reich-Ranicki Weihnachten zu feiern pflegten. Das Literaturarchiv der Goethe-Universität zeigt den Lesesessel aus der Privatwohnung. Und spätestens da wird es doch irgendwie seltsam. "Ach, und da hat der Herr Reich-Ranicki also gerne drin gesessen", frage ich beiläufig und eine vorbeilaufende Eva Demski meint energisch: "Immer. Immer hat er darin gesessen." Vielleicht fällt es den Menschen, die diese Ausstellung zusammengetragen haben, gar nicht mehr auf, dass sie hier die private Seite einen Medienmannes nach vorne kehren, die beruflichen Artefakte, Zeitungsartikel nämlich aus der FAZ, verschwinden wie eine Tapete hinter den Exponaten. Dazu kommt die übliche Überhöhung, die schon zu seinen Lebzeiten einsetzte, vom Literaturpapst war stets die Rede, was ja Unfehlbarkeit bedeuten würde. Kurator Wolfgang Schopf echauffiert sich darüber, dass ausgerechnet die Goethe-Universität dem Mann nicht die Ehrendoktorwürde verliehen habe – und lässt durchblicken, dass Reich-Ranicki über die ausbleibende Ehrung der Hochschule nicht erfreut war. Meine Güte, denkt man sich: Hat es Dir nicht gereicht, Papst zu sein? Und dann wird noch dazu aufgerufen, doch gerne einmal im Lesesessel des Verstorbenen Platz zu nehmen, "nutzen Sie die einmalige Chance". Äh, nein danke.
Begleitprogramm
2. Juni 2015, 19.30 Uhr
Glückwunsch, Marcel
Eva Demski und Petra Roth erinnern sich am 95. Geburtstag von Marcel Reich-Ranicki an den persönlichen Freund und großen Frankfurter
15. Juni 2015, 19.30 Uhr
Joachim Kersten und Jan Philipp Reemtsma lesen aus Marcel Reich-Ranicki und Peter Rühmkorf. Der Briefwechsel
26. Juni 2015, 19.30 Uhr
Marcel Reich-Ranicki
Der Kritiker unter Kollegen
Ein Abend mit: Ina Hartwig, Martin Lüdke und Uwe Wittstock
>> Marcel Reich-Ranicki. Sein Leben in unbekannten Fotos und Dokumenten, kuratiert von Wolfgang Schopf und Uwe Wittstock. 29. Mai bis 30. Juni 2015. Neuere Philologien/Universitätsarchiv der Goethe-Universität, Dantestr. 9. Mo–Fr 15–19 Uhr, Sa–So 11–20 Uhr – nach dem 30.6.: auf Anfrage. Eintritt frei.
29. Mai 2015, 11.00 Uhr
Nils Bremer
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